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»Also gut«, sagte Azzie. »Dann paßt genau auf.« Er schlüpfte in die Flasche und wand sich, bis er genau in sie hineinpaßte. Sobald er in ihr verschwunden war, drückten die Brüder den Korken wieder in den Flaschenhals.

Azzie sah sie durch das Glas an. »In Ordnung, laßt jetzt den Unfug und öffnet die Flasche wieder!«

Die Brüder kicherten. Ansei winkte ihnen zu, worauf Chor und Hald eine Steinfliese vorn Boden hoben, unter der ein gemauerter Brunnen zum Vorschein kam. Aus der Tiefe drang das Plätschern von Wasser herauf.

»Hör zu, Dämon«, verkündete Ansei. »Wir werden dich zusammen mit der Flasche in den Brunnen stoßen, ihn wieder zudecken und einen Totenschädel mit gekreuzten Knochen darauf malen, damit die Leute glauben, daß er vergiftet ist. Sollen deine Freunde doch versuchen, dich dann noch zu finden.«

»Ihr habt euer Wort gebrochen«, stellte Azzie fest.

»Na und? Es gibt nicht viel, was du deswegen unternehmen kannst.«

»Alles, was ich tun kann«, sagte Azzie, »ist, euch eine Geschichte zu erzählen.«

»Komm schon, laß uns hier abhauen«, drängten die beiden anderen Brüder.

»Nein, laßt uns zuerst anhören, was er zu sagen hat«, entgegnete Ansei. »Dann können wir ihn auslachen, bevor wir verschwinden.«

»Flaschen zur Aufbewahrung von Dämonen sind schon seit mehreren tausend Jahren in Gebrauch«, begann Azzie. »Die erste Flasche, die jemals gemacht wurde – übrigens von einem Chinesen –, wurde eigens zu dem Zweck angefertigt, einen von uns zu fangen. Die alten Assyrer und Hethiter haben ihre Dämonen in Tonkrügen eingesperrt. Einige afrikanische Stämme haben uns in eng geflochtenen Körben gehalten. Das alles ist uns bekannt, und wir wissen, wie sich die Methoden, uns zu fangen, von Land zu Land unterscheiden. In Europa haben alle Dämonen dies hier dabei.«

Er hob eine Hand. An seinem Zeigefinger – oder seiner Zeigeklaue – glitzerte ein funkelnder Diamant.

»Und damit machen wir das.« Azzie drückte die Spitze des Diamanten gegen das grüne Glas, vollführte eine kreisförmige Bewegung mit dem Arm und drückte gegen das Segment. Das runde Glasstück fiel nach außen. Azzie trat durch die so entstandene Öffnung.

»Wir haben nur Spaß gemacht«, behauptete Ansei, dessen Gesicht eine erstarrte Maske der Angst war. »Stimmt’s, Jungs?«

»Natürlich«, versicherten Chor und Hald. Beide grinsten von einem Ohr zum anderen, und von ihren kaum vorhandenen Stirnen perlte der Schweiß.

»Dann wird euch das erst recht Spaß machen«, sagte Azzie. Er wedelte mit den Fingern und murmelte etwas vor sich hin. Flammen blitzten auf, aus dem Nichts erschien eine Rauchwolke. Als sich der Qualm verzog, wurde ein kleiner Dämon mit einer Hornrandbrille sichtbar, der irgend – etwas mit einer Gänsefeder auf einen Pergamentbogen kritzelte.

»Silenus«, wandte sich Azzie an ihn. »Verbuchen Sie diese drei auf mein Konto und nehmen Sie sie mit. Sie haben sich selbst verdammt.«

Silenus nickte und vollführte eine Handbewegung, worauf die drei Brüder verschwanden. Kurz darauf verschwand er ebenfalls.

Wie Azzie später Frike gegenüber bemerkte, war es ihm noch nie so leicht gefallen, drei Seelen dabei behilflich zu sein, sich selbst zu verdammen, und das praktisch ohne Druck von seiner Seite.

KAPITEL 3

»O Gebieter, es tut so gut, wieder nach Hause zu kommen!« sagte Frike, als er den Riegel an der Eingangstür des großen Anwesens in Augsburg zurückschob.

»Es ist wirklich schön«, bestätigte Azzie. »Brrr.« Er rieb sich die Klauen. »Ziemlich kalt, hier! Mach ein Feuer, sobald du die Körperteile verstaut hast.«

Trotz oder vielleicht gerade wegen ihrer langen Verbundenheit mit der Höllenglut genießen Dämonen ein prasselndes Kaminfeuer.

