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Azzie erzählte Estel Castelbracht, dem Bürgermeister der Stadt, daß er mit verschiedenen Forschungsarbeiten beschäftigt wäre, um Heilmittel gegen die Grippe, die Pest und das Dreitagesfieber zu finden, Krankheiten, die die Gegend seit den Zeiten des Römischen Reiches heimsuchten. Er erklärte, daß er seine Nachforschungen an menschlichem Fleisch mit Methoden durchführen müßte, die er von den großen Alchemisten dieser Periode gelernt hätte. Der Bürgermeister und das Volk glaubten ihm, denn Azzie machte den Eindruck eines freundlichen Zeitgenossen, der immer bereit war, die Kranken aus dem Umland zu behandeln, und das oft mit beachtlichem Erfolg.

Während er das tat, machte er sich Gedanken über die Requisiten, die er für seine Aufführung des »Märchenprinzen« brauchen würde. Er übermittelte der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör eine Liste der erforderlichen Dinge, aber die Antworten waren immer ziemlich vage formuliert und strotzten vor schwammigen Floskeln wie »falls noch vorhanden« oder »zur Zeit nicht vorrätig, Nachlieferung demnächst erwartet«. Besonders ärgerlich war die Auskunft bezüglich seiner Anforderung zweier Schlösser, eins für den Märchenprinzen, das andere für Prinzessin Rosenrot. Die Verantwortlichen der Versorgungsabteilung, die sich über eine Orakeleule mit ihm in Verbindung setzten, teilten ihm mit, daß sie im Augenblick nicht ein einziges Schloß zur Verfügung hätten. Azzie stritt sich mit ihnen herum und erklärte ihnen, daß dieser Auftrag absoluten Vorrang hätte und vom Hohen Dämonenrat persönlich abgesegnet worden sei. »Ja«, lautete die Antwort, »alle Aufträge haben Vorrang, und wir tun alles, was in unseren Kräften steht…«

Azzie beschloß, der Abteilung einen Besuch abzustatten, sich das Lager mit eigenen Augen anzusehen und vorsorglich alles beiseite zu schaffen, was er brauchen würde, sobald er bereit war, seinen Prinzen und seine Prinzessin zusammenzusetzen. Ja, es wurde Zeit, den Limbus aufzusuchen, diese nur schwer zu erklärende Region, in der all die übernatürlichen Ereignisse geboren wurden, die das Schicksal der Menschheit in die eine oder andere Richtung steuerten.

Und er würde die Augen auf seiner Suche nach einem geeigneten Kopf offen halten…

KAPITEL 7

Azzie brach mit einem Gefühl des Bedauerns auf. Er wußte, daß er sich nicht derartige sentimentale Gefühle wegen eines Stücks Land gestatten sollte, das ihm nur kurze Zeit gehören würde und auf dem er sich nur aufhielt, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Trotzdem, die ganze Arbeit am Anwesen und den Feldern… Er hatte noch nie so viel von sich selbst in irgendeinen Ort eingebracht und zugesehen, wie er sich gemäß seinen Vorstellungen verwandelte. Das Chateau des Artes begann, sich irgendwie… wie ein Zuhause anzufühlen.

Und die Reise in den Limbus war nicht gerade gefahrlos. Es gab immer Schwierigkeiten beim Übertritt von einem Reich in ein anderes. Schon die Gesetze eines Reichs, zum Beispiel die der Erde, können nicht vollständig verstanden werden. Um wieviel schwerer waren da erst die seltsamen Gesetze zu verstehen, denen die Reisen zwischen den verschiedenen Existenzebenen unterworfen waren.

Glücklicherweise lief diesmal alles glatt. Azzie hatte die erforderlichen Vorbereitungen getroffen, die griechischen Worte gesprochen und die hebräischen Beschwörungen intoniert. Flammen loderten auf, und plötzlich befand er sich auf einer langgestreckten Ebene, die auf beiden Seiten von öden schwarzen Bergen gesäumt wurde. Der Himmel war weiß und heiß und gelegentlich von grünen Wirbeln durchzogen, als ob dort Dschinns im schnellen Formationsflug unterwegs wären.

Es ist äußerst mühsam, im Limbus von einem Ort zum anderen zu gelangen, da seine Ausdehnungen grenzenlos sind. Vernünftigerweise aber liegen einige der wichtigeren Einrichtungen nahe beieinander und erzeugen eine Art Sog, der Besucher anzieht. Außerdem gibt es die Rok-Fluglinie, derer sich Azzie bedienen konnte. Die riesigen Vögel sind auf der Erde schon seit langem ausgestorben. Nach dem Pleistozän hatten sie Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Durch ihre breiten Rücken aber eigneten sie sich an diesem Ort hervorragend für Dienstleistungen im Beförderungswesen.

