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»Ich glaube, da tut sich was. Jemand hat in dem Labor dort drüben soeben Feueralarm ausgelöst.«

»Na und«

Oscar beobachtete, wie sich Kevins Mund bewegte. Die Worte erreichten sein Ohr mit zehn Sekunden Verzögerung. »Na ja, das ist eine abgeschlossene, luftdichte Kuppel. Die Leute hier nehmen Feuer ziemlich ernst. Ende.«

Oscar musterte das Gitterwerk über ihren Köpfen. Es war ein strahlend blauer Winternachmittag. »Ich sehe keinen Rauch. Kevin, was ist denn mit Ihrem Telefon?«

»Abhörgegenmaßnahmen – ich habe das Gespräch achtmal um die Welt geleitet, Ende.«

»Aber der Abstand beträgt doch bloß zehn Meter. Weshalb rollen sie nicht einfach ein Stück vor und sprechen persönlich mit mir?«

»Wir müssen auf Nummer sicher gehen. Oscar. Hören Sie auf, mich anzusehen, und gehen Sie einfach weiter. Schauen Sie nicht hin, aber wir werden von Cops verfolgt. Ein Taxi vor uns und eins hinter uns, und ich glaube, die haben Richtmikrofone. Ende.«

Oscar wandte sich um, legte Pelicanos kameradschaftlich den Arm um die Schulter und zog ihn mit sich fort. In Sichtweite hielten sich tatsächlich Laborpolizisten auf. Normalerweise benutzten die Cops die Trucks der Sicherheitsbehörde, machohafte Fahrzeuge mit comichaften Emblemen an den Türen, aber diese Polizisten benutzten die Funktaxis des Laboratoriums. Offenbar waren sie bemüht, konspirativ vorzugehen.

»Kevin meint, die Cops würden uns folgen«, sagte Oscar zu Pelicanos.

»Freut mich zu hören«, bemerkte Pelicanos nachsichtig. »Es hat bereits drei Attentatsversuche gegeben. So viel Aufregung hatten die hiesigen Cops seit Jahren nicht mehr.«

»Außerdem meinte er, es sei Feueralarm ausgelöst worden.«

»Woher will er das wissen?«

Ein knallgelber Feuerwehrwagen kam aus dem Gebäude für Sicherheit am Arbeitsplatz hervor. Die Besatzung schaltete Blaulicht und Sirene ein und entfernte sich in südlicher Richtung zur Ringstraße.

Oscar bekam eine Gänsehaut, dann verspürte er auf einmal eine Druckwelle. Das Laboratorium hatte soeben die Schleusen geschlossen. Das ganze gewaltige Gebäude war so dicht wie eine Trommel.

»Herrgott noch mal, es brennt tatsächlich!« sagte Pelicanos. Instinktiv machte er kehrt und trabte dem Feuerwehrwagen hinterher.

Oscar hielt es für geraten, in der Nähe seines Bodyguard zu bleiben. Er stopfte das Telefon in den Ärmel und ging zu Kevin hinüber.

»Also, Kevin, was ist in den Paketen?«

»Hochwirksame Sonnenschutzcreme«, log Kevin und gähnte herzhaft. »Was für Weiße.«

Oscar und Kevin ließen die Ringstraße hinter sich und wandten sich zum Rechenzentrum. Die Polizeieskorte folgte ihnen pflichtbewusst, doch die kleinen Taxis verloren sich alsbald in der Menge der Schaulustigen, die aus den Gebäuden traten.

Der Feuerwehrwagen hielt vor dem Medienzentrum. Hier fand die Aufsichtsratssitzung statt, an der auch Greta teilnahm. Das ganze von Oscar zusammengetrommelte Publikum strömte aus den Eingängen und wimmelte lärmend umher.

Auf der Treppe des Osteingangs war es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Ein grauhaariger Mann mit einer blutigen Nase kauerte unter dem Geländer, und ein junger Schläger mit Cowboyhut und Shorts versuchte ihn zu treten. Vier Männer hielten den jungen Mann widerwillig an Armen und Schultern fest.

Kevin stoppte seinen Rollstuhl. Oscar wartete neben Kevin und sah auf die Uhr. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre – was offenbar nicht der Fall war –, hätte Greta ihre Rede mittlerweile beendet haben müssen. Als er den Blick wieder hob, verlor der Cowboy gerade den Hut. Zu seiner Verblüffung erkannte er im Angreifer den Handlanger seines Teams wieder, Norman-den-Praktikanten.

»Kommen Sie mit, Kevin. Hier gibt es nichts zu sehen.« Oscar machte eilends auf dem Absatz kehrt und ging den Weg zurück, den sie gekommen waren. Einmal blickte er sich über die Schulter um. Die Polizeieskorte war verschwunden. Sie hatte sich voller Eifer auf Norman gestürzt und ihn verhaftet.

