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Eine Weile wanderten sie schweigend dahin. Irgendwann fragte Scrivener: »Was wird jetzt mit mir geschehen?«

»Wir werden Sie in Ihren Körper zurückversetzen.«

»Wird mit mir danach auch alles in Ordnung sein? Einige Leute, die von den Toten wiederauferstehen, sind hinterher ganz komisch. Zumindest habe ich das gehört.«

»Ich werde da sein und auf Sie aufpassen. Ich werde solange bei Ihnen bleiben, bis ich sicher bin, daß Sie in Ordnung sind.«

»Gut zu hören«, erwiderte Scrivener. Er schwieg erneut, bevor er sich wieder zu Wort meldete. »Aber wenn ich aufwache, werde ich natürlich nicht wissen, daß Sie da sind, nicht wahr?«

»Natürlich nicht.«

»Dann kann mich das auch nicht beruhigen.«

»Wenn Sie leben, kann Sie überhaupt nichts beruhigen«, sagte Azzie gereizt. »Jetzt kann ich es Ihnen ja sagen. Nur wenn Sie tot sind, können Sie das würdigen.«

Sie gingen weiter. Wieder verging längere Zeit. »Wissen Sie, ich kann mich überhaupt nicht an mein Leben auf der Erde erinnern«, klagte Scrivener schließlich.

»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Es wird Ihnen alles wieder einfallen.«

»Ich glaube allerdings, daß ich verheiratet war.«

»Schön.«

»Aber ich bin mir nicht sicher.«

»Sie werden sich an alles erinnern, sobald Sie wieder in Ihrem Körper sind.«

»Und wenn nicht, was dann? Was, wenn ich unter Gedächtnisverlust leide?«

»Sie werden in Ordnung sein«, versicherte Azzie.

»Schwören Sie das bei Ihrer Dämonenehre?«

»Aber sicher«, log Azzie mit Leichtigkeit. Er hatte einen Sonderkurs im Ablegen von Meineiden absolviert und sich als äußerst begabt erwiesen.

»Sie würden mich doch nicht belügen, oder?«

»Hey, vertrauen Sie mir«, gab Azzie zurück und benutzte damit das Hauptmantra, mit dem man selbst die mißtrauischsten und störrischsten Zeitgenossen besänftigen kann.

»Sie verstehen bestimmt, warum ich ein bißchen nervös bin«, sagte Scrivener. »Ich meine, wiedergeboren zu werden.«

»Nichts, weswegen Sie sich schämen müßten«, beruhigte ihn Azzie. »So, da sind wir.«

Satan sei Dank, fügte er unhörbar hinzu. Es machte ihn nervös, sich über einen längeren Zeitraum mit Menschen zu unterhalten. Sie konnten endlos um die Dinge herumreden! Die Dämonenoberen hatten einen Orientierungskurs in Menschlicher Wankelmütigkeit an der Dämonenuni angeboten, aber es war ein Wahlfach gewesen, und Azzie hatte sich nicht die Mühe gemacht, es zu belegen. Damals war ihm Betrügerische Dialektik sehr viel interessanter erschienen.

Nicht weit entfernt erblickte er die vertrauten scharlachroten und hellgrünen Streifen der Nordgrubenambulanz. Der Wagen hielt ein paar Meter vor ihnen an, und ein Sanitätsdämon stieg aus, ein Bursche mit obeliskförmigen Augen und einer Schweineschnauze. Er unterschied sich grundlegend von Azzie, der ein Fuchsgesicht hatte, rotes Haar, spitze Ohren und bemerkenswert blaue Augen. Leute mit einem Faible für Dämonen hätten ihn als recht attraktiv bezeichnet.

»Ist das der Kerl?«

»Das ist er«, bestätigte Azzie.

»Bevor Sie irgend etwas tun«, sagte Scrivener, »würde ich gerne wissen…«

Der Sanitätsdämon mit der Schweineschnauze streckte einen Arm aus und berührte eine Stelle an Scriveners Stirn. Scrivener verstummte mitten im Satz. Seine Augen wurden glasig.

»Was haben Sie mit ihm gemacht?« fragte Azzie.

»Ihn in den Ruhemodus versetzt«, sagte der Sanitätsdämon. »Jetzt wird es Zeit, ihn loszuschicken.«

Azzie hoffte, daß mit Scrivener alles in Ordnung sein würde. Es ist immer beunruhigend, wenn ein Dämon einem im Kopf herumpfuscht.

»Woher wissen Sie, wohin Sie ihn schicken müssen?« erkundigte er sich.

Der Sanitätsdämon öffnete Scriveners Hemd und zeigte Azzie den Namen und die Adresse, die purpurrot in die Haut eintätowiert waren. »Es ist die Kennmarke des Teufels«, erklärte er.

