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»Ich werde dafür sorgen, daß dir nichts zustößt«, versprach Azzie. »Vertrau deinem alten Onkel Azzie. Habe ich dich jemals in Schwierigkeiten gebracht?«

»Und dazu wirst du auch diesmal keine Gelegenheit bekommen«, erwiderte der Prinz. »Ich werde die Reise nämlich nicht antreten.«

»Sieh dir wenigstens mal ihr Bild an«, bat Azzie und zeigte dem Märchenprinzen das Miniaturgemälde. »Na, was meinst du?«

»Sie sieht ganz passabel aus«, sagte der Prinz in einem völlig gleichgültigen Tonfall.

»Hübsch, was?« hakte Azzie nach.

»Auf eine gewöhnliche Art.«

»Schöne strahlende Augen, oder?«

»Zweifellos astigmatisch.«

»Und erst der Mund!«

»Ein normaler Mund«, sagte der Prinz.

»Winzig und zart!«

»Ziemlich klein«, räumte der Jüngling ein.

»Sie ist bezaubernd, nicht wahr?«

»Sie ist ganz in Ordnung, nehme ich an«, entgegnete der Märchenprinz. »Aber ich bin noch zu jung, um jetzt schon für den Rest meines Lebens eine Prinzessin am Hals zu haben. Ich hatte ja noch nicht mal eine Verabredung.«

Sein fehlendes Interesse war erschreckend. Damit hatte Azzie nicht gerechnet. Als ein einigermaßen typischer Dämon befand er sich gewöhnlich in einer lüsternen Stimmung. Die bloße Vorstellung, daß sich der Prinz so blasiert gegenüber der wunderschönen Prinzessin verhalten konnte, erstaunte ihn. Außerdem ärgerte es ihn, und wenn er genauer darüber nachdachte, machte er sich Sorgen.

Vergeblich versuchte er, auf die Reize der Prinzessin hinzuweisen. Der Märchenprinz begegnete ihnen mit einer verheerenden Gleichgültigkeit, die Azzies Gefühle verletzte, denn schließlich war Prinzessin Rosenrot seine Schöpfung. Anderseits aber konnte er dem Prinzen deswegen nicht allzu böse sein, da er ihn ebenfalls erschaffen hatte und deshalb mehr oder weniger selbst für dessen Einstellung verantwortlich war.

Die Dinge nahmen einen Verlauf, den Azzie nicht erwartet hatte. Ihm war nie in den Sinn gekommen, daß sein Prinz sich nicht augenblicklich in Prinzessin Rosenrot verlieben könnte. Nachdem seine Feigheit jetzt einigermaßen unter Kontrolle war, schien er sich als Romantikmuffel zu erweisen.

»Verdammt!« stieß Azzie hervor und knirschte mit den Zähnen. »Oh, verdammt! Noch ein Konstruktionsfehler!«

Es war eine höllische Situation.

KAPITEL 3

An diesem Abend schaffte er sich den Märchenprinzen durch einen magischen Schlaf vom Hals. Dann eilte er in sein Beschwörungszimmer, wo Frike summend damit beschäftigt war, Phiolen mit Agius regae, Blutwurz, Stinkender Nieswurz und anderen Kräutern und Substanzen abzustauben, die für zauberkundige Dämonen von Nutzen sind.

»Stell den Mist zur Seite«, befahl Azzie. »Ich muß eine Beschwörung machen. Bring mir einen Zehntelliter Fledermausblut, ein paar Dämonenwarzen und eine Achtelpinte Schwarze Nieswurz.«

»Wir haben keine Schwarze Nieswurz mehr«, sagte Frike. »Geht es auch mit Krötenwarzen oder irgend etwas anderem?«

»Ich dachte, ich hätte dir aufgetragen, für ausreichende Vorräte zu sorgen.«

»Es tut mir leid, Gebieter. Ich habe Geschmack daran gefunden.«

Azzie schnaubte. »Das Zeug hemmt dein Wachstum und läßt dir Haare aus den Handflächen sprießen«, behauptete er. »Dann bring mir etwas von den Heliogabuluswurzeln. Das muß dann eben reichen.«

Frike holte die Wurzeln und legte sie nach Azzies Anweisungen um ein Pentagramm aus Perlmutt, das in den Steinfußboden eingelassen war. Er zündete die schwarzen Kerzen an, worauf Azzie einen Beschwörungsgesang anstimmte. Die Wörter enthielten eine Menge doppelter abgehackter Kehllaute, die für die uralte Sprache des Bösen typisch sind. Bald darauf stiegen graue und purpurrote Rauchfäden aus dem Kreis auf. Sie dehnten sich aus, wurden dichter und höher und verfestigten sich schließlich zu der hochgewachsenen Gestalt von Hermes Trismegistus.

»Heil dir, du Großer«, sagte Azzie.