Die Abteilung für Ausrüstung und Zubehör sah wie eine gewaltige Ansammlung von Lagerhäusern aus, die inmitten der Ebene gelegen war. Die Verantwortlichen hatten auf viel Raum bestanden. Die Stellfläche reichte aus, um dort alle Wohnzimmer der Erde unterzubringen, und es blieb noch genügend Platz für Küchen und Ställe. Eigentlich hatte man nie versucht, alle Lagerhäuser vollständig aufzufüllen. Der Anzahl der Dinge, die man vielleicht einmal benötigen könnte, wurde nur durch die menschliche Vorstellungskraft Grenzen gesetzt, und irgendwann würde im Zuge des ewig währendes Kampfes der unsichtbaren Mächte, die Menschheit zu verderben beziehungsweise zu erleuchten, alles einmal gebraucht werden. Man konnte nie im voraus wissen, wann irgendein Dämon einen thrakischen Speer aus den Jahr 55 nach Christ oder etwas ähnlich Ausgefallenes benötigte. Die Abteilung simulierte die meisten der angeforderten Dinge und verfügte über die phantasievollsten Szeneriedesigner, die es jemals gegeben hatte.

Die Anlage war am Ufer des Styx errichtet worden, dieses erstaunlichen Flusses, der die Erde und sämtliche Himmel und Höllen durchfließt. Auf seinen düsteren Fluten verrichtete Charon, der uralte Fährmann, seinen Dienst zwischen den Welten und Jahrhunderten. Die übernatürlichen Mächte, denen er manchmal diente, betrachteten die Erde als das größte aller jemals erdachten Spielfelder und wollten von keinem Ereignis abgeschnitten werden, wie weit entfernt in der Zukunft oder Vergangenheit es auch liegen mochte.

Azzie stieg vom Rücken des Rok. Er schritt zügig aus, schwebte manchmal, wenn die Lauferei ermüdend wurde, und durchquerte die langen Straßen, die auf beiden Seiten von Lagerhäusern gesäumt wurden. Jedes Gebäude trug ein Schild mit der Aufschrift: Zutritt nur für autorisiertes Personal. Bewaffnete Salis, die neutralen Geister des Limbus, hielten Wache. Sie trugen sogenannte Energiedisruptoren. Diese Waffen, die wie Speere mit Zielfernrohren und Abzugshähnen aussahen, sandten eine verheerende Partikelstrahlung aus (auch wenn von anderer Seite behauptet wird, es wären Wellen), die selbst das Persönlichkeitsmuster der mächtigsten Dämonen auflösten. »Das Gehirn zu Brei schlagen« war die gängige Redewendung in diesem Jahr. Azzie machte einen weiten Bogen um sie. Der Limbus war in letzter Zeit zu einem gefährlichen Pflaster geworden, was mehr an den Wächtern als an denen lag, die sie bewachten.

Nach längerer Zeit erreichte er ein Lagerhaus mit einer unbewachten Tür. Darüber hing ein Schild mit der Aufschrift: Auskunftsbüro, ein überraschend nüchterner Anblick an einem derart zwischendimensionalen Ort, aber Azzie verschwendete keine Zeit damit, die Auskunftsstelle aufzusuchen.

Im Inneren des Gebäudes entdeckte er rund zwanzig Dämonen der verschiedensten Herkunft und Positionen, die darauf warteten, daß sie an der Reihe waren, ihre Beschwerden gegenüber einem jungen Schreibtischdämon vorzubringen, der trotz der zur Zeit herrschenden Bekleidungsvorschriften eine aus Plaidstoff gefertigte Golfmütze trug. (Dämonen können sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft reisen, aber es ist ihnen untersagt, Andenken mitzubringen.)

Azzie zückte seine Schwarze Kreditkarte und schob sich zum Anfang der Schlange vor. »Mein Anliegen hat äußersten Vorrang«, erklärte er dem Schreibtischdämon. »Ich habe die volle Unterstützung des Hohen Dämonenrates.«

»Ach, tatsächlich?« fragte der junge Dämon unbeeindruckt.

Azzie hielt ihm die Schwarze Kreditkarte vor die Nase.

»Sagt er die Wahrheit?« fragte der Angestellte die Kreditkarte.

»DAS KANNST DU GLAUBEN!« blitzte die Karte zurück.

»Na schön«, erwiderte der Dämon. »Was können wir also für eine so wichtige Persönlichkeit wie Sie tun?«

Das Benehmen des jungen Dämons ging Azzie ziemlich auf die Nerven, aber er beschloß, es zu ignorieren.