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Schließlich trafen sie in Civalle ein, einer hübschen südländischen Stadt in der Nähe von Nizza. Durch Albertus’ Beschreibung fiel es ihnen nicht schwer, das Bordell zu finden, in dem Miranda getötet worden war. Azzie sprach mit der Madam und erfuhr, das Mirandas Brüder die Leiche ihrer Schwester mitgenommen hatten, wohin, das wußte niemand. Er entlohnte sie großzügig für die Auskunft und erkundigte sich, ob vielleicht ein Kleidungsstück des Mädchens zurückgeblieben sei. Die Madam fand ein altes Leibchen, das sie ihm für zwei Goldsoldi verkaufte. Ob es wirklich Miranda gehört hatte, wußte Azzie nicht mit Sicherheit – noch nicht.

»Was jetzt, Gebieter?« fragte Frike, nachdem sie das Bordell verlassen hatten.

»Das wirst du zu gegebener Zeit schon erfahren«, erwiderte Azzie.

Sie ließen die Stadt hinter sich zurück und ritten eine Weile durch den Wald. Dann schlugen sie ihr Lager auf und aßen kalte Fleischpastete und gekochten Lauch. Nach dem Essen entfachte Frike auf Azzies Anweisung hin ein Feuer. Als die Flammen hoch aufloderten, holte Azzie ein kleines Glasröhrchen aus der Truhe hervor, in der er sein magisches Zubehör aufbewahrte, und ließ einen einzelnen Tropfen einer dunklen Flüssigkeit in das Feuer fallen.

Die Flammen loderten noch höher, und Frike wich geduckt zurück.

»Paß auf!« befahl Azzie. »Das ist sehr lehrreich. Vielleicht hast du ja schon mal von den sagenhaften Jagdhunden der alten Götter gehört. Heutzutage haben wir etwas Besseres.«

Als die Flammen wieder kleiner wurden, flogen drei große Vögel über das Lager und landeten neben Azzie. Es waren Raben mit kleinen tückischen Augen.

»Ich hoffe, es geht euch gut«, wandte sich Azzie an sie.

»Wir können nicht klagen«, erwiderte einer der Raben.

»Ich möchte euch meinen Diener Frike vorstellen. Frike, das sind die Morrigan, übernatürliche irische Vögel, und ihre Namen lauten Babd, Macha und Nemain.«

»Erfreut, eure Bekanntschaft zu machen«, sagte Frike, der vorsorglich Abstand zu ihnen hielt, denn sie beäugten ihn durchdringend und abschätzend.

»Was können wir für Eure Exzellenz tun?« fragte Macha.

Azzie zog Mirandas Kleidungsstück hervor. »Spürt diese Frau auf«, verlangte er. »Diejenige, die das zuletzt getragen hat. Sie ist übrigens tot.«

Babd schnupperte an den Stoff. »Das hättet Ihr uns nicht zu sagen brauchen«, stellte er fest.

»Ich hatte das Ausmaß eurer Kräfte vergessen. Fliegt, ihr Unvergleichlichen. Findet diese Frau für mich!«

Nachdem die Raben davongeflogen waren, sagte Azzie zu Frike: »Wir wollen es uns bequem machen. Es könnte eine längere Zeit dauern, aber sie werden das Mädchen finden.«

»Daran habe ich nie gezweifelt«, versicherte Frike.

Sie aßen mehr von der kalten Fleischpastete und dem Lauch, unterhielten sich über das Wetter und stellten Vermutungen darüber an, in welcher Form die himmlischen Mächte an dem Wettkampf teilnehmen würden.

Der Tag zog sich dahin. Der blaue Himmel der Provence wölbte sich über das Land wie eine Kuppel mit einem Stich ins Messingfarbene, die Licht und Hitze ausstrahlte. Sie aßen noch mehr Lauch.

Nach langer Zeit kehrte ein Rabe zurück, der sich als Nemain zu erkennen gab. Er kreiste zweimal über das Lager, bevor er sich auf Azzies ausgestrecktem Arm niederließ.

»Was hast du erfahren?« wollte Azzie wissen.

Nemain legte den Kopf schief und erwiderte mit dünner Stimme: »Ich glaube, wir haben die gefunden, die Ihr sucht.«

»Wo ist sie?«

Die beiden anderen Raben flatterten herab. Einer hockte sich auf Azzies Kopf, der andere auf Frikes Schulter.

»Ja, es ist eindeutig die Frau, die Ihr sucht«, sagte Macha, der älteste der drei. »Der Geruch ist unverkennbar.«

»Ich kann doch annehmen, daß sie tot ist?« erkundigte sich Azzie.

