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»Ein schönes Labor«, lobte Azzie. »Mein Kompliment, Doktor! Aber diese Exemplare sind sehr alt. Sie mögen einen antiquarischen Wert besitzen, aber für mich sind sie uninteressant.«

»Das sind nur ein paar überschüssige Teile«, erklärte Albertus. »Aber seht her, was ich hier habe.«

Er ging zu einem kleinen Bottich, der auf einem Nebentisch stand, und zog einen menschlichen Kopf daraus hervor. Das Gesicht gehörte einem jungen Mann. Es war totenbleich, aber noch immer attraktiv, obwohl dort, wo einst die Augen gesessen hatten, jetzt nur noch rötliche Löcher gähnten.

»Wie ist er gestorben?« fragte Azzie. »Und was ist mit seinen Augen passiert?«

»Er hatte das Pech, sie zu verlieren, Herr.«

»Vor oder nach seinem Tod?«

»Vor seinem Tod, aber nur kurz davor.«

»Erzählen Sie mir davon.«

»Mit Vergnügen«, sagte Albertus. »Der Name des Burschen war Phillipe, und er lebte in einem Dorf nicht weit entfernt von hier. Er sah wirklich sehr gut aus. Viel besser, als es irgendeinem jungen Mann zusteht. Eines Tages erblickte er Miranda, die Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns aus dieser Gegend. Sie war damals gerade fünfzehn Jahre alt und so wunderschön wie die Morgendämmerung über den Bergen. Zart und unbefleckt war sie, und sie hatte sich vorgenommen, ihr Leben in äußerster Reinheit zu verbringen und nur Gutes zu tun.

Nachdem er sie gesehen hatte, entflammte Phillipe in Leidenschaft für sie, und obwohl man behauptet, daß er ein rechter Feigling war, beschloß er doch, sie zu erobern. Eines Tages kletterte er über die Mauer, die das Haus ihres Vaters umgab, ging in den Raum, wo sie Butter machte, und sprach sie an. Miranda war völlig abgeschieden aufgewachsen und hatte noch nie einen Mann wie ihn gesehen. Jeder im Haushalt ihres Vaters war alt, abgesehen von ihren drei Brüdern, und die waren fort und kämpften in dem einen oder anderen Krieg.

Phillipe betörte sie mit süßen Worten und herzzerreißenden Erzählungen über seinen eigenen Leidensweg. Miranda hatte ein weiches Herz und war tief bewegt, als sie von ihm erfuhr, daß er krank sei und nicht mehr lange leben würde.

Eine Lüge, wie Phillipe damals glaubte, aber sie sollte sich schon bald als Prophezeiung erweisen! Er täuschte einen Schwächeanfall vor, und sie ließ zu, daß er einen Arm um sie legte, um sich festzuhalten. Sie berührten sich, und so kam eins zum anderen.

Es ist die altbekannte Geschichte. Um es kurz zu machen, er verführte sie, und sie lief mit ihm fort, denn er schwor ihr, für sie zu sorgen. Doch als sie in die erste größere Stadt kamen, nach Civalle in der Provence, ließ er sie sitzen und ging seiner eigenen Wege.

Auf sich allein gestellt, machte Miranda eine furchtbare Zeit durch, bis sie dem Maler Chodlos Modell stand. Ein paar Monate lang lebte sie als seine Gefährtin mit ihm zusammen, und beide schienen recht glücklich zu sein. Chodlos war ein Bär von einem Mann, aber trotz seiner Größe nicht sonderlich stark. Er war immer fröhlich, wenn auch etwas zu trinkfreudig. Bei seiner berühmten Magdalene hatte ihm Miranda Modell gestanden. Er hätte ein wirklich großartiger Künstler werden können, doch noch bevor das Jahr vorüber war, war er tot, bei einer Kneipenschlägerei erschlagen.

Mirandas Herz war gebrochen, denn sie hatte den Maler wirklich geliebt. Chodlos’ Gläubiger räumten alle Möbel aus der Wohnung, nahmen sämtliche Gemälde mit und warfen Miranda auf die Straße. Sie hatte kein Geld und wußte nicht, wohin sie hätte gehen können. Um nicht zu verhungern, arbeitete sie schließlich in einem Bordell. Aber ihr Unglück sollte noch nicht vorbei sein. Eines Nachts kam ein Verrückter in das Bordell. Niemand weiß, was sich zwischen ihm und Miranda abgespielt hat, aber bevor irgend jemand einschreiten konnte, hatte er ihr die Augen rausgerissen und ihr dann die Kehle durchgeschnitten.

