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»Gemach, edler Herr, ich bin der Märchenprinz«, erwiderte der Jüngling. »Und ich bin auf der Reise, um die Prinzessin Rosenrot aus ihrem verzauberten Schlaf zu erlösen.«

»Ha!« machte der Ritter.

»Wieso macht Ihr ›ha‹?« wollte der Prinz wissen.

»Weil es mir beliebt, einen geringschätzigen Laut angesichts Eurer harmlosen und völlig unbedeutenden Mission auszustoßen.«

»Darf ich daraus schließen, daß Eure Mission bedeutender ist?«

»Gewiß ist sie das!« entgegnete der Mann voller Überzeugung. »Denn wisset, junger Mann, daß ich Parzival bin, und meine Suche gilt nichts Geringerem als dem Heiligen Gral.«

»Ach, der Heilige Gral«, sagte der Märchenprinz. »Ist der wirklich in dieser Gegend?«

»Selbstverständlich ist er das. Dies ist der Zauberwald. In ihm existieren alle Dinge, und der Heilige Gral ist mit Sicherheit hier zu finden.«

»Was ist mit der Frau?« erkundigte sich der Prinz.

»Wie bitte?«

»Diese Frau, die Ihr da an den Haaren haltet.«

Parzival blickte an seiner Hand hinab. »Ach, die. Sie hat nichts zu bedeuten.«

»Aber was tut Ihr mit ihr?«

»Muß ich es Euch ganz genau erklären?«

»Natürlich nicht! Was ich meine…«

»Ich weiß, was Ihr meint«, fiel ihm Parzival ins Wort. »Sie ist hier, damit ich was zu spielen habe, bis der Gral auftaucht.«

»Ich verstehe«, sagte der Märchenprinz. »Übrigens, braucht Ihr Euer Pferd?«

»Mein Pferd?« fragte der Ritter.

»Ich dachte nur, es könnte nicht schaden zu fragen. Denn solltet Ihr es nicht benötigen, ich könnte es bestimmt gebrauchen. Es ist größer und stärker als das meine.«

»Das ist das Verrückteste, was ich seit langem gehört habe«, stellte Parzival fest. »Dieser Ritterjunge, der kaum trocken hinter den Ohren ist, kommt doch tatsächlich in mein Lager geritten und will wissen, ob ich mein Pferd brauche. Also, nein, gewiß nicht, Bursche. Wenn Ihr es wollt, könnt Ihr es haben.«

»Danke.« Der Märchenprinz glitt aus dem Sattel. »Das ist wirklich außerordentlich freundlich von Euch.«

»Aber zuerst«, fügte Parzival hinzu, »müßt Ihr mit mir darum kämpfen.«

»Ich hatte befürchtet, daß es mit einer Bedingung verknüpft sein würde.«

»Ja, das ist die Bedingung. Wie ich sehe, besitzt Ihr ein Glücksschwert.«

»In der Tat«, entgegnete der Märchenprinz, zog es aus der Scheide und hielt es dem anderen hin. »Hübsch, nicht wahr?«

»Hübsch«, stimmte ihm der Ritter zu, »aber natürlich ist es kein Zauberschwert wie das meine.« Er zog es und zeigte es dem Prinzen.

»Ich nehme nicht an«, vermutete dieser, »daß ein Schwert wie das meine viel gegen eins wie das Eure ausrichten könnte.«

»Nun, um ganz offen zu sein, das glaube ich kaum«, sagte Parzival. »Glücksschwerter sind nicht schlecht, aber im Kampf gegen ein echtes Zauberschwert könnt Ihr nicht viel von ihnen erwarten.«

»Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Hört mal, müssen wir wirklich kämpfen?«

»Ich fürchte, das müssen wir«, erwiderte Parzival und griff an.

Der Märchenprinz sprang zur Seite und schwang sein Glücksschwert. Die Klingen prallten mit einem unheimlichen Geräusch aufeinander, gefolgt von einem noch unheimlicheren Geräusch, als die Klinge des Prinzen zerbrach.

»Gewonnen!« schrie Parzival und holte mit seinem Zauberschwert zum tödlichen Schlag aus. »Gnarrg!«

Der Märchenprinz sah sein Ende gekommen, und so benutzte er die ihm verbleibenden Sekunden, um seine Erinnerungen noch einmal Revue passieren zu lassen, was in seinem Fall nicht allzu lange dauerte.

Aber seine Zeit auf Erden war noch nicht vorbei. Da sein Schwert ein Glücksschwert gewesen war, und zwar ein sehr gutes Exemplar seiner Gattung, hatte sich beim Zerspringen der Klinge ein scharfer schimmernder Metallsplitter gelöst, der auf Parzivals Kehle zuschoß und genau dort einschlug, wo die Halsberge einen winzigen Streifen seiner Kehle freiließ.