»Ja, Meister. Wohin damit?«

»Natürlich ins Kellerlabor.«

Frike eilte hinaus und entlud den Karren. Er enthielt eine erkleckliche Anzahl an Körperteilen, die in verschiedene jauchegetränkte Stoffe eingewickelt waren, genug – falls Azzies Berechnungen stimmten – um zwei komplette Körper fertigzustellen, einen männlichen und einen weiblichen, die fortan als der Märchenprinz und Prinzessin Rosenrot bekannt sein würden.

Am nächsten Tag begann die Arbeit an den Körpern. Frike erwies sich als sehr geschickt im Umgang mit Nadel und Faden. Er flickte den Märchenprinzen so sauber zusammen, wie ein Schneider einen Anzug näht. Natürlich waren die Einstiche und Nähte zu sehen, aber Azzie beruhigte seinen Gehilfen. Mit ihrer Wiederbelebung würden die Körper diese Stigmata ihrer Wiedergeburt verlieren.

Es wurden behagliche häusliche Abende. Azzie zog sich mit seinem Exemplar von König Salomons Geheimnisse in einen Winkel des Labors zurück, ein Buch, das er schon immer hatte lesen wollen. Es war sehr angenehm, jetzt damit im Laboratorium mit seinen Gerüchen nach Spiritus, Kerosin, Schwefel, Ammoniak und dem vielfältigen alles überlagernden Geruch von versengtem und verfaulendem Fleisch zu sitzen, hin und wieder den Blick von dem auf seinen Knien aufgeschlagen liegenden Buch zu heben und dem alten Frike zuzusehen, der mit einer winzigen Stahlnadel über seine Arbeit gebückt dasaß. Das Licht einer niedrig angebrachten Lampe warf seinen monströsen buckligen Schatten an eine Wand.

Die Nadel war von den Ruud für ihn geschmiedet worden, den kleinsten und klügsten Zwergen Mitteleuropas. Der Faden bestand aus der feinsten taporbaneischen Seide, so hauchdünn und durchsichtig, daß es schien, als würden sich die klaffenden Wunden zwischen beispielsweise einem Arm und einer Schulter wie durch eine fleischliche Form von Magnetismus oder Magie schließen. Aber in diesem Fall war Frikes winzige Nadel die einzige Magie, die ihre säuberlichen kleinen Stiche machte und Stück für Stück einen vollständigen Menschen aus dem Stapel der Körperteile zusammenfügte, die ordentlich zu seiner Linken auf einer Lage Gletschereis aufgeschichtet waren.

Frike war ein gewissenhafter Arbeiter, aber er mußte beaufsichtigt werden. Mehr als einmal brachte er dort, wo Arme hingehörten, Beine an, entweder auf Grund von Kurzsichtigkeit oder aus einem perversen Sinn für Humor. Als er jedoch den Kopf des Märchenprinzen auf den Oberkörper der Prinzessin zu nähen begann, fand Azzie, daß sein Diener endgültig die Grenzen überschritten hatte.

»Laß den Unfug«, herrschte er ihn an, »sonst sorge ich dafür, daß du in einer Höllengrube landest, wo du ein paar Jahrhunderte lang Kies zu Felsbrocken zusammenbacken kannst, bis dir der Spaß vergeht und du Disziplin lernst.«

»Entschuldigt, Gebieter«, sagte Frike und arbeitete danach sehr sorgfältig und genau.

So nahmen die Körper allmählich Gestalt an. Abgesehen von der ungelösten Frage der richtigen Augen, blieb nur das Problem der nicht zueinanderpassenden Hände von Prinzessin Rosenrot. Die unterschiedlichen Größen der Hände waren nicht so gravierend, aber eine war gelb, die andere weiß, und das konnte nicht geduldet werden. Azzie warf die gelbe Hand weg und unternahm einen kurzen Abstecher zum medizinischen Zentrum in Schnachtsburg. In einem Geschäft, das auf nekrophile Andenken spezialisiert war, fand er glücklicherweise die Hand einer Taschendiebin für seine Prinzessin.

Kurz nach seiner Rückkehr erhielt er Nachricht von der Abteilung für Zubehör und Ausrüstung, daß sein Schloß an die von ihm angegebenen Koordinaten ausgeliefert werden konnte. Azzie brach sofort auf und flog über die Alpen zur ungarischen Ebene. Das Land breitete sich in üppigem Grün vor ihm aus. Er fand die Stelle, die er ausgesucht hatte. Sie war unverkennbar durch einen Hain hoher purpurfarbener Bäume, die gerade blühten und aussterben würden, bevor die moderne Wissenschaft Gelegenheit finden konnte, sie als anormal einzustufen. Merioneth wartete dort auf ihn, ein häßlicher Dämon mit randloser Brille von der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör, der eine geglättete und mit Messingklammern versehene Holztafel in der Hand hielt – den Vorgänger des später allgegenwärtigen Klemmbretts.