Oscar wartete, bis er von der Polizei offiziell von Normans Festnahme benachrichtigt wurde. Anschließend begab er sich zur Polizeizentrale, die an der Ostseite der Kuppel lag. Die Polizeizentrale war Teil eines gedrungenen festungsartigen Komplexes, der außerdem noch die Feuerwehrzentrale, die Stromgeneratoren, die Telefonzentrale und die interne Wasserversorgung beherbergte.

Oscar war mit den Dienstabläufen der hiesigen Polizeidienststelle recht gut vertraut, denn er hatte bereits drei Attentäter dort besucht. Er stellte sich dem diensttuenden Officer vor. Man teilte ihm mit, Norman werde tätlicher Angriff und Ruhestörung vorgeworfen.

Norman war mit einem orangefarbenen Overall bekleidet und trug Handschellen. In der makellosen Gefängniskleidung wirkte er erstaunlich schick – er war besser gekleidet als die meisten Laboratoriumsangestellten. Die bruchfesten Handschellen waren mit winzigen Mikrofonen und Überwachungskameras gespickt.

»Sie hätten einen Anwalt mitbringen sollen«, sagte Norman, der Oscar an einem Besuchstisch aus Karton gegenübersaß. »Die Handschellen werden nur in Anwesenheit eines Anwalts abgenommen.«

»Das weiß ich«, sagte Oscar. Er klappte seinen Laptop auf und stellte ihn auf den Tisch.

»Ich wusste gar nicht, wie fürchterlich die sind«, klagte Norman und rieb an den voluminösen Handschellen. »Ich meine, ich habe schon Leute auf Freigang mit diesen Dingern gesehen und mich immer gefragt, was diese Arschlöcher wohl ausgefressen haben mögen… Aber jetzt, wo ich selbst welche trage… Die sind wirklich erniedrigend.«

»Tut mir leid«, meinte Oscar mit sanfter Stimme. Er begann zu tippen.

»Auf der Schule kannte ich mal einen, der Ärger bekam, und irgendwann kriegte ich mit, wie der seine Handschellen verarschte… Er saß im Matheunterricht und murmelte was von wegen Drogenhandel, Raubüberfall und Mord… Weil die Cops nämlich Stimmerkennung am Laufen haben. So wird man mittels der Handschellen überwacht. Wir hielten ihn für total durchgeknallt. Jetzt verstehe ich ihn besser.«

Oscar drehte den Laptop herum. Die 36-Punkt-Großbuchstaben auf dem trüben Bildschirm waren gerade eben lesbar. WIR MACHEN WEITER SMALLTALK, UND ICH ÄUSSERE MICH ÜBER DEN LAPTOP.

»Wegen der hiesigen Gesetzesvertreter brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Wir können offen miteinander reden«, sagte Oscar laut. »Die Vorrichtung dient Ihrem eigenen Schutz und der Sicherheit anderer.« HALTEN SIE DEN ARM VOR DEN LAPTOP, DAMIT DIE KAMERAS DEN BILDSCHIRM NICHT INS BILD BEKOMMEN. Er löschte die Bildschirmanzeige mit einem Tastendruck.

»Habe ich echte Probleme, Oscar?«

»Allerdings.« NEIN. »Erzählen Sie mir, was passiert ist.« ERZÄHLEN SIE MIR DAS GLEICHE WIE DER POLIZEI.

»Also, sie hat eine prima Rede gehalten«, sagte Norman. »Ich meine, anfangs konnte man sie vor Nervosität kaum verstehen, aber als das Publikum zu brüllen anfing, kam sie wirklich in Fahrt. Die Leute wurden richtig wild…. Hören Sie, Oscar, bei meiner Festnahme, da hab ich den Kopf verloren. Ich hab viel erzählt. Alles Mögliche. Es tut mir leid.«

»Tatsächlich«, meinte Oscar.

»Ja, zum Beispiel hab ich ihnen erzählt, weshalb Sie mich dorthin geschickt haben. Und zwar weil wir von den Profilen her wussten, wer wahrscheinlich Ärger machen würde, nämlich dieser Skopelitis. Und den hab ich beobachtet. Ich saß in der fünften Reihe unmittelbar hinter ihm…. Und jedesmal, wenn er aufstehen und es Greta zeigen wollte, bin ich vorbeugend tätig geworden. Ich habe ihn gebeten, mir einen Ausdruck zu erklären, ich habe ihn gebeten, den Hut abzunehmen, ich habe mich nach der Toilette erkundigt…«

»Alles ganz legal«, sagte Oscar.

»Schließlich brüllte er mich an, ich solle den Mund halten.«

»Haben Sie aufgehört, mit Dr. Skopelitis zu reden, als er Sie darum bat?«