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»Und warum sind sie nicht vollständig? Da fehlt ein Daumen!«

»Euer Hochwohlgeboren haben es wahrscheinlich nicht bemerkt«, erklärte Frike, »da es unter Eurer Würde liegt, auf solche Kleinigkeiten zu achten, aber ich möchte Euch darauf hinweisen, Sire, daß Agatha, die sich um die Stellung als Eure Dienerin beworben hat, ein Daumen fehlte. Ich weiß nicht, auf welche Weise sie ihn verloren hat, und ich fürchte, daß ich es jetzt nicht mehr für Euch herausfinden kann.«

»Das ist nicht besonders wichtig«, winkte Azzie ab. »Aber ich habe auch nach einem Kopf verlangt.«

»Ach, ja«, sagte Frike. »Die Prüfung, die Ihr dem Poeten auferlegt habt. Man sollte annehmen, Herr, daß das eine einfache Aufgabe sein müßte, da unser Friedhof voll von diesen Exemplaren ist. Aber der Bursche ist lange vor dem Friedhof auf und ab gelaufen, bevor er ihn endlich betreten hat. Er hat seinen Spaten einmal hier und dann wieder dort in die Erde gestoßen, bis ich es leid war, darauf zu warten, daß er seine Arbeit endlich beendet. Also habe ich mir die Freiheit genommen, Herr, das von Euch gewünschte Objekt selbst zu besorgen und mich dabei gleichzeitig meines Konkurrenten zu entledigen.«

Mit diesen Worten öffnete er das zweite Päckchen und förderte den Kopf des Poeten zutage.

»Nicht sauber abgetrennt, wie ich sehe«, tadelte Azzie, wenn auch nur der Form halber, denn er war sehr angetan von der Arbeit dieses Bewerbers um die Stellung als sein Gehilfe.

»Ich bedauere, daß ich nicht die Zeit hatte, um auf die Gelegenheit für den richtigen Schnitt zu warten«, entschuldigte sich Frike. »Aber da er hier allgemein als schlechter Poet bekannt war, darf ich wohl behaupten, daß er selbst auch keinen guten Schnitt gemacht hat.«

»Frike, das hast du sehr gut gemacht. Du wirst sofort in meine Dienste treten. Ich denke, du bist ein Prachtexemplar unter den Sterblichen. Und weil du dich so gut angestellt hast, bin ich überzeugt, daß es dir keine Schwierigkeiten bereiten wird, mir auch die anderen gewünschten Dinge zu besorgen, sobald ich das Gelände ausgekundschaftet und dir alles erklärt habe.«

»Ich hoffe, Euch gut dienen zu können, Gebieter«, sagte Frike.

Azzie ging zu seiner Truhe, zog einen kleinen Beutel aus Hirschleder hervor und entnahm ihm vier Goldtaler. Er reichte sie Frike, der sich dankbar tief verbeugte.

»Und jetzt müssen wir uns an die Arbeit machen«, verkündete Azzie. »Mitternacht ist angebrochen, die Zeit des Bösen. Bist du zu allem bereit, Frike?«

»Das bin ich.«

»Und was erwartest du als Lohn?«

»Nur das Privileg, Euch weiter dienen zu dürfen, Herr«, erwiderte Frike. »Sowohl jetzt als auch nach dem Tod.«

Die Antwort machte Azzie klar, daß Frike wußte, wer – oder vielmehr was – sein neuer Herr war. Es freute ihn, einen so intelligenten Diener gefunden zu haben. Er trug Frike auf, die Sachen zu packen. Sie würden sofort mit der Arbeit beginnen.

KAPITEL 6

Bevor er die nächsten Schritte unternehmen konnte, benötigte Azzie eine Operationsbasis. Die Herberge Zum Gehängten hatte viele Vorzüge, war aber zu klein, und die anderen Gäste würden zwangsläufig neugierig werden. Außerdem war da das Problem des unvermeidlichen Gestanks, der sich einstellen würde, wenn Azzie und Frike die benötigten Körperteile sammelten. Azzie kannte einige universelle Zaubersprüche, um Menschenfleisch relativ frisch zu halten, aber nicht einmal ein magischer Zauberspruch vermochte den Geruch nach Tod und Verwesung fernhalten, der über seiner Arbeit schwebte. Auch Männer anzustellen, die Eis aus den Alpen holten, wäre keine befriedigende Lösung gewesen, denn einen ständigen Nachschub sicherzustellen, hätte einen immensen Aufwand erfordert. Und die Machte der Finsternis hatten diesem Anliegen sowieso nicht stattgegeben. Sie wiesen darauf hin, daß die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen stünden und ein solches Projekt zuviel Aufmerksamkeit erregen würde.