Das war der Grund für das »Gnarrg!« gewesen, das Parzival ausgestoßen hatte, bevor er mit einem dumpf widerhallenden Laut zu Boden stürzte.

»Tut mir leid, aber Ihr habt es ja so gewollt«, sagte der Märchenprinz. Er drehte sich um und ließ den Ritter zurück. Wahrscheinlich würde schon bald irgend jemand hier vorbeikommen, der den Mann begraben konnte.

»Nehmt das prächtige Schwert«, verlangte eine Stimme.

»Wer hat das gesagt?« fragte der Prinz.

»Ich«, antwortete Parzivals Schwert. »Und nehmt auch das Pferd.«

»Wer bist du?« wollte der Märchenprinz wissen.

»Man nennt mich Excalibur«, erwiderte das Schwert.

»Und was erzählt man sich über dich?«

»Lest meine Runen.«

Der Märchenprinz hob das Schwert auf und betrachtete die glänzende Klinge. Dort waren tatsächlich Runen eingraviert, die er allerdings nicht lesen konnte. Er sah das Schwert voller Respekt an und fragte: »Warum hast du mit mir gesprochen?«

»Eigentlich sollte ich das nicht tun«, gestand Excalibur, »aber ich konnte einfach nicht zulassen, daß Ihr davongeht und mich hier liegen laßt. Dann wäre ich arbeitslos, und ich Hebe meine Arbeit. Ihr werdet feststellen, daß ich sehr nützlich bin. Wenn Euch irgend jemand Ärger machen will, muß er es erst mit mir aufnehmen.«

»Haltet ein, edler Herr!« rief die Maid, als sich der Märchenprinz dem Pferd zuwandte, und richtete sich aus ihrer halb zusammengesackten Haltung auf. »Ich flehe Euch an, steht mir bei, wie es Euch der ritterliche Eid gebietet.«

»An welche Art des Beistands habt Ihr dabei gedacht?« erkundigte sich der Prinz, der sich an keinen ritterlichen Eid erinnern konnte.

»Ich bin ein Walküre«, erklärte die Frau. »Dieser Mann hat mich auf einem Schlachtfeld überwältigt, indem er seinen Tod vorgetäuscht hat, um mich anzulocken. Ich kann jetzt nur nach Hause ins Walhalla zurückkehren, wenn ich die Regenbogenbrücke herbeirufe und eine geeignete Trophäe mitbringe. Könnt Ihr mir helfen, mein Horn zu finden, das er mir entwendet hat?«

»Das dürfte sehr einfach sein«, erwiderte der Märchenprinz, »falls es sich um das Schneckenhorn handelt, in das ich bei meiner Ankunft geblasen habe. Ist es dasjenige, das dort an der Standarte neben dem Zelt hängt?«

»Das ist es tatsächlich«, sagte die Walküre. Sie ging zu dem Horn, setzte es an die Lippen und entlockte ihm einen unheimlichen Laut.

Im gleichen Moment fiel das Ende eines Regenbogens vom Himmel und verfehlte den Märchenprinzen nur knapp.

»Ich danke Euch, edler Herr«, sagte die Frau und begann, Parzivals Rüstung zusammenzuraffen.

»Wollt Ihr den toten Ritter denn nicht mitnehmen?« fragte der Märchenprinz. »Ich dachte, Walküren würden das tun.«

»Ich habe keine Verwendung für einen Ritter, der sich nicht an seinen Mythos halten kann«, stellte sie fest. »Andererseits sind gute Rüstungen nicht leicht zu finden.« Sie klopfte mit einem scharfgefeilten Fingernagel gegen den Brustpanzer, trug die Einzelteile zum Regenbogen und warf dem Prinzen einen Kuß zu. »Wir sehen uns wieder!« rief sie und verschwand in einem Lichtblitz.

Der Märchenprinz ritt auf dem Schlachtroß durch den Wald, das Schwert Excalibur auf den Rücken geschnallt, und zog sein altes Pferd am Zügel hinter sich her. Es war herrlich, das Schwert im Rücken zu spüren. Nach einer Weile hörte er ein leises Murmeln knapp unter seinem rechten Ohr und begriff, daß es Excalibur war, das Selbstgespräche führte.

»Was ist los?« fragte er.

»Nichts besonderes. Nur ein Anflug von Rost.«

»Rost!« Der Märchenprinz zog Excalibur aus der Scheide und untersuchte die glänzende Klinge. »Ich kann nichts entdecken.«

»Ich spüre sein Nahen«, behauptete das Schwert. »Ich muß geschmiert werden.«