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»Ja, Onkel.«

»Pfadfinderehrenwort?«

Der Märchenprinz hob die rechte Hand zum Gruß der Pfadfinder der Ritterschaft, einer neuen Organisation für junge Ritter in der Ausbildung. »Ich schwöre, Onkel.«

»Guter Junge. Und jetzt muß ich los. Leb wohl, Bursche.«

»Leb wohl, Onkel.«

Der Prinz begleitete Azzie zum Stall, wo dieser einen feurigen Araberhengst bestieg.

»Ganz ruhig, Belshazzar!« rief Azzie. »Nochmals, leb wohl, Neffe. Ich bin in ein paar Tagen zurück, spätestens in einer Woche.«

Der Märchenprinz und Frike winkten ihm hinterher, bis er außer Sicht verschwunden war.

Eine Stunde später (eine kurze Stunde später, da die Sanduhr ziemlich schnell lief) sagte der Prinz zu Frike: »Mir ist langweilig.«

»Noch eine Runde Rheumie?« fragte Frike und mischte die Karten.

»Nein, ich habe keine Lust mehr auf Kartenspiele.«

»Was möchtet Ihr denn dann tun, junger Herr? Rasentennis? Wurfringspiel? Ringen?«

»Ich habe alle diese Larifarizeitvertreibe satt«, sagte der Märchenprinz. »Fällt dir nichts Interessantes ein?«

»Sollen wir auf die Jagd gehen?« schlug Frike vor. »Angeln? Drachen steigen lassen?«

»Nein, nein…« Der Märchenprinz kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und sah dann auf. Sein Gesicht wurde lebendig. »Ich weiß was!«

»Ich stehe Euch zu Diensten, Sire.«

»Laß uns einen Blick in den Raum werfen, den ich nicht betreten soll.«

Frike war gut vorbereitet. Er unterdrückte das Lächeln, das in ihm aufstieg, und sagte: »Das sollten wir lieber nicht tun!«

»Wirklich nicht?«

»Ganz bestimmt nicht, Sire. Der Meister würde furchtbar wütend werden.«

»Aber er brauchte doch nichts davon zu erfahren, oder?«

Frikes Gesichtsausdruck verriet, daß ihm dieser Gedanke noch gar nicht in den Sinn gekommen war. »Ihr meint… ihm nichts davon erzählen?«

»Genau das meine ich.«

»Aber wir verschweigen dem Gebieter doch nie etwas!«

»Laß uns diesmal eine Ausnahme machen.«

»Und warum?«

»Weil es ein Spiel ist, Frike, deshalb.«

»Oh… ein Spiel.« Frike schien zu überlegen. »Ich schätze, das wäre in Ordnung, solange es nur ein Spiel ist. Seid Ihr Euch sicher, daß es ein Spiel ist?«

»Frike, ich schwöre, es ist nur ein Spiel.«

»Also schön«, gab Frike nach, »wenn es nur ein Spiel ist…«

»Dann los!« rief der Märchenprinz und sprang die Treppe hinauf, wobei er mit jedem Satz vier Stufen auf einmal nahm. Die Schlüssel klirrten in seiner Hand.

Azzie hatte sein Pferd im Wald untergestellt und war zu Fuß zurückgekehrt – oder besser gesagt, er war zurückgeflogen, da er ein voll funktionstüchtiges Paar Schwingen unter seiner prächtigen Tunika trug. Jetzt schwebte er draußen vor dem Anwesen in Höhe des Schlafzimmerfensters und lächelte in sich hinein. Er hatte noch nie zuvor von diesem Psychologiezeug gehört, das Hermes ihm erklärt hatte, aber bisher schien alles glattzugehen.

KAPITEL 4

Ylith war gerade dabei, eine Decke über Prinzessin Rosenrot auszubreiten, die während einer Unterhaltung unvermittelt eingeschlummert war, als ein Klopfen am Tor des Schlosses aufklang. Es war nicht Azzies Art zu klopfen, und Ylith konnte sich nicht vorstellen, wer sie sonst auf dem Gipfel des gläsernen Berges besuchen sollte. Sie ließ das Mädchen zwischen den Armlehnen des riesigen Sessels im Salon zurück und eilte durch die große Vorhalle des Schlosses. Das Klopfen wiederholte sich, als sie den Marmorraum mit der hohen Decke durchquerte.

Sie entriegelte die normalgroße Seitentür neben dem gewaltigen Tor, öffnete sie und sah hinaus. Vor ihr stand ein hochgewachsener, nicht unattraktiver Mann. Er trug weiße und goldene Kleidung und erwiderte lächelnd ihren Blick.

»Ja?« fragte Ylith.

