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»Also gut«, sagte er, »öffne eine Seite des Pentagramms und laß mich raus. Dann können wir darüber reden.«

Brigitte beugte sich vor, um eine der Linien wegzuwischen, aber ihr Vater packte sie und riß sie hastig zurück. »Laß ihn nicht frei! Sonst verlierst du deine Macht über ihn!«

Azzie zuckte die Achseln. Es war zumindest einen Versuch wert gewesen. »Meister Scrivener«, wandte er sich an den Mann. »Sag deinem kleinen Mädchen, daß es vernünftig sein soll. Wir können diese Sache schnell erledigen, und dann werde ich sofort verschwinden.«

»Hör nicht auf ihn!« beschwor Scrivener seine Tochter. »Dämonen sind reich. Du kannst alles von ihm verlangen, was du willst! Wirklich alles!«

»Ich sollte das vielleicht lieber erklären«, sagte Azzie. »Es ist zwar ein weitverbreiteter Aberglaube, daß Dämonen reich sind, aber ich kann euch versichern, daß er nicht zutrifft. Dämonen können nur Wünsche innerhalb ihrer persönlichen Möglichkeiten erfüllen. So könnte euch beispielsweise nur ein mächtiger Dämon großen Reichtum gewähren. Ich dagegen bin nur ein armer Dämon, der nach dem Regierungstarif besoldet wird.«

»Ich möchte eine neue Puppe«, sagte Brigitte zu ihrem Vater. Azzie spannte sich an und beugte sich vor. Da Brigitte nicht zu ihm gesprochen hatte, waren die Voraussetzungen für einen korrekt geäußerten Wunsch nicht ganz erfüllt. Wenn sie es aber noch einmal wiederholte –

»Eine Puppe, Brigitte?« fragte er. »Ich kann dir die schönste Puppe der ganzen Welt besorgen. Du hast doch bestimmt schon von der Königin des Nordens gehört, nicht wahr? Sie hat ein ganz besonderes kleines Puppenhaus mit winzigen Figuren, die die Hausarbeit machen, mit Kuschelmäusen, die hin und her laufen, und noch viele andere Sachen, an die ich mich jetzt nicht mehr erinnere. Soll ich es für dich holen?«

»Warte!« schrie Scrivener, der Brigitte noch immer festhielt. »Er versucht, uns zu überlisten, Tochter. Dieser Dämon kann Wunder vollbringen. Er kann dich reich oder zu einer Prinzessin machen…«

»Nichts dergleichen«, unterbrach Azzie.

»Verlange irgend etwas Großes!« befahl Scrivener. »Oder, noch besser, gib mir deinen Wunsch. Dann werde ich mir genug wünschen, damit wir beide reich sind, und ich werde dir mehr Puppenhäuser kaufen, als du dir im Traum vorstellen kannst.«

»Muß ich dann immer noch nach dem Essen abwaschen?« wollte Brigitte wissen.

»Nein, dafür werden wir einen Diener anstellen«, sagte Scrivener.

»Und muß ich dann nicht mehr die Kühe melken, die Hühner füttern und all die anderen Hausarbeiten machen?«

»Natürlich nicht!« versicherte Scrivener.

»Glaub ihm nicht, Brigitte!« warnte Azzie. »Ich sage dir, was das Beste wäre. Bitte mich einfach, dir etwas Hübsches zu bringen, und laß dich überraschen. Was meinst du dazu, hm?«

»Hör nicht auf ihn«, drängte Scrivener. »Du mußt dir wenigstens ein großes Landgut wünschen.«

»Hör nicht auf ihn«, sagte Azzie. »Er schimpft immer herum und ist grob zu dir, stimmt’s? Aber ich erinnere mich an eine Zeit, da war er sehr froh, Hilfe von mir zu bekommen.«

»Was erzählst du da?« wollte Scrivener wissen. »Ich habe dich noch nie zuvor gesehen.«

»Das glaubst du«, erwiderte Azzie. »Brigitte, welche Farbe soll dein Puppenhaus haben?«

»Wo sollen wir uns begegnet sein?« fragte Scrivener.

»Was ich wirklich will«, begann Brigitte, »ist…«

»Warte!« schrie Scrivener. »Wenn du irgend etwas Lächerliches verlangst, gerbe ich dir das Fell, kleines Fräulein.«

»Ich wünschte, du würdest aufhören, mich anzuschreien!« heulte Brigitte.

»Das kann ich für dich erledigen«, sagte Azzie und vollführte eine Geste.

Thomas Scrivener öffnete den Mund, brachte jedoch kein Wort hervor. Er mühte sich ab, seine Zunge bewegte sich hektisch, seine Wangen blähten sich auf und erschlafften wieder, doch er konnte keinen Laut von sich geben.

»Was hast du gemacht?« fragte Brigitte.

