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»Wir geben nicht auf.«

»Oscar, lass mich jetzt ins Labor zurückfliegen. Lass mich arbeiten. Das ist das einzig Vernünftige.«

»Das mag schon sein, aber ich bin nicht vernünftig, und das sind auch keine vernünftigen Zeiten.«

Leon Sosik betrat das Büro. »Ein ziemliches Debakel.« Er war ganz grau im Gesicht.

»Dieser Bursche ist wirklich dreist«, sagte Oscar. »Huey hat einen französischen Flugzeugträger vor der Küste warten lassen. Der Mann ist ein Verräter! Er steckt mit einer ausländischen Macht unter einer Decke!«

Sosik schüttelte den Kopf. »Das habe ich nicht gemeint.«

»Wir können einem derart kaltblütigen Coup nicht tatenlos zusehen. Wir müssen Hueys Füße an den Senatsboden nageln und ihn grün und blau prügeln.«

Sosik starrte ihn an. »Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?«

»Natürlich ist es mein Ernst! Unser Mann hat Huey aus der Deckung gescheucht, und jetzt zeigt er sein wahres Gesicht. Er stellt eindeutig eine Gefahr für die nationale Sicherheit dar. Wir müssen ihn fertigmachen.«

Sosik wandte sich mit höflicher Besorgnis an Greta. »Dr. Penninger, würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mich mit Mr. Valparaiso einen Moment unter vier Augen unterhalte?«

»Natürlich nicht.« Greta erhob sich widerwillig und legte die Essstäbchen weg.

»Ich könnte Ihnen von unserem Koch etwas einpacken lassen«, schlug Sosik aufmerksam vor.

»Ach nein, ich wollte sowieso gehen… Es wäre nett, wenn Sie mir ein Taxi rufen würden. In der Stadt findet eine Konferenz statt. Ich habe zu arbeiten.«

»Ich lasse Sie von unserem Chauffeur zum Tagungsort bringen, Doktor.«

»Das wäre prima. Vielen Dank.« Sie ergriff ihre Handtasche und ging hinaus.

Oscar blickte ihr bedauernd nach, dann fiel ihm eine Fernbedienung ins Auge, und er nahm sie in die Hand. »Das hätten Sie nicht tun sollen«, sagte er zu Sosik. »Sie hat nämlich ein Anliegen. Wir hätten später darüber reden können.«

»Man hat mir gesagt, dass Sie so wären«, meinte Sosik sachlich. »Man hat Sie mir ganz genau beschrieben, aber ich wollte es nicht glauben. Würden Sie bitte die Fernbedienung weglegen?«

Oscar zappte sich durch mehrere Nachrichtensendungen durch. »Wir stehen an einem Wendepunkt, Leon. Wir müssen rasch reagieren und den Kerl festnageln, bevor er den nächsten Aufmacher unterbringt.«

Sosik nahm Oscar behutsam die Fernbedienung ab. Er legte Oscar die Hand auf die Schulter. »Machen wir einen Spaziergang. Wir sollten uns mal ernsthaft unterhalten.«

»Wir haben im Moment nicht gerade Zeit totzuschlagen.«

»Mann, ich bin der Stabschef. Ich glaube nicht, dass es Zeitverschwendung wäre, mit mir zu reden. Okay?«

Eine Angestellte reichte ihnen Hüte und Mäntel. Sie fuhren mit dem Aufzug ins Erdgeschoss hinunter.

»Gehen wir Richtung Somerville«, sagte Sosik. »Die Audioüberwachung ist dort nicht so streng.«

»Ist das ein Problem? Wir könnten auch getrennt Spazierengehen und uns über eine sichere Telefonleitung unterhalten.«

Sosik seufzte. »Können Sie nicht mal einen Moment lang einen Gang runterschalten? Ich bin ein alter Mann.«

Oscar schwieg. Er folgte Sosik in nördlicher Richtung die Prospect Street entlang, die Schultern wegen der Kälte hochgezogen. Kahle Bäume, vereinzelte Weihnachtseinkäufer, hin und wieder eine karibische Ladenfront.

