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Die abgelegten Pakete bewegten sich, während man das gedämpfte Knirschen und Quietschen von Scharnieren und Federn vernahm. Unter der transparenten Polsterung blitzten geodätische Stäbe und Kabel auf wie Vektorgrafiken. Plötzlich verwandelten sich die Pakete in zwei Stühle.

Greta öffnete ihre neue elegante Handtasche und führte ein Papiertaschentuch an die Nase. »Die Luft ist hier sehr gut, weißt du.«

Bambakias kehrte zurück, bekleidet mit einer grauen Seidenhose und Unterhemd, gefolgt von einer schweigsamen jungen Frau, bepackt mit Schuhen, Hemd und Hosenträgern. »Wo ist mein Hut?« fragte Bambakias gereizt. »Wo ist mein Umhang?«

»Die Stühle sind sehr interessant«, meinte Greta. »Erzählen Sie mir etwas darüber.«

»Ach, diese Entwürfe hatten keinen Erfolg«, sagte Bambakias und steckte einen mageren Arm in den zerknitterten Ärmel des Frackhemds. »Aus irgendwelchen Gründen vertrauen die Menschen den Rechnern nicht genug, um sich darauf zu setzen.«

»Ich vertraue den Rechnern«, versicherte ihm Greta und nahm Platz. Die inwendigen Speichen und Drähte passten sich mit einem Sirren an ihr Gewicht an, als würden Gitarrensaiten gespannt. Greta machte es sich gewandt mitten in der Luft bequem, eine Königin auf einem Thron aus smarten Essstäbchen und Spinnweben. Oscar bewunderte reaktive Spannkonstruktionen ebenso wie jedermann sonst, nahm aber mit erheblich weniger Schwung auf dem zweiten Stuhl Platz.

»Ein Architekt heimst Anerkennung für Designerfolge ein«, erklärte ihr Bambakias. »Die Misserfolge kann man mit Lorbeer bemänteln. Aber eigenwillige Entwürfe, die sich einfach nicht bezahlt machen – die verbirgt man am besten in seinem Büro.«

Angestellte entfernten wortlos den Massagetisch und schoben ein klappbares Krankenhausbett herein. Der Senator nahm auf der Bettkante Platz und zog die bloßen, mageren Füße hoch wie ein großer Meeresvogel.

»Ich habe auf dem Herweg ganz ähnliche Stühle bemerkt«, sagte Greta. »Aber die waren massiv.«

»Nicht ›massiv‹. Starr. Sprühfurnier.«

»Weniger ist mehr«, meinte Greta.

Während ihm seine Garderobiere Socken und Schuhe anzog, blitzte in den schlaffen Gesichtszügen des Senators ein Funken Interesse auf. »Wie war Ihr Name noch gleich?«

»Greta«, antwortete sie sanft.

»Und was sind Sie, Psychiater in?«

»Nah dran. Ich bin Neurowissenschaftlerin.«

»Ah ja. Ich glaube, das erwähnten Sie bereits.«

Greta wandte sich zu Oscar um und blickte ihn mitfühlend an. Seit Donna sie umgemodelt hatte, war ihrem Ausdruck eine neue, bestürzende Klarheit zu eigen – ihr flackernder Blick traf Oscar mitten ins Herz und verhakte sich darin wie eine Harpune.

Oscar beugte sich auf dem summenden Stuhl aus Klavierdraht vor und faltete die Hände. »Alcott, Lorena hat mir erzählt, Sie wären über die neuen Entwicklungen sehr verärgert.«

»›Verärgert‹?« wiederholte Alcott und reckte das Kinn, während ihm die Garderobiere die Krawatte band. »›Verärgert‹ trifft es nicht ganz. Ich würde sagen, ich sehe die Lage ›realistisch‹.«

»Na ja… Realismus ist Ansichtssache.«

»Ich habe eine Staats- und Unionskrise ausgelöst. Militärisches Gerät im Wert von vierhundertundzwölf Millionen Dollar wurde von anarchistischen Banditen geklaut und ist in den Sümpfen verschwunden. Das war der schlimmste derartige Vorfall seit Fort Sumter im Jahre 1861; weshalb sollte ich mich nicht darüber ärgern?«

»Aber, Al, das haben wir doch nicht gewollt. Man kann uns für diese Entwicklung nicht verantwortlich machen.«

»Aber ich war dort«, beharrte Bambakias. »Ich war bei diesen Leuten. Ja… ich habe mit ihnen geredet, ich habe ihnen mein Ehrenwort gegeben… Ich habe Videos, die das belegen! Lassen Sie uns die Videos noch einmal anschauen. Wir sollten sie uns zusammen anschauen. Wo ist mein Systemadministrator? Wo ist Edgar?«

»Edgar ist in Washington«, sagte die Garderobiere.

