Выбрать главу

»Um wen?«

»Die Wissenschaftlerin, verdammt noch mal! Dr. Penninger.«

Sosik war verblüfft. »Was? Die? Die geht auf die vierzig zu und hat ein Gesicht wie ein Kriegsbeil! Was ist los mit Ihnen, Mann? Es ist noch keine zwei Monate her, da hing ihnen die Hose wegen einer Wahlkampfjournalistin auf den Knöcheln. Sie konnten heilfroh sein, dass man Sie deswegen nicht geoutet hat. Und jetzt die?«

»Ja. Stimmt genau. Die.«

Sosik rieb sich das Kinn. »Ich habe ganz vergessen, wie schwer es einen jungen Kerl erwischen kann… Ist es wirklich so gut?«

»Nein, so gut ist es nicht«, erwiderte Oscar. »Es ist überhaupt nicht gut, es ist schlimm. Es ist richtig schlimm. Es ist schlimmer, als Sie sich vorstellen können, es ist grauenhaft. Sollten man uns ertappen, werden wir geoutet. Sie ist der reinste Workaholic – Wissenschaft ist das Einzige auf der Welt, das sie nicht zu Tode langweilt. Huey verehrt sie und möchte sie für irgend so ein wahnsinnsgeniales Gehirnlabor anwerben, das er gerade in einer Salzgrube baut… Sie trinkt zu viel. Sie leidet an Allergien. Sie ist acht Jahre älter als ich. Und außerdem ist sie Jüdin. Obwohl das bislang keine große Rolle spielt.«

Sosik seufzte; sein Atem kondensierte in der kalten Luft. »So sieht also Ihre Lage aus, hm?«

»Ja, in etwa. Aber da wäre noch etwas. Sie ist wirklich ein Genie. Sie ist einzigartig, brillant und wundervoll.«

Kevin Hamilton kam auf einen Schwatz bei Oscar vorbei. Kevin, ein Mann mit einem äußerst ungewöhnlichen Lebensrhythmus, hatte Erdnussbutter, ein Marmeladesandwich und einen Beutel Bananenchips mitgebracht.

»Politik ist heutzutage irrelevant«, meinte Kevin leichthin.

»Ich bitte Sie nicht, politischer Aktivist zu werden, Kevin. Ich bitte Sie bloß, sich meinem Team anzuschließen und sich um meine Sicherheit zu kümmern.«

Kevin stopfte sich eine Handvoll Bananenchips in den Mund und spülte mit Schokomilch nach. »Also, da Sie nun mal der sind, der Sie sind, haben Sie wohl auch genügend Geld für sowas.«

Oscar rückte den Laptop auf dem Konferenztisch zurecht. »Im Moment ist keine Zeit für müßiges Geplauder, also spielen wir mit offenen Karten. Ich weiß, Sie sind etwas Besonderes, aber Sie sind nicht der Einzige, der sich mit Netzrecherche auskennt. Das kann ich auch. Ihre Akte mit Anschuldigungen wegen zivilen Ungehorsams ist so lang wie mein Arm. Sie leben seit zehn Jahren ohne offizielle Einkünfte. Ihr Vater ist ein verurteilter Computerkrimineller auf elektronisch überwachtem Freigang. Sie sind ein Polizeispitzel und ein Überwachungsfreak. Ich glaube, ich habe Bedarf für jemanden wie Sie.«

»Nett von Ihnen, dass Sie meinen heiklen ethnischen Hintergrund nicht erwähnt haben«, meinte Kevin. Er legte das Sandwich weg und holte seinen eigenen Laptop aus einer lädierten Reisetasche. Das uralte Gerät wurde von Spannriemen und Reiseaufklebern zusammengehalten.

»Dergleichen erwähne ich nie«, sagte Oscar.

»Hätte mich auch gewundert. Sie sind kein ›ethnischer‹ Typ.«

Kevin sah auf seinen Bildschirm. »Soweit ich erkennen kann, sind Sie eine Art Laborprodukt.«

»Schuldig im Sinne der Anklage.«

»Mein Vater wurde zum Gauner, nachdem seine Firma pleite gegangen war – Ihr Vater aber war ein richtiger Gangster. Ein Glück für Sie, dass die Regierung keine Filmstars niedermacht.«

»Ja, und seine Filme waren ebenfalls kriminelle Handlungen.«

»Offenbar stecken Sie wirklich in Schwierigkeiten. Ich arbeite nicht als Bodyguard. Ich schaff’s gerade, die Bürgerwache erfolgreich zu leiten. Das ist ein guter Job für einen Typ, der ein Nomadendasein geführt hat – ich muss jetzt still sitzen und habe ein Dach über dem Kopf. Sie aber sind ein durchtriebener Politiker mit einflussreichen Feinden. Für Sie zu arbeiten, könnte mich das Leben kosten.«