»Gehe ich fehl in der Annahme, daß dies das Schloß der Schlummernden Schönheit, Prinzessin Rosenrot, ist?« erkundigte er sich.

»Nein, Ihr geht nicht fehl«, erwiderte sie. »Aber Ihr könnt nicht der Märchenprinz sein, oder? Es ist noch etwas zu früh, und Ihr habt auch nicht die richtigen Augen… nicht, daß ich etwas gegen große blaue Augen einzuwenden hätte.«

»O nein«, entgegnete der Fremde. »Mein Name ist Babriel. Ich bin der Beobachter von den Mächten des Lichtes. Ich bin bei Azzie zu Gast, und ich dachte mir, ich schaue einfach mal vorbei und sehe mir das andere Ende des Unternehmens an. Läuft alles reibungslos?«

»Aber ja«, sagte Ylith. »Wollt Ihr nicht eintreten?«

»Sehr gern, danke.«

»Ich bin Azzies… Partnerin in dieser Angelegenheit. Meine Name ist Ylith. Sehr erfreut, Euch kennenzulernen.«

Sie streckte ihm die Hand entgegen. Babriel ergriff sie und hob sie an seine Lippen.

»Oh…«, machte Ylith und starrte ihre Hand an, die in der seinen lag. »Äh… folgt mir bitte hier entlang. Ich bringe Euch zur Prinzessin. Im Augenblick schlummert sie natürlich.«

»Natürlich«, erwiderte Babriel, der erst jetzt zu bemerken schien, daß er noch immer ihre Hand hielt. Er ließ sie schnell los. »Wenn es Euch genehm ist.«

»Gewiß, gewiß.«

Sie drehte sich um und führte ihn durch die Halle.

»Eine schöne Halle«, stellte er fest.

»Danke.«

»Seid Ihr und Azzie schon lange zusammen?«

»Also, wir kennen uns seit Ewigkeiten. Aber wir sind im Augenblick nicht direkt… zusammen. Von diesem Projekt einmal abgesehen, meine ich.«

»Ihr habt Euch einen klugen Beitrag ausgedacht.«

»Vermutlich. Das alles war Azzies Idee. Ich helfe ihm nur. Den alten Zeiten zuliebe.«

»Ich verstehe«, sagte Babriel. »Die Bruderschaft des Bösen und so. Und natürlich auch die Schwesternschaft«, verbesserte er sich hastig.

»So ähnlich. Hier entlang«, bat sie und führte ihn aus der Vorhalle in den Salon. »Da ist sie, die Schlummernde Schönheit. Hübsch, nicht wahr?«

»Bezaubernd«, stellte er fest.

Ylith errötete, als sie bemerkte, daß er dabei sie ansah. Gleich darauf wurde er von einem magischen Husten geschüttelt.

»Dürfte ich Euch etwas zu trinken anbieten?« erkundigte sie sich. »Vielleicht eine kleine Jauche?«

»Sehr gern.«

»Nehmt bitte Platz. Macht es Euch bequem.«

Sie eilte davon und kehrte kurz darauf mit zwei Gläsern zurück.

»Bitte sehr«, sagte sie. »Ich dachte, ich leiste Euch Gesellschaft.«

»Vielen Dank.« Er trank einen kleinen Schluck. Ylith setzte sich neben ihn.

»Ich vermute, das Projekt kommt gut voran«, wiederholte sich Babriel.

»Also, soweit ich weiß, hat Azzie gewisse Probleme«, erwiderte Ylith.

»Ihr müßt ihm eine große Hilfe und ein großer Halt sein.«

»Ich habe keine Ahnung. Er war in letzter Zeit nicht gerade sehr gesprächig.«

»Ich verstehe nicht…«

»Als wir das letzte Mal gesprochen haben, war er etwas… unterkühlt. Es könnte sein, daß er größere Probleme hat, als mir klar ist, es könnte aber auch sein…«

»Was?«

»Daß er nun einmal ganz einfach so ist – mir gegenüber.«

Eine Weile tranken sie schweigend. »Ich schätze, es ist die Natur des Bösen, gemein zu sein«, bemerkte Babriel schließlich. »Sogar Freunden und Verbündeten gegenüber.«

Ylith wich seinem Blick aus. »Er war nicht immer so zu mir.«

»Oh!«

»Eure Seite ist in dieser Beziehung netter, nehme ich an.«

»Das hoffe ich doch sehr.«

»Aber das müßt Ihr ja auch… Die Natur der Dinge und so.«

»Vermutlich. Aber ich denke gern, daß wir netter sind, weil wir es wirklich so wollen. Dann fühlen wir uns einfach gut.«