Выбрать главу

»O ihr Beine«, begann Azzie, »ich würde wetten, daß ihr der Dame eures Herzens zum Gefallen voll Anmut wandeltet und euch auch galant verbeugtet, denn ihr seid ein Paar muskulöser und doch gewandter Beine von der Art, auf die die Damen voller Wohlgefallen schauen. O ihr Beine, ich stelle euch mir jetzt vor, gespreizt im uralten Taumel der Wonne und dann verschlungen beim letzten Aufbäumen der Liebe. Als ihr jung wart, o ihr Beine, habt ihr viele stattliche Eichen erklommen, seid geschwind den Ufern vieler strömender Bäche gefolgt und hurtig über die freundlichen grünen Felder eures Heimatlandes gelaufen. So darf ich wohl sagen, daß ihr in kühnem Schwung über manch Gestrüpp und Hecken hinwegsetzt, während ihr euch euren Weg bahntet. Kein Pfad war euch zu lang, und niemals seid ihr ermüdet.«

»Glaubst du?« fragte eine Stimme irgendwo über und hinter Azzie. Der Dämon drehte sich um und erblickte die düster gekleidete Gestalt von Hermes Trismegistus. Es überraschte ihn nicht, daß der Magier ihm hierher gefolgt war. Hermes und die anderen alten Götter schienen einen anderen Weg als Dämonen und Menschen zu beschreiten, einen Weg, für den solche Dinge wie Gut und Böse von keinerlei Bedeutung sind.

»Schön, dich wiederzusehen, Hermes«, sagte Azzie. »Ich habe gerade über dieses Beinpaar philosophiert.«

»Ich habe nicht vor, dich davon abzuhalten«, versicherte Hermes. Er hatte knapp zwei Meter über Azzies Kopf in der Luft geschwebt. Jetzt sank er elegant zu Boden, beugte sich vor und begutachtete die Beine.

»Welcher Art von Mann, glaubst du, haben die gehört?« erkundigte er sich.

Azzie drehte sich um und betrachtete die Beine nachdenklich. »Offensichtlich einem fröhlichen Mann, denn sieh her, sie sind noch immer mit farbenfrohen Wollbändern der Art umwickelt, die es Gecken und selbstgefälligen Burschen angetan hat.«

»Ein Geck, meinst du?«

»Mit ziemlicher Sicherheit, denn schau, wie prächtig die Waden geformt sind, wie perfekt und fein die Muskeln der Oberschenkel. Auch dürften dir die kleinen Füße und ihre hohe aristokratische Wölbung auffallen, die wohlgepflegten Zehen und die gleichmäßig geschnittenen Zehennägel. Darüber hinaus gibt es keine nennenswerten Schwielen an den Fersen oder an den Seiten. Dieser Bursche mußte nicht viel arbeiten, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, jedenfalls nicht mit den Füßen. Wie, glaubst du, ist er gestorben?«

»Ich weiß es nicht«, erwiderte Hermes. »Aber wir können es schnell herausfinden.«

»Beherrschst du irgendeinen Trick?« fragte Azzie. »Irgendeine Form der Beschwörung, die der Masse der gewöhnlichen Dämonen unbekannt ist?«

»Nicht umsonst bin ich der Schutzheilige der Alchemisten«, erklärte Hermes, »die mich anrufen, wenn sie ihre Mixturen zusammenmischen. Sie versuchen, einfaches Metall in Gold zu verwandeln, ich aber kann aus totem Fleisch lebendige Erinnerung machen.«

»Das scheint mir ein nützlicher Trick zu sein«, sagte Azzie. »Kannst du ihn mir demonstrieren?«

»Mit Vergnügen«, erklärte sich Hermes sofort einverstanden. »Laß uns sehen, wie diese Beine ihren letzten Tag verbracht haben.«

Wie bei dererlei Beschwörungen üblich, entstand eine Rauchwolke aus dem Nichts, und das Dröhnen eines Messinggongs erklang. Während Azzie zusah, teilte sich der Rauch, und er sah…

… einen jungen Prinzen, der in die Schlacht zog, um das Schloß seines Vaters zu verteidigen. Er war ein hübscher junger Mann und gut ausgestattet für das Kriegerhandwerk. Er ritt an der Spitze seiner Truppen, die einen beeindruckenden Anblick boten. Ihre scharlachroten und gelben Banner flatterten prächtig im Sommer wind. Dann entdeckte Azzie eine andere Armee voraus. Der Prinz zügelte sein Roß und rief seinen Majordomus zu sich.

»Dort sind sie«, verkündete der Prinz. »Jetzt haben wir sie genau zwischen einem Felsen und einem harten Eisklumpen, wie man in Lappland zu sagen pflegt.«

Bis dahin konnte Azzie das Geschehen verfolgen, dann verblaßte das Bild vor seinen Augen.

»Kannst du erkennen, welches Schicksal ihn ereilt hat?« fragte er.