»Ich stelle mir das so vor, dass ich am Leben bleibe und Sie dafür bezahle.«

»Keine Ahnung, weshalb ich Ihnen überhaupt zuhöre, Mann. Aber wissen Sie was – ich muss zugeben, dass mir Ihr Vorschlag irgendwie gefällt. Ich mag Leute, die wissen, was sie wollen, und ihre Ziele konsequent verwirklichen. Sie haben etwas an sich… ich weiß auch nicht… Sie wecken einfach Vertrauen.«

Der passende Moment, den nächsten Trumpf auszuspielen. »Hören Sie, Kevin, das mit Ihrem Vater verstehe ich. Viele anständige Menschen verwinden es nur schwer, wenn ihr intellektuelles Eigentum vernichtet wird. Freunde von mir im Senat könnten mit dem Gouverneur mal über eine Begnadigung sprechen. Ich glaube, ich könnte in der Sache etwas für Sie tun.«

»Also, das wäre wundervoll. Wissen Sie, mein Dad wurde wirklich unfair behandelt. Er war nie der typische rassistische White-Power-Bomber. Man hat die Terrorismus- und Verschwörungsvorwürfe nur deshalb erhoben, damit man sich am Ende auf Unterschlagung und widerrechtliches Eindringen in geschützte Computersysteme einigen konnte.«

»Er muss einen guten Anwalt gehabt haben.«

»Kann man so sagen… Sein Anwalt war so klug, sich nach Europa abzusetzen, als es hier hart auf hart ging.« Kevin seufzte. »Ich wäre selbst um ein Haar nach Europa gegangen, aber dann dachte ich mir, was soll’s? Man kann auch als Straßenprolo aussteigen, das ist fast das Gleiche, wie wenn man das Land verlässt.«

»Es macht Ihnen doch nichts aus, nach Texas zu fliegen? Und Weihnachten nicht zu Hause zu sein? Wir reisen auf der Stelle ab.«

An der Tür läutete es. Kurz darauf trat Donna mit einem Luftpostpaket ein.

»Ist das für mich?« fragte Kevin erfreut. Er schlitzte das Paket mit einem großen Schweizer Armeemesser auf. »Mayonnaise«, verkündete er wenig überzeugend und hob ein unettiketiertes verschlossenes Glas mit weißer Pampe heraus. »Das Zeug könnte nützlich sein.« Er steckte das Glas in das Seitenfach seiner Reisetasche.

»Sie ist da«, flüsterte Donna.

»Ich muss mich um einen neuen Gast kümmern«, wandte Oscar sich an Kevin.

»Ein neuer ›Gast‹?« meinte Kevin augenzwinkernd. »Was ist denn aus der reizenden Dame im Bademantel geworden?«

»Können Sie mir bis morgen mitteilen, wie Sie sich entschieden haben?«

»Nein, Mann, ich hab mich schon entschieden. Ich bin dabei.«

»Sind Sie sicher?«

»Klar, klingt ganz so, als wär’s mal ‘ne nette Abwechslung. Ich fange gleich an. Klären Sie das mit Ihrem Systemadministrator, dann schaue ich mal, was ich für Ihre Rechner tun kann.«

7

Dem Leben im Laboratorium mangelte es an den vielen attraktiven Möglichkeiten der Back Bay von Boston.

Oscar und Greta trafen sich in einem kaputten Wagen auf dem dunklen Parkplatz hinter dem Instandsetzungszentrum. Der Treffpunkt war Kevin Hamiltons Idee gewesen. Kevin hielt viel von geheimen Treffen in anonymen Fahrzeugen. Kevin war kein Geheimdienstagent, kannte aber eine Menge Tricks, wie man sie auf der Straße lernte.

»Ich habe Angst«, gestand Greta.

Oscar rückte das Jackett zurecht und bemühte sich, seinen Ellbogen unterzubringen. Der Wagen war so klein, dass sie einander praktisch auf dem Schoß saßen. »Wie kommt es, dass du wegen einer solchen Kleinigkeit Lampenfieber hast? Du hast in Stockholm mal eine Nobelpreisrede gehalten.«

»Aber damals habe ich über meine Arbeit gesprochen. Das fällt mir leicht. Das hier ist etwas anderes. Du willst, dass ich mich vor den Verwaltungsrat hinstelle und ihm Bescheid stoße. Vor all meinen Freunden und Kollegen. Sowas liegt mir nicht.«

»Eigentlich liegt es dir doch, Greta. Du bist perfekt in der Rolle. Das wusste ich in dem Moment, als ich dich zum erstenmal sah.«

Greta blickte auf den Bildschirm ihres Laptops. Die einzige Lichtquelle im Autowrack warf einen sanften Schein auf ihre Gesichter. Es war zwei Uhr morgens. »Wenn die Lage hier wirklich so schlimm ist, dann hat es keinen Sinn zu kämpfen, oder? Dann sollte ich einfach zurücktreten.«