Also stellte sich die Frage, wo Azzie sein Domizil mit dem erforderlichen Laboratorium aufschlagen sollte. Er mußte im Herzen Europas bleiben, weil die Handlung dort stattfinden würde. Schließlich ließ er sich in Augsburg nieder, nicht allzu weit von den Alpen und Zürich entfernt. Es war eine hübsche kleine Stadt, die an einer Handelsroute lag, was bedeutete, daß er die für seine Arbeit benötigten Gewürze und Kräuter von reisenden Kaufleuten erwerben konnte. Außerdem war Augsburg ein günstiger Ort, weil es ein bekanntes Zentrum der Hexerei war. Da jeder dort jeden der Zauberei verdächtigte, würde Azzie kein unnötiges Mißtrauen erregen.

Er suchte den Bürgermeister auf und schloß einen langfristigen Mietvertrag für das Chateau des Artes ab, ein Schloß mit hohen Türmen am nördlichen Stadtrand. Dieses noble alte Anwesen, das auf den Ruinen einer römischen Villa errichtet worden war, in der zur Zeit des Römischen Imperiums ein Praetor residiert hatte, eignete sich wunderbar für Azzies Zwecke. Der Keller war groß genug, um ihm ausreichend Platz für seine wachsende Sammlung an Körperteilen zu bieten. Außerdem befand sich Azzie hier in der relativen Nähe von Zürich und Basel, so daß ein befriedigender Nachschub an zusätzlichen Materialien aus den medizinischen Zentren dieser Gegend gewährleistet war.

Aber es war Sommer, und selbst seine Konservierungszauber stießen an ihre Grenzen. Schließlich mußte er auf andere Hilfsmittel zurückgreifen.

Seit Urzeiten war bekannt, daß man organische Substanzen haltbar machen konnte, indem man sie in einen Bottich voller Jauche legte. Jauche war in der Tat ein Universalmittel, ein köstliches Getränk und ansonsten zum Wirken von Wundern zu verwenden.

Allerdings stellte es sich als schwierig heraus, ausreichende Mengen an Jauche zu beschaffen. Die Abteilung für Ausrüstung und Zubehör versuchte, jeden Tropfen für sich zu behalten. Erst als Azzie Hermes Trismegistus bat, für ihn zu intervenieren, gestand man ihm eine für seine Zwecke ausreichende Menge zu. Und danach mußte er Frike dann noch unter Androhung von großen Qualen und einem möglichen Tod ermahnen, sich nicht an den kostbaren Vorräten zu vergreifen.

Brustkörbe, Hüften, Kniescheiben und Ellbogen waren problemlos zu besorgen. An Rippen und Schultern herrschte kein Mangel. Aber Azzie wollte die Vorgeschichte jedes einzelnen Körperteils erfahren, das er erwarb, und die entzog sich oft der Kenntnis seiner Geschäftspartner.

Während die warme Jahreszeit das Laub dunkler werden und Sommerblumen blühen ließ, wuchs seine Sammlung beständig Stück für Stück. Doch es waren die unwichtigeren Körperteile. Entscheidend waren die Köpfe, Gesichter und Hände, und die waren nur schwer erhältlich.

So verging die Zeit, Sommergewitter tobten und grollten, und es schien, als würde Azzie seinem Ziel nicht näher kommen. Er stellte ein menschliches Versuchsexemplar zusammen, das lallend umhertorkelte, bis er es schließlich wieder in den Aufbewahrungsbottich zurückverfrachtete, ein erbärmlicher schwachsinniger Idiot. Offensichtlich war das Gehirn des Geschöpfs zerfallen, bevor es hatte konserviert werden können. Azzie begann sich zu fragen, ob er sich nicht mit seinem Vorhaben übernommen hatte.

Die hellen Sommertage aber ließen den Stichtag am Jahresende eine Ewigkeit entfernt erscheinen, und Azzie beauftragte Handwerker mit Renovierungsarbeiten an seinem Schloß. Er stellte Bauern aus den umliegenden Dörfern ein, die schnellwachsendes Getreide auf seinen Feldern anpflanzten. Diese alltäglichen Arbeiten bereiteten ihm eine merkwürdige Befriedigung, während die Kopfjagd weiterging.

Das Chateau des Artes war ein günstiger Ausgangspunkt für Reisen nach Italien im Süden, Frankreich im Westen und Böhmen und Ungarn im Osten. Während Azzie seine Tage damit zubrachte, die Aufgaben eines Hausherrn zu erledigen, schickte er Frike mit einem großen Schimmel und zwei Packpferden auf weite Reisen. Aber obwohl sein Gehilfe viele seltene und nützliche Dinge auftrieb, schien eine Flaute an Köpfen zu herrschen. Köpfe…