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»Tut mir leid, wenn ich die Unterhaltung störe«, sagte Oscar. »Norman, wir werden im Bus gebraucht.«

Das Air-Force-Mädchen starrte Oscar an, ließ seine Erscheinung vom makellosen Hut bis zu den glänzenden Schuhen auf sich wirken. »Was ist das denn für einer?«

»Na ja… er arbeitet beim US-Senat.« Norman lächelte strahlend. »Ein guter Freund von mir.«

Oscar legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Wir müssen allmählich los, Norman. Wir haben gerade einen Tisch in einem Cajun-Restaurant reservieren lassen.«

Norman folgte ihm bereitwillig. »Ob ich dort wohl was trinken darf?«

»Laissez les bon temps roulez«, entgegnete Oscar.

»Das sind nette Kids«, erklärte Norman. »Ich meine, sie blockieren zwar die Straße und alles, aber im Grunde sind das doch richtig nette amerikanische Kids.«

»Das sind amerikanische Militärangehörige, die sich der Straßenräuberei schuldig machen.«

»Ja. Das stimmt. Das ist schlimm. Das ist wirklich schlimm. Wissen Sie was? Die sind in der militärischen Denkweise verhaftet, deshalb handeln sie unpolitisch.«

Sie überquerten die Grenze von Texas in tiefer, nebliger Nacht. Die Crew war vollgestopft mit frittierten Shrimps und gebackenem Alligatorschwanz, hinuntergespült mit endlosen Runden von Hurricanes und glühheißem Kaffee mit Brandy. Die Speisekarte in den Cajun-Lokalen war von epischem Umfang. Für Touristenbusse gab es sogar Ermäßigung.

Es war eine hervorragende Idee gewesen, dort einzukehren. Oscar spürte, dass sich die Stimmung seiner kleinen Mannschaft grundlegend geändert hatte. Die Crew hatte wirklich Spaß gehabt. Man hatte ihnen wiederholt gesagt, dass sie sich im Staate Louisiana befänden, doch nun spürten sie diesen Umstand auch in ihrem mächtig aufgepeppten Kreislauf.

Das hier war nicht mehr Boston. Das war nicht mehr das dicke Ende der Massachusetts-Kampagne. Sie befanden sich in einem Zwischenstadium und standen vielleicht, wenn man nur fest genug daran glaubte, am Anfang von etwas Besserem. Oscar war mit seinem Leben im Reinen. Sein Leben verlief nicht in normalen Bahnen, bot ihm aber äußerst interessante Herausforderungen. Nun wandte er sich der nächsten Herausforderung zu. Was sollte ihm schon passieren? Zumindest waren sie jetzt alle gesättigt.

Abgesehen von Jimmy, dem schwer beschäftigten Fahrer, der extra dafür bezahlt wurde, dass er sich nicht besinnungslos betrank, war nur noch Oscar im Bus wach. Oscar war zumeist der Letzte, der einschlief, und der Erste, der morgens aufwachte. Oscar schlief überhaupt nur wenig. Seit dem Alter von sechs Jahren schlief er nachts für gewöhnlich nur etwa drei Stunden.

Als kleines Kind hatte er in den langen Stunden des Wachseins einfach still dagelegen und sich überlegt, wie er mit den verrückten Kapriolen seiner Hollywood-Adoptiveltern umgehen sollte. Den Malstrom aus finanziellen Krisen, Drogen und Berühmtheit zu überleben, hatte großen Weitblick erfordert.

Auch später hatte Oscar sich die Nachteulenstunden zu Nutze gemacht: zunächst beim Studium der Betriebswirtschaft, dann bei dem Biotech-Start-up, wo er seinen langjährigen Buchhalter und Finanzberater Yosh Pelicanos und auch seine zuverlässige Terminplanerin und Sekretärin Lana Ramachandran kennen lernte. Nach dem Verkauf seiner ersten Firma hatte er die beiden behalten, auch in den Jahren des Booms an der Route 128 im Silicon Valley. Die Wirtschaft kam Oscars Begabungen und Neigungen entgegen, gleichwohl war er alsbald in die Parteipolitik übergewechselt. Eine erfolgreiche und innovative Kampagne zur Wahl des Bostoner Stadtrats ließ Alcott Bambakias auf ihn aufmerksam werden. Darauf war der Wahlkampf zum US-Senat gefolgt. Die Politik war sein neues Betätigungsfeld. Die Herausforderung. Das, worum es ihm ging.