Das hohlwangige Gesicht des Senators straffte sich merklich. »Muss ich denn alles selbst machen?«

»Ich habe die Belagerung mitverfolgt«, sagte Oscar. »Ich bin sehr dafür, die Entwicklung zu beschleunigen.«

»Aber ich war dort!« wiederholte Bambakias. »Ich hätte ihnen helfen können. Ich hätte Barrikaden bauen können. Ich hätte Generatoren kaufen können… Aber als sich das Gas ausbreitete, verloren sie den Verstand. Das hat mich wirklich betroffen gemacht. Das war kein Spiel mehr. Wir waren keine Spieler. Wir waren alle wahnsinnig geworden.«

Es entstand ein angespanntes Schweigen.

»Er hat im Netz viel Zeit mit den Leuten vom Stützpunkt verbracht«, erklärte die Garderobiere demütig. »Es war beinahe so, als wäre er bei ihnen gewesen. Ganz persönlich.« Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Ich hole seinen Hut«, sagte sie und ging mit hängendem Kopf davon.

Ein Servierwagen wurde hereingeschoben, gedeckt für zwei Personen. Die Fischsuppe wurde serviert.

Oscar verrückte den federleichten reaktiven Stuhl und knallte demonstrativ mit der Leinenserviette. »Das war keine Niederlage, Al. Bloß ein Scharmützel. Auf dem guten alten Go-Brett ist noch viel Platz. Die Senatsperiode dauert mindestens sechs Jahre.«

»Denen nützt das nichts. Die sind jetzt alle in Lagern untergebracht! Wie kann die Regierung nur so zynisch sein? Man hat unsere Soldaten dem Mann überlassen, der sie unter Gas gesetzt hat!« Bambakias deutete auf den hinter ihm flackernden Bildschirm. »Ich habe mitverfolgt, wie er das gedeichselt hat. Dieser Huey. Als ob er sie gerettet hätte. Dieser Hurensohn steht in der Öffentlichkeit als ihr Retter da!«

»Also, das war ein wirklich schlimmer Zwischenfall, aber wenigstens gab es keine Toten. Wir können die Sache jetzt abschließen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

Oscar ergriff den funkelnden Suppenlöffel und kostete umständlich. Wie immer schmeckte die Fischsuppe köstlich.

»Moment mal«, sagte er zu Greta, die keine Anstalten machte zu essen. »Da stimmt was nicht.« Er richtete sich auf. »Was ist mit Ihrem Küchenchef, Alcott? Verwendet der etwa Konserven?«

Bambakias runzelte die Stirn. »Was?«

»Das ist nicht Ihre Spezialität.«

»Natürlich ist sie das. Ganz bestimmt.«

»Probieren Sie mal«, sagte Oscar.

Greta bekundete mit einem Kopfnicken ihr Einverständnis, was eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre, denn der Senator war bereits vom Bett hochgesprungen und hatte sich ihren Löffel geschnappt. Er probierte die Suppe.

»Hat einen metallischen Beigeschmack«, meinte Oscar augenzwinkernd.

Bambakias probierte noch zwei Löffel. »Unsinn«, knurrte er. »Schmeckt delikat.«

Sie langten schweigend zu. »Ich besorge noch einen Stuhl«, murmelte Greta. Sie stand auf und ging hinaus.

Bambakias nahm auf Gretas Stuhl Platz und mampfte eine Handvoll Muschelcracker. Die Garderobiere kam zurück und legte den Hut und den Umhang des Senators in der Nähe ab. Bambakias beachtete sie nicht, sondern beugte sich in angespannter Konzentration auf den Teller hinab. Seine Hände waren wie gelähmt; er konnte den Löffel kaum festhalten.

»Ich könnte jetzt einen Milchshake vertragen«, bemerkte Oscar. »Wie die, die wir während des Wahlkampfs immer getrunken haben.«

»Eine gute Idee«, meinte Bambakias geistesabwesend. Er reckte das Kinn, deutete mit zwei Fingern darauf und sagte ins Leere: »Vince, zwei Wahlkampf-Power-Milch-shakes.«

»Hat Sosik Ihnen schon die neuesten Umfrageergebnisse gezeigt, Al? Sie haben bei dieser Episode besser abgeschnitten, als Sie meinen.«

»Nein, da irren Sie sich beide. Ich habe alles vermasselt. Ich habe eine schwere Krise heraufbeschworen, bevor ich auch nur vereidigt wurde. Und jetzt bin ich ein ebensolcher mieser Krimineller wie der ganze Rest, mir bleibt keine andere Wahl – von jetzt an muss ich das Spiel nach ihren Regeln spielen. Und der Senat ist ein Scheißspiel.«