»Entfernen Sie die Tätowierung, bevor Sie ihn zurückschicken?«

»Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Er kann sie nicht sehen. Sie ist nur für uns gedacht. Begleiten Sie ihn?«

»Ich werde allein reisen«, erwiderte Azzie. »Lassen Sie mich nur noch einmal einen Blick auf die Adresse werfen. Gut, ich habe sie mir gemerkt.«

Und an den Mann mit dem leeren Augen gewandt, fügte er hinzu: »Dann bis später, Tom.«

KAPITEL 3

So wurde Thomas Scrivener nach Hause zurückgebracht. Zum Glück war es dem Sanitätsdämon gelungen, den Transfer zu erledigen, bevor sein Körper irreparable Schäden erleiden konnte. Der Arzt, der die Leiche erworben hatte, schickte sich gerade an, ihr den Hals aufzuschneiden, um die Arterien für seine Studenten zu entnehmen. Doch bevor er damit beginnen konnte, öffnete Scrivener die Augen und sagte: »Guten Morgen, Doktor Moreau.« Dann verlor er das Bewußtsein.

Moreau erklärte ihn für lebendig und verlangte eine Rückzahlung von Scriveners Witwe.

Die Frau zahlte zähneknirschend. Ihre Ehe mit Scrivener war nicht sonderlich erfreulich gewesen.

Azzie war auf anderem Weg zur Erde gereist, um nicht im Untotenwagen mitfahren zu müssen, in dem der Verwesungsgestank selbst für ein übernatürliches Wesen eine Tortur darstellt. Er traf unmittelbar nach Scriveners Wiedererweckung ein. Niemand konnte ihn sehen, da er das Unsichtbarkeitsamulett trug.

Unsichtbar für alle Menschen, die nicht das Zweite Gesicht besaßen, folgte er der Prozession, die Scrivener nach Hause zurückbrachte. Die Dorfbewohner, ohne Ausnahme Bauern, sprachen von einem Wunder. Nur Scriveners Frau Mildau murrte ständig vor sich hin: »Ich habe doch gleich gewußt, daß er alles nur vorgetäuscht hat, der gemeine Hund!«

Durch seine Unsichtbarkeit geschützt, durchstöberte Azzie das Haus, in dem er bis zum Ablauf von Scriveners Reklamationsfrist wohnen würde. Wahrscheinlich nur eine Sache von ein paar Tagen. Es war ein ziemlich großes Haus mit mehreren Zimmern auf jeder Etage und einem schönen feuchten Keller.

Azzie richtete sich im Keller ein. Es war genau der richtige Ort für einen Dämon. Er hatte sich ein paar Schriftrollen als Lektüre und einen Sack voller verfaulter Katzenköpfe als Proviant mitgebracht und stellte sich auf eine geruhsame Zeit ein. Aber er hatte es sich kaum bequem gemacht, als auch schon die Störungen begannen.

Zuerst kam Scriveners Frau in den Keller, um Lebensmittel zu holen. Sie war eine große Matrone mit struppigem Haar, breiten Schultern und einem gewaltigen Busen. Der nächste Störenfried war Hans, der älteste Sohn der Familie, ein lang aufgeschossener Lümmel, der seinem Vater sehr ähnlich sah und sich am Honigtopf zu schaffen machte. Dann folgte Lotte, das Dienstmädchen. Sie sammelte ein paar Kartoffeln von der Vorjahresernte ein.

Diese Störungen beeinträchtigten Azzies Ruhe erheblich. Am Morgen des nächsten Tages sah er nach Scrivener. Der wiedererweckte Mann schien sich auf dem Weg der Genesung zu befinden. Er hatte sich im Bett aufgesetzt, trank Kräutertee, zankte sich mit seiner Frau und schimpfte mit den Kindern. Noch ein Tag, und er würde sich vollständig erholt haben, entschied Azzie. Dann würde es Zeit werden, weiterzuziehen und sich interessanteren Dingen zuzuwenden.

Die beiden Hunde der Familie wußten, daß ein Dämon im Haus war, und stahlen sich jedes Mal davon, wenn Azzie auftauchte. Das war zu erwarten gewesen. Doch was als nächstes geschehen sollte, hatte er nicht eingeplant.

An diesem Abend bereitete er sich in einer schimmligen Ecke des Kellers, wo ein paar Rüben vergammelt waren, ein muffiges Nachtlager und erwachte abrupt, als er spürte, daß Licht auf ihn fiel. Es war der Schein einer Kerzenflamme. Irgend jemand stand im Keller und beobachtete ihn. Ein Kind. Wie unerträglich! Azzie versuchte aufzustehen und kippte gleich wieder um. Irgend jemand hatte einen Strick um eins seiner Fußgelenke geschlungen!