»Hallo, Kleiner«, erwiderte Hermes. »Was hast du für ein Problem?«

Azzie berichtete von seinen Schwierigkeiten mit dem Märchenprinzen.

»Es war ein Fehler, ihm von der Prinzessin zu erzählen, Azzie«, erklärte Hermes. »Du hast irrtümlicherweise angenommen, daß die Dinge im richtigen Leben genauso wie im Märchen ablaufen, daß der Märchenprinz sich nach einem Blick auf das Miniaturgemälde unsterblich in Prinzessin Rosenrot verlieben würde.«

»Passiert es denn nicht auf diese Weise?«

»Nur im Märchen.«

»Aber das ist ein Märchen!«

»Nein, noch ist es das nicht«, stellte Hermes klar. »Wenn alles vorbei ist und die Geschichte von einem Barden nacherzählt wird, dann ist es ein Märchen. Im Augenblick treffen diese Voraussetzungen noch nicht zu. Du kannst nicht einfach einem jungen Mann ein Bild zeigen und erwarten, daß er sich in die Abbildung verliebt. Du mußt Psychologie einsetzen.«

»Ist das ein besonderer Zauber?« fragte Azzie.

Hermes schüttelte den rauchumwölkten Kopf. »Es ist etwas, das wir eine Wissenschaft nennen, die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten. Noch gibt es nichts Vergleichbares auf der Welt, was auch der Grund ist, warum alle Menschen so wankelmütig sind. Sie wissen nicht, warum sie was tun, eben weil es keine Psychologie gibt.«

»Gut, und was soll ich jetzt tun?«

»Zuerst mußt du alle Erinnerungen des Märchenprinzen an das löschen, was du ihm über Rosenrot erzählt hast. Das kannst du mit einer kleinen Dosis Lethewasser erreichen. Nimm nicht zuviel, gerade genug, daß er seine letzten Gespräche mit dir vergißt.«

»Und dann?«

»Das erzähle ich dir danach.«

Es bereitete keine Schwierigkeiten, Lethewasser zu beschaffen. Hermes brachte es in einem kleinen Kristallfläschchen, und Azzie verabreichte es dem Märchenprinzen. An diesem Abend aßen Azzie und sein Zögling gemeinsam im großen walnußholzgetäfelten Speisesaal. Frike servierte, wobei er wie üblich durch seinen hinkenden Gang etwas Suppe verschüttete.

»Übrigens, Prinz, ich werde für eine Weile verreisen«, sagte Azzie, nachdem der dampfende Braten abgeräumt war und sie den Nachtisch in Form von Cremekuchen verspeist hatten.

»Wohin, Onkel?«

»Ich habe einige Geschäfte zu erledigen.«

»Was für Geschäfte, Onkel?«

»Meine Geschäfte brauchen dich nicht zu interessieren. Frike! Bring mir die Schlüssel!«

Frike humpelte davon und schlurfte mit einem großen Schlüsselbund zurück, der an einem Eisenring befestigt war.

»Paß jetzt genau auf, Prinz«, sagte Azzie. »Ich vertraue die Schlüssel des Anwesens deiner Obhut an. Der große hier ist für die Vordertür. Der kleine öffnet die Hintertür und der andere kleine die Stalltür. Das ist der Schlüssel für den Keller, wo wir den Wein, das Bier und das Pökelfleisch aufbewahren. Dieser hier mit den Schnörkeln ist für meine Truhe mit den Zaubermitteln. Wenn du willst, kannst du mit ihnen spielen, sie sind zur Zeit nicht geladen.«

»Ja, Onkel.« Der Märchenprinz nahm den Bund entgegen. Ein kleiner Silber Schlüssel mit feinen Verzierungen auf dem Schaft erregte seine Aufmerksamkeit. »Was ist mit dem da?« wollte er wissen.

»Ach, der«, sagte Azzie. »Habe ich ihn am Schlüsselring gelassen?«

»Ja, Onkel.«

»Nun, benutz ihn nicht.«

»Aber wofür ist er?«

»Für die kleine Tür am Ende meines Schlafzimmers. Und mit dem anderen Ende kann man eine kleine Eichenholzkiste mit Bronzeverschlägen im Raum dahinter öffnen. Aber du darfst nicht durch diese Tür gehen, und du darfst die Truhe nicht öffnen.«

»Warum nicht, Onkel?«

»Es würde zu lange dauern, es dir zu erklären«, erwiderte Azzie.

»Ich habe viel Zeit«, sagte der Märchenprinz.

»Die hast du allerdings, und es ist auch alles, was du hast, nicht wahr? Aber ich habe keine Zeit. Ich muß sofort aufbrechen. Glaub mir einfach, es hätte keine guten Auswirkungen, wenn du diese Tür öffnen würdest. Tu es also nicht.«