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In dieser Konstruktionsphase traten einige Schwierigkeiten auf. Als der Burggraben ausgehoben werden sollte, stellte sich heraus, daß kein Erdaushubgerät vorhanden war. Eine Gruppe Drachen wurde herbeigerufen und mit Jungfrauen bestochen. Nachdem sie gespeist hatten, buddelten die Drachen einen schönen Burggraben, der sieben Meter breit und zehn Meter tief war. Aber natürlich fehlte jetzt wieder das Wasser, und niemand schien zu wissen, wer für die Wasserversorgung verantwortlich war. Azzie löste das Problem schließlich, indem er bei der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör einen Wetterzauber anforderte und einen kurzen aber heftigen Regen herbeirief. Der Wolkenbruch und das Wasser aus den Sturzbächen füllten den Graben bis zum Rand. Ein Schwanenpaar verlieh dem Ganzen einen zusätzlichen Hauch von Klasse.

Bald ragte das Schloß hoch und prachtvoll auf, ein luftiges Gebilde aus Steintürmen und Kuppeln. Auf den höchsten Turmspitzen flatterten helle Banner in der Brise. Natürlich war das Schloß noch nicht eingerichtet und sehr zugig, denn niemand macht sich die Mühe, die Fugen und Spalten in magischen Schlössern abzudichten. Azzie bestellte das Mobiliar bei der Versorgungsabteilung. Außerdem blieb noch das Problem der Innenbeleuchtung. Da Öllampen nicht genug Licht spendeten, entschied sich Azzie für eine magische Beleuchtung.

Schließlich war es geschafft. Azzie trat ein paar hundert Schritte zurück und bewunderte sein Werk. Es war ein Schloß, wie es der verrückte König Ludwig II von Bayern geliebt hätte, wäre er jetzt schon geboren. Es würde seinen Zweck erfüllen.

Azzie kehrte zu seinem Anwesen zurück, um seine Hauptpersonen fertigzustellen. Die Körper in den Bottichen sahen mittlerweile sehr gut aus, alle Nähte waren verblaßt. Die Jauche und die Zaubersprüche hatten perfekt gewirkt. Aber noch wohnte keine Intelligenz in den Körpern, das würde der letzte Schritt sein, und so taten sie die merkwürdigsten Dinge, während ein Körperteil nach dem anderen zum Leben erwachte. Azzie bemühte sich, sie zu stabilisieren, und schließlich gelang es ihm auch.

Dann wies Frike ihn darauf hin, daß beide noch immer blind waren.

»Stimmt«, sagte Azzie. »Das habe ich mir bis zum Schluß aufgehoben.«

Er setzte sich und dachte an Ylith. Ja, das Problem hatte er sich bis ganz zum Schluß aufgehoben.

KAPITEL 4

Azzie mochte Hexen. Er betrachtete sie als eine ständige Quelle, aus der Dämonen schöpfen konnten, die eine Begleiterin suchten, um sich die Samstagabende zu vertreiben. Zu dieser Zeit waren Hexensabbate die Vorläufer der späteren Nachtclubs.

»Frike! Bring mir Kreide und Kerzen!«

Der Diener eilte zur Vorratskammer, in der das magische Zubehör aufbewahrt wurde. In einer kompakten Truhe fand er die Dinge, die sein Gebieter benötigte. Die Kerzen waren so dick wie das Handgelenk eines erwachsenen Mannes und fast so groß wie Frike selbst. Er klemmte sich fünf unter einen Arm, eine Kerze für jede Spitze des Pentagramms. Sie waren so hart wie mumifiziertes Fleisch und fühlten sich etwas schmierig an. Frike kehrte mit ihnen und einem Stück Kreide in das Wohnzimmer zurück. Azzie räumte die Arbeitsplatte aus dem Weg. Er hatte Mantel und Wams abgelegt. Unter seinem Hemd zeichneten sich langgestreckte Muskeln ab, als er eine Ersatzrüstung in eine Ecke schleifte.

»Ich weiß nicht, wozu ich diesen ganzen Schrott aufbewahre«, murmelte er vor sich hin. »Gib mir die Kreide, Frike. Ich werde die Figur selbst malen.«

Er bückte sich und zeichnete das fünfeckige Symbol mit dem Kreidestück auf den Steinfußboden. Das Kaminfeuer tauchte ihn in rötliches Licht und betonte so sein fuchsartiges Aussehen. Frike erwartete beinahe, daß die Beine seines Herrn sich in die röten pelzigen Läufe eines Fuchses verwandeln würden, aber trotz aller Aufregung behielt Azzie seine menschliche Gestalt bei. Er hatte sehr lange daran gearbeitet. Erfahrene Dämonen unternehmen große Anstrengungen, ihre menschliche Erscheinungsform ihren Idealvorstellungen anzupassen.