Als sie davon erfuhren, kamen Mirandas Brüder Ansei, Chor und Hald in die Stadt, um Rache für ihre Schwester zu nehmen. Der Verrückte war bereits tot, vom Mob in Stücke gerissen. Die Brüder fanden Phillipe in einer Kneipe, wo er mit einem neuen Liebchen trank. Sie legten ihn rücklings über einen Tisch und erklärten ihm, daß er genauso sterben würde, wie Miranda gestorben war. Dann rissen sie ihm die Augen heraus und schnitten ihm die Kehle durch. Das ist die Geschichte des Kopfs, den Ihr hier seht.«

»Es ist wirklich ein sehr hübscher Kopf«, stellte Azzie fest, hob ihn hoch und sah in die leeren Augenhöhlen. »Was ich jetzt noch brauche, ist der dazu passende weibliche Kopf. Diese Miranda. Ein Verrückter hat sie getötet, was? Meister Albertus, wißt Ihr, was mit ihrer Leiche geschehen ist? Und vor allen Dingen, was mit ihrem Kopf?«

»Leider habe ich keine Ahnung«, erwiderte Albertus.

»Ihr habt mir sehr geholfen«, sagte Azzie. »Nennt mir Euren Preis für diesen Kopf.«

ERSTE ERFOLGE

KAPITEL 1

»Meister, seht Euch diesen hier an.«

Es war der vierte Kopf, den Frike in dieser Woche brachte. Dieser hatte einst einer dunkelgelockten Dame gehört und sah immer noch ziemlich hübsch aus – besonders falls es gelang, die Nase wieder zu richten, die von Würmern zerfressen worden war.

»Nein, Frike, der ist nicht geeignet«, seufzte Azzie und wandte sich ab.

»Aber warum denn nicht, Herr? Sie ist perfekt!«

»Es gibt nur eine, die man als perfekt bezeichnen könnte.«

»Wer ist das, Herr?«

»Frike, die perfekte Partnerin für unseren Märchenprinzen wäre Miranda, das Mädchen, das Phillipe verführt hat.«

»Aber wir wissen nicht, wo sie ist!«

»Noch nicht.« Azzie stand auf und ging eine Weile ruhelos auf und ab. »Aber wir werden sie finden.«

»Der Kopf ist mittlerweile bestimmt schon verwest.«

»Das kann man nie wissen. Sollte ihr Gesicht durch irgendeinen glücklichen Umstand noch nicht zerstört sein, wird sie meine Prinzessin Rosenrot in der kleinen Posse werden, die ich inszeniere.«

»Aber Gebieter, wir haben keinen Anhaltspunkt, wo sich ihre Leiche befindet.«

»Wir werden unsere Suche in Civalle beginnen, wo sie gestorben ist. Wahrscheinlich hat man sie dort begraben.«

»Meister, das ist Zeitverschwendung. Euch bleibt ohnehin nicht mehr viel Zeit bis zum Wettkampf, und es gibt noch viel zu tun.«

»Sattle unsere Pferde, Frike. Was diese Dinge anbelangt, bin ich ein Künstler. Ich brauche unbedingt Mirandas Kopf für meine Prinzessin.«

»Sie hatte eine interessante Vergangenheit, Herr, aber warum muß es unbedingt dieses bestimmte Mädchen sein?«

»Begreifst du denn nicht, Frike? Es macht meinen Plan noch eleganter. Wir werden diese beiden Liebenden nach ihrem Tod wieder zusammenbringen. Natürlich werden ihre bewußten Erinnerungen ausgelöscht sein, aber etwas davon wird trotzdem bleiben. Etwas, das mir helfen wird, meine Geschichte vom Märchenprinzen und Prinzessin Rosenrot zu einem hübschen Ende zu bringen. Wir müssen Mirandas Leiche finden und hoffen, daß ihr Gesicht noch in einem guten Zustand ist. Geh und kümmere dich um die Pferde.«

Nachdem Frike die Pferde gesattelt und gepackt hatte, machten sie sich auf den Weg nach Civalle in der Provence. Es war Ende Juni, und die Reise verlief problemlos und angenehm. Frike hatte gehofft, daß Azzie sie mit übernatürlichen Mitteln befördern würde, aber sein Herr und Gebieter meinte, daß der Aufwand zu groß wäre. Er mußte mit seinen dämonischen Kräften haushalten. Man konnte nie wissen, was einen erwartete.