»Im Büro halte ich es momentan nicht aus. Er übergibt sich, er zittert wie Espenlaub. Und die Leute da drinnen, die verehren alle den Boden unter seinen Füße. Jetzt mussten sie erleben, wie er aus den Pantinen kippt.«

»Ja, und dass wir uns so davonstehlen, hilft ihrer Moral auch nicht gerade wieder auf.«

»Halten Sie den Mund«, sagte Sosik. »Ich bin seit dreißig Jahren in dem Business. Ich habe schon viele Politiker ein schlimmes Ende nehmen sehen. Ich habe erlebt, wie sie zu Säufern und Halunken wurden, ich habe Sexskandale, Finanzskandale erlebt… Aber das ist der Erste, der zerbrochen ist, bevor er überhaupt nach Washington kam.«

»Alcott ist anderen stets einen Kopf voraus.« Oscar nickte. »Er ist ein Visionär.«

Sosik warf ihm einen gereizten Blick zu. »Weshalb sind Sie ausgerechnet auf den armen Kerl verfallen? Er ist kein normaler Politiker. Lag es an seiner Frau? Hatte sie etwas mit ihnen vor? Lag es an ihrem persönlichen Problem?«

»Normale Politiker kommen mit dem Job nicht mehr zu Rande, Leon. Das sind keine normalen Zeiten. Amerika ist kein normales Land. Wir haben unseren Vorrat an Normalität aufgebraucht. Es ist nichts mehr davon übrig.«

»Sie sind nicht normal. Was tun Sie eigentlich in der Politik?«

Oscar zuckte die Achseln. »Irgendjemand muss sich schließlich mit Ihrem dreißigjährigen Vermächtnis an soliden, professionellen Errungenschaften befassen, Leon.«

Sosik verzog das Gesicht. »Also, er hat sein Bestes gegeben. Und jetzt spinnt er.«

»Er spinnt nicht. Er ist schlicht und einfach verrückt.«

»Das ist doch das Gleiche. Okay?«

»Nein, ist es nicht. Es stimmt – er hatte einen Nervenzusammenbruch. Das ist ein Problem. Ein Imageproblem. Ein so schwerwiegendes Problem kann man nicht unter den Teppich kehren. Man muss mit dem Scheinwerfer drauf leuchten. Es geht um folgendes Problem: er hat sich aus ernst gemeintem Protest beinahe zu Tode gehungert, und jetzt hat er den Verstand verloren. Aber unser Schlüsselwort ist nicht ›verrückt‹. Unsere Schlüsselwörter sind ›ernst gemeint‹ und ›Protest‹.«

Sosik stellte den Mantelkragen auf. »Also, das können Sie nicht machen. Damit kommen Sie nicht durch.«

»Doch, Leon, ich kann. Aber wie steht’s mit Ihnen?«

»Ein Senator, der non compos mentis ist, ist ein Ding der Unmöglichkeit! Wie, zum Teufel, soll er jemals ein Gesetz durchkriegen?«

»Alcott war noch nie ein Gesetzestechniker. Von diesen Korinthenkackern haben wir eh genug. Alcott ist ein Charismatiker, ein moralischer Führer. Er kann das Volk aufwecken, er kann es leiten und ihm den Berggipfel zeigen. Er muss bloß Beachtung bei ihm finden und es dazu bringen, ihm zu glauben. Und jetzt hat er es endlich geschafft.«

Sosik ließ sich das durch den Kopf gehen. »Mann, wenn Sie das hinbekämen und es würde tatsächlich funktionieren, dann wäre das der Beweis, dass das ganze Land verrückt geworden ist.«

Oscar schwieg.

»Wie genau wollen Sie das drehen?« fragte Sosik schließlich.

»Wir müssen Huey auf der Patriotismusschiene dämonisieren, während wir das medizinische Problem lösen. Berichte aus dem Krankenzimmer, wann immer Al einen hellen Moment hat. Winston Churchill war manisch depressiv. Abraham Lincoln war depressiv. Wir lassen die jungen Dinger von den Demokraten herkommen, wir zeigen, dass die Partei an seiner Seite ist. Wir fliegen seine Frau ein, die ist eine Kämpferin und steht loyal zu ihm. Sympathiemail von der Basis, und zwar tonnenweise. Ich halte das für machbar.«

»Wenn das machbar ist, dann habe ich den Anschluss verloren. Das ist nicht mehr das Amerika, das ich kenne. Dafür habe ich nicht den Nerv. Ich müsste zurücktreten. Dann wären Sie der Stabschef.«

»Nein, Leon, Sie müssen Stabschef bleiben. Sie sind der gestandene Profi, Sie genießen Vertrauen in der Vorstadt, während ich… Also, ich darf da nicht in Erscheinung treten. Mit meinem persönlichen Background kann ich unmöglich eine große medizinische PR-Kampagne leiten.«

»Ich weiß, Sie wollen meinen Job.«

»Ich habe jetzt schon alle Hände voll zu tun.«

Sosik schnaubte. »Reden Sie keinen Scheiß.«

»Also gut«, sagte Oscar. »Ich gebe zu, ich hätte gern Ihren Job, aber im Moment muss ich mich um meinen eigenen Kram kümmern. Und zwar um Greta, verstehen Sie.«