Hermes seufzte, schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken.

»Ah«, sagte er, »ich habe mich in die Schlacht eingeschaltet, und welch eine herrliche Auseinandersetzung bewaffneter Männer das ist! Sieh, wie wild sie sich aufeinanderstürzen, hör, wie die kunstvoll geschmiedeten Schwerter singen! Ja, jetzt prallen sie zusammen, und alle kämpfen sie tapfer und gewandt. Aber was ist das…? Einer der Männer hat den Kreis der Kämpfenden verlassen. Er ist nicht einmal verwundet, aber schon flieht er! Ist es der ehemalige Besitzer dieser Beine?«

»So ein Feigling!« schrie Azzie, denn ihm war, als könnte er die Schlacht selbst mitverfolgen.

»Aber er kommt nicht ungeschoren davon. Er wird von einem Mann verfolgt, dessen Augen vor Blutdurst gerötet sind, ein riesiger Mann, ein Berserker, einer von denen, gegen die die Franken seit Jahrhunderten kämpfen und die sie die Verrückten aus dem Norden nennen!«

»Ich mag die nördlichen Dämonen auch nicht sonderlich«, bekannte Azzie.

»Der Berserker holt den feigen Prinzen ein. Sein Schwert blitzt auf – ein waagrechter Schlag, mit einer unheimlichen Kombination aus Geschicklichkeit und Wildheit geführt.«

»Das ist einer der schwierigsten Schläge«, kommentierte Azzie.

»Der Schlag wird gut ausgeführt – der hasenfüßige Prinz wird zerteilt. Die obere Körperhälfte rollt durch den Staub, aber seine feigen Beine rennen noch immer, rennen jetzt vor dem Tod davon. Vom Gewicht der oberen Körperhälfte befreit, rennen sie leichtfüßig, auch wenn ihnen allmählich die Energie ausgeht. Aber wieviel Energie benötigt ein Beinpaar, um zu laufen, wenn sich niemand mehr an seinem oberen Ende befindet? Die rennenden Beine werden mittlerweile von Dämonen verfolgt, da sie bereits die Grenzen des Normalen überschritten und das grenzenlose Reich des Möglichen betreten haben, das die Welt des Übernatürlichen ist. Und jetzt, endlich, machen sie ihre letzten stolpernden Schritte, drehen sich, schwanken und stürzen leblos zu Boden.«

»Kurz gesagt, wir haben hier die Beine eines Feiglings vor uns«, stellte Azzie fest.

»Ohne Zweifel ein Feigling, aber eine Art göttlicher Feigling, der selbst noch im Tod vor dem Tod davonläuft, so sehr fürchtete er sich davor, daß das eintreten könnte, was tatsächlich eingetreten ist.«

KAPITEL 2

Nachdem Hermes ihn verlassen hatte, um an einem Ort, der einst Zürich heißen sollte, den Vorsitz einer Versammlung von Zauberpriestern zu leiten, saß Azzie da und brütete vor sich hin. Verdrossen stocherte er an den Beinen herum. Sie waren viel zu wertvoll, um sie als Imbiß zu verzehren. Das war es, was Hermes ihm in seiner typisch umständlichen Art klargemacht hatte.

Was sollte er mit ihnen anfangen? Wieder dachte er über das große Ereignis nach, den Jahrtausendwettkampf. Was er brauchte, war eine Idee, ein Konzept… Er starrte die Beine an und schob sie hin und her. Es mußte irgend etwas geben…

Plötzlich setzte er sich kerzengerade auf. Ja, die Beine! Er hatte es! Eine wunderbare Idee, mit der er sich im Kreis des Bösen bestimmt einen Namen machen konnte. Er hatte eine Idee für den Wettkampf! Sie war unvermittelt aus dämonischer Inspiration geboren worden. Jetzt durfte er keine Zeit mehr verlieren, mußte sich beeilen, um sie anzumelden und sich der Unterstützung durch die Mächte des Bösen zu versichern. Welcher Tag war heute? Er rechnete schnell nach und stöhnte. Es war der letzte Tag, an dem Bewerbungen eingereicht werden konnten. Er mußte vor den Hohen Dämonenrat treten, und zwar unverzüglich.

Nach einem tiefen Atemzug katapulierte er sich von der Erde in die Region des Limbus, wo der Hohe Rat tagte. Zwar ist es nicht allgemein bekannt, aber Dämonen haben die gleichen Probleme wie Menschen, bis zu den Entscheidungsträgern in den Führungsetagen vorzustoßen. Wenn man nicht selbst eine hohe Stellung in der Hierarchie bekleidet, nicht mit einer wichtigen Person verwandt und auch kein talentierter Sportler ist, kann man sich den Gedanken, direkt zur Spitze vorgelassen zu werden, gleich abschminken. Dann muß man die verschiedenen Kanäle durchlaufen, und das kann seine Zeit dauern.