Und deshalb war Oscar mitten in der Nacht wach und arbeitete. Im Allgemeinen beendete er den Tag mit Tagebuchaufzeichnungen, einer Zusammenfassung der getroffenen Entscheidungen und wichtiger Vorkommnisse. Heute formulierte er sorgfältig Anmerkungen zu dem Audiotape, das Fontenot von den Highway-Banditen der Air Force aufgenommen hatte. Er schickte die Datei Alcott Bambakias, verschlüsselt und mit dem Zusatz ›persönlich und vertraulich‹ versehen. Er hatte keine Ahnung, ob diese Momentaufnahme des modernen Chaos in Louisiana die sprunghafte Aufmerksamkeit seines Arbeitgebers fesseln würde. Trotzdem war es unbedingt notwendig, den Fluss der Nachrichten und Ratschläge übers Netz aufrecht zu erhalten. Nicht in der Nähe des Senators zu sein, mochte sich noch in mancherlei Hinsicht als nützlich erweisen, doch von ihm vergessen zu werden, wäre gleichbedeutend mit beruflichem Selbstmord gewesen.

Oscar sammelte sich und sandte eine freundliche Email an seine Freundin Clare, die in seinem Haus in Boston lebte. Er studierte und aktualisierte seine persönlichen Dateien. Er überprüfte und addierte die Ausgaben des heutigen Tages. Er machte einen Eintrag ins Tagebuch.

Er hatte schon viele Rückschläge erlitten, doch einer Herausforderung, bei der die Gefahr einer vollständigen Niederlage bestanden hätte, war er noch nicht begegnet.

Er klappte zufrieden den Laptop zu und legte sich schlafen. Er zuckte, wälzte sich umher. Schließlich setzte er sich auf und klappte den Laptop wieder auf.

Zum zweiundfünfzigsten Mal studierte er das Video von den Worcester-Unruhen.

2

Der Wissenschaftler trug karierte Bermudashorts, ein verwaschenes gelbes T-Shirt, Riemensandalen und keinen Hut. Oscar war gern bereit, sich mit den unbekleideten, knochigen Beinen und sogar mit dem altmodischen Bart ihres Führers abzufinden. Doch es war schwer, jemanden ernst zu nehmen, der keinen Hut trug.

Das fragliche Tier war dunkelgrün, sehr sehnig und hatte ein Fell. Dies war ein Binturong, ein ehemals in Südostasien beheimatetes Säugetier, das in der Wildnis seit langem ausgestorben war. Dieses Exemplar war an Ort und Stelle im Buna National Collaboratory geklont worden. Herangewachsen war es in der modifizierten Gebärmutter einer Kuh.

Der geklonte Binturong hing an der Unterseite einer Parkbank und klammerte sich an den Holzlatten fest. Er leckte mit seiner langen, gesprenkelten Zunge an der abblätternden Farbe. Der Binturong war etwa so groß wie eine volle Golftasche.

»Ihr Exemplar ist erstaunlich zahm«, sagte Pelicanos höflich, den Hut in der Hand.

Der Wissenschaftler schüttelte den bärtigen Kopf. »Ach, als ›zahm‹ würden wir die Tiere hier im Laboratorium nicht unbedingt bezeichnen. Das Tier ist nicht wild, aber die Bezeichnung ›zutraulich‹ wäre fehl am Platz.«

Der Binturong ließ sich auf den Boden hinab und stapfte mit seinen kleinen bärenartigen Tatzen durchs üppige Gras.

Das Tier schnüffelte an Oscars Lederschuhen, hob angewidert die spitze Schnauze und summte wie ein siedender Wasserkessel. Aus der Nähe sah man es noch deutlicher. Der Binturong war mit dem Wiesel verwandt. Ein großes, in Bäumen kletterndes Wiesel. Mit einem behaarten Greifschwanz. Außerdem stank er.

»Es sieht so aus, als hätten wir Bedarf für einen Binturong«, sagte Oscar lächelnd. »Wickeln Sie die Tiere in braunes Packpapier?«

»Wenn Sie wissen möchten, wie wir das Testexemplar zu Ihrem Freund, dem Senator, schaffen wollen… Also, das wickeln wir über bestimmte Kanäle ab.«

Oscar zog die Brauen hoch. »›Kanäle‹?«

»Sie wissen schon… Senator Dougal lässt sowas von seinen Leuten erledigen…« Ihr Führer wirkte auf einmal schuldbewusst und nervös, als hätte er den Kaffeesatz getrunken. »Hören Sie, ich arbeite bloß im Labor, darüber weiß ich wirklich nicht Bescheid. Sie sollten die Leute von den Spin-offs fragen.«

Oscar faltete den laminierten Taschenplan des Buna National Collaboratory auseinander. »Und wo finde ich diese ›Spin-offs‹?«

Der Mann tippte auf Oscars Plastikplan. Seine Hände waren fleckig von Chemikalien, der Daumen hübsch grün gefärbt. »Die Spin-offs befinden sich in dem Gebäude, das Sie zur Linken gesehen haben, als Sie durch die Hauptschleuse fuhren.«