»Deinen Wunsch erfüllt«, antwortete Azzie. »Er wird dich jetzt nicht mehr anschreien. Weder dich noch sonst jemanden.«

»Das ist unfair!« protestierte Brigitte. »Ich habe mit meinem Papa und nicht mit dir gesprochen! Du schuldest mir immer noch einen Wunsch!«

»Komm schon, Brigitte«, sagte Azzie. »Also gut, dann nenn mir endlich deinen Wunsch. Ich muß von hier verschwinden.«

Thomas Scrivener versuchte zu sprechen. Sein Gesicht war purpurrot angelaufen, seine Augen traten wie hartgekochte Eier aus ihren Höhlen. Er bot einen spektakulären Anblick, und Brigitte brach in Gelächter aus, verstummte dann aber urplötzlich wieder. Irgend etwas tauchte in der Luft auf.

Es nahm feste Gestalt an, und da stand Ylith. Sie wirkte zerzaust. Rauchfäden kräuselten sich vom Ende ihres Besens hervor.

»Azzie!« rief sie. »Nur gut, daß du mir von dieser Wunschgeschichte erzählt hast und ich mich daran erinnert habe. Gibt es Probleme?«

»Das ist doch offensichtlich, oder?« fragte Azzie zurück. »Ich versuche schon ziemlich lange, die Kleine dazu zu bringen, mir ihren Wunsch zu nennen, damit ich ihn erfüllen und wieder verschwinden kann. Aber sie und ihr Vater streiten sich die ganze Zeit darüber, was für ein Wunsch das sein sollte.«

Thomas Scrivener machte eine flehende Geste in Yliths Richtung.

»Was hast du mit ihm angestellt?« wollte Ylith wissen.

»Tja, Brigitte wollte, daß er den Mund hält, und das habe ich für sie erledigt.«

»O Azzie, laß diesen Unfug. Kleines Mädchen, was möchtest du werden, wenn du groß bist?«

Brigitte überlegte. »Als ich klein war, wollte ich eine Prinzessin werden.«

»Ich weiß nicht, ob Azzie das bewerkstelligen kann«, sagte Ylith.

»Aber das will ich jetzt nicht mehr«, fuhr Brigitte fort. »Jetzt möchte ich eine Hexe werden!«

»Warum willst du das?«

»Weil du eine Hexe bist«, erklärte Brigitte. »Ich möchte so wie du sein, auf einem Besenstiel reiten und Leute verzaubern.«

Ylith lächelte. »Was meinst du, Azzie?«

»Eine Hexe mehr, was für eine Rolle spielt das schon?« fragte Azzie. »Ist das dein Wunsch, Kleine? Du möchtest eine Hexe werden?«

»Ja!« erwiderte Brigitte fest.

Azzie sah Ylith an. »Und was meinst du?«

»Nun, ich nehme tatsächlich hin und wieder eine Schülerin an. Brigitte ist zwar noch etwas zu jung, aber in einigen Jahren…«

»O ja, bitte!« bettelte Brigitte.

»Also gut«, gab Ylith nach.

»Na schön«, sagte Azzie. »Du sollst deinen Wunsch haben, Kleines. Und jetzt laß mich hier raus.«

»Gib meinem Vater zuerst die Stimme zurück.«

Azzie kam ihrer Aufforderung nach. Thomas Scrivener holte aus, um seiner Tochter eine saftige Ohrfeige zu verpassen, mußte aber die unerfreuliche Erfahrung machen, daß sein Arm von einer unsichtbaren Kraft festgehalten wurde.

»Was hast du mit ihm gemacht?« wollte Brigitte von Ylith wissen.

»Das war ganz einfache Magie«, erwiderte Ylith. Sie drehte sich zu Scrivener um und sagte: »Behandle dein kleines Mädchen anständig. In ein paar Jahren wird sie in der Lage sein, dich in Mäusepastete zu verwandeln. Und du wirst auch mit mir rechnen müssen.«

TERZ

KAPITEL 1

Nachdem Brigitte Azzie aus seiner Gefangenschaft erlöst hatte, band Ylith zwei Besenstiele mit einem kräftigen Hanfseil zusammen und flog mit Azzie, der hinter ihr saß und sich an ihr festklammerte, zurück nach Augsburg. Es war ein herrliches Gefühl, die Arme des jungen virilen Dämons um ihren Körper zu spüren. Als seine Klauen versehentlich ihre Brüste streiften, überlief sie ein wohliger Schauder. Was für eine Wonne es war, mit dem Geliebten hoch über den Wolken dahinzufliegen! Für eine Weile vergaß sie alle Gedanken an Sünde und Sünder, an Gut und Böse, während sie ausgelassen durch das klare Blau des Himmels schoß und über violettgetönte Wolken hinwegsetzte, die sich vor ihren Augen auflösten und erneut formten. Auch Azzie genoß die Kapriolen, drängte Ylith aber, sich zu beeilen. Sie mußten das Pärchen von den Harpyien abholen.