Frike sah zu, wie Azzie die hebräischen Zeichen der Macht aufmalte und dann die Kerzen anzündete.

»Ylith!« intonierte Azzie, verschränkte die Klauen und knickte auf eine Art in den Knien ein, deren Anblick Frike weh tat. »Komm zu mir, Ylith!«

Der Diener registrierte eine Bewegung im Zentrum des Pentagramms. Von den Kerzen ringelte sich farbiger Rauch empor. Die Rauchfäden tanzten auf und nieder, vereinigten sich, sprühten helle Funken und nahmen schließlich eine feste Gestalt an.

»Ylith!« rief Azzie.

Aber es war nicht Ylith. Das Geschöpf im Pentagramm war zwar eine Frau, aber damit endete auch schon jede Ähnlichkeit mit der Ylith, an die sich Azzie erinnerte. Diese Person war ein kleines stämmiges Weib mit orangefarbenem Haar und einer Hakennase. Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn finster an.

»Was willst du?« fragte sie unfreundlich. »Ich wollte gerade eine Hexenversammlung besuchen, als du mich beschworen hast. Wäre ich nicht davon überrascht worden, hätte ich deinen Zauberspruch abgeblockt, den du ohnehin falsch gewirkt hast.«

»Du bist nicht Ylith, oder?« vergewisserte sich Azzie.

»Ich bin Mylith«, entgegnete die Hexe.

»Aus Athen?«

»Kopenhagen.«

»Es tut mir schrecklich leid«, versicherte Azzie. »Ich wollte Ylith aus Athen herbeirufen. Der Geistaustausch muß die Dinge durcheinandergebracht haben.«

Mylith rümpfte abfällig die Nase, wischte eins von Azzies hebräischen Zeichen weg und malte ein neues an seiner Stelle. »Du hattest den falschen Wert. Wenn das jetzt alles war…«

»Es wäre mir ein Vergnügen, dich wieder zurück nach Hause zu schicken«, sagte Azzie.

»Das mache ich lieber selbst«, wehrte Mylith ab. »Wer weiß, wohin mich dein Zauber schicken würde!«

Sie vollführte eine Geste mit beiden Händen und verschwand.

»Das war äußerst peinlich«, stellte Azzie fest.

»Ich fand es erstaunlich, daß Ihr überhaupt etwas herbeibeschwören konntet«, meinte Frike. »Mein letzter Meister, der Dämon Throdeus, konnte samstags überhaupt nichts beschwören.«

»Und woran hat das deiner Meinung nach gelegen?« wollte Azzie wissen.

»Bevor er ein Dämon geworden ist, war er ein orthodoxer Rabbiner«, erklärte Frike.

Azzie begann mit der nächsten Beschwörung. Wieder kringelten sich farbige Rauchfäden im Zentrum des Pentagramms. Doch als sie sich diesmal verfestigten, stand dort statt der orangehaarigen, häßlichen kleinen Hexe eine attraktive, schwarzhaarige große Frau in einem kurzen seidenen Nachtgewand.

»Ylith!« rief Azzie.

»Wer ist da?« fragte die Hexe und rieb sich die Augen. »Azzie? Bist du es wirklich? Mein Lieber, du hättest mir vorher einen Boten schicken sollen. Ich habe geschlafen.«

»Ist das ein Nachtgewand?« erkundigte sich Azzie, denn er konnte ihre schweren wohlgeformten Brüste durch den pfirsichfarbenen dünnen Stoff erkennen und auch einen Blick auf ihren rosigen Po erhaschen, als er sie umkreiste.

»Kurze Nachtgewänder sind der letzte Schrei in Byzanz«, erklärte Ylith. »Ich glaube allerdings nicht, daß sie sich in Europa durchsetzen werden. Jedenfalls nicht in nächster Zeit.« Sie trat aus dem Pentagramm heraus. »Es ist schön, dich wiederzusehen, Azzie, aber ich brauche wirklich etwas zum Anziehen.«

»Ich habe dich schon mit weniger am Leib gesehen«, sagte Azzie.

»Ich weiß, aber das ist keine von diesen Gelegenheiten. Außerdem starrt mich dein tölpelhafter Diener an! Ich brauche eine Garderobe, Azzie!«

»Und die wirst du auch bekommen!« rief Azzie. »Frike!«

»Ja, Meister?«

»Stell dich in das Pentagramm.«