»Natürlich ist sie tot«, bestätigte Macha. »Ihr wolltet sie doch tot haben, nicht wahr? Und selbst wenn sie noch leben würde, könntet Ihr sie jederzeit töten lassen.«

Azzie machte sich nicht die Mühe zu erklären, daß es gewisse Vorschriften gegen ein solches Vorgehen gab. »Wo kann ich sie finden?«

»Wenn Ihr dieser Straße ein paar Meilen weit folgt, kommt Ihr in eine kleine Stadt. Die Frau befindet sich im zweiten Gebäude zu Eurer Linken.«

»Ich danke dir, Vogel des Unheils«, sagte Azzie.

Macha nickte und schwang sich in die Luft. Die anderen schlossen sich ihm an. Kurz darauf waren sie verschwunden.

Azzie und Frike bestiegen ihre Pferde und ritten die Straße entlang nach Süden. Es war eine alte römische Straße, die Südeuropa durchquerte und in die große Festungsstadt Carcassonne führte. Ihr Zustand war deutlich besser als der vieler anderen Straßen, die sie bisher benutzt hatten. Sie ritten schweigend dahin und erreichten nach einer Weile ein relativ großes Dorf. Azzie schickte Frike voraus, um nach einer Unterkunft Ausschau zu halten, während er sich selbst auf die Suche nach Mirandas Kopf begab.

Er ging zu dem Haus, das die Raben ihm genannt hatten. Es war das größte Gebäude entlang des Weges, ein dunkles Haus, das durch die schießschartenartigen Fenster und das schlecht gedeckte Dach einen abstoßenden Anblick bot.

Azzie klopfte an die Tür. Keine Antwort. Er drückte die Klinke herunter. Die Tür war nicht verschlossen. Er öffnete sie und trat in den Hauptraum.

Es war dunkel im Haus, nur durch die Risse im Dach fiel etwas Licht. Ein intensiver Weingeruch lag in der Luft.

Auf einmal meldete sich Azzies Gespür für Gefahr, allerdings einen Augenblick zu spät. Er fiel durch ein Loch im Boden in den Keller und prallte hart auf. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, fand er sich im Inneren einer Flasche wieder.

KAPITEL 2

Es war eine Glasflasche mit einer breiten Öffnung, wie man sie in diesem Zeitalter nur selten zu sehen bekam, groß genug, um einen Dämon mittlerer Größe wie Azzie zu fassen. Der Sturz hatte ihn einen Moment lang benommen gemacht. Er hörte ein Geräusch über sich, konnte es jedoch nicht deuten, bis er nach oben blickte. Erst dann begriff er, daß die Flasche mit einem hölzernen Korken verschlossen worden war. Azzie schüttelte die Benommenheit schnell wieder ab. Wieso steckte er hier in einer Flasche?

Er spähte durch das grüne Glas und sah, daß er sich in einem von vielen Kerzen erhellten Raum befand. Um einen kleinen Tisch herum standen drei rauh aussehende Männer, die sich gerade stritten.

Azzie klopfte an das Glas, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen.

Sie drehten sich zu ihm um. Einer von ihnen, der Mann mit dem häßlichsten Gesicht, kam näher und sagte irgend etwas. Da der Flaschenhals verstopft war, drang kein Geräusch herein, worauf Azzie hinwies, indem er auf seine Ohren deutete und den Kopf schüttelte.

Als der tölpelhafte Bursche endlich verstanden hatte, sagte er den anderen Bescheid. Sie begannen, erneut zu streiten, diesmal noch ungestümer. Schließlich gelangten sie zu irgendeiner Entscheidung. Der erste Mann kletterte eine an die Flasche gelehnte Leiter hinauf und hob den hölzernen Stöpsel ein wenig an.

»Jetzt kannst du hören«, sagte er. »Aber wenn du irgendwelche Dummheiten versuchst, stopfen wir den Korken fest, hauen ab und lassen dich hier für immer schmoren.«

Azzie regte sich nicht. Er rechnete sich eine gute Chance aus, den Korken herausstoßen zu können, bevor die drei ihn festklopfen konnten, aber er wollte erfahren, was sie zu sagen hatten.

»Du bist wegen der Hexe gekommen, nicht wahr?« fragte der Mann.

»Es würde die Dinge erleichtern, wenn ich eure Namen wüßte«, erwiderte Azzie.

»Das da ist Ansei, der da ist Chor, und ich bin Hald. Wir sind Brüder, und die tote Hexe Miranda ist unsere Schwester.«

»Sieh an«, sagte Azzie. »Wo ist sie?«

»Sie ist ganz in der Nähe. Wir haben sie mit Eis frischgehalten.«

»Das wir teuer gekauft haben«, warf sein Bruder Ansei ein. »Wir müssen unser Geld zurückbekommen. Und das ist erst der Anfang.«