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»Der verzauberte Wald!« rief Azzie. »Wo ist der?«

»Welcher verzauberte Wald?« riefen die Dorfbewohner zurück.

»Derjenige mit dem verwunschenen Schloß, in dem die Schlafende Prinzessin liegt!«

»Etwa zwei Meilen dort entlang!« riefen die Dorfbewohner und deuteten in die Richtung, aus der Azzie gerade gekommen war.

Azzie erhob sich erneut in die Luft, und wieder führten die Siebenmeilenstiefel einen Schritt von genau sieben Meilen Länge aus.

Es folgte ein nervenzermürbendes Spiel, in dessen Verlauf Azzie auszurechnen versuchte, welche Richtung er einschlagen mußte, um sein Ziel in exakt sieben Meilen messenden Schritten zu erreichen. Er benötigte eine Weile, um den richtigen Zickzackkurs festzulegen.

Und dann lag der Gipfel des magischen Berges vor ihm. Er erkannte ihn an dem Nebelschleier, der ihn einhüllte. Aber wo befand sich jetzt der Märchenprinz?

KAPITEL 3

Der Märchenprinz wanderte den ganzen Tag lang durch den Wald. Der Untergrund war einigermaßen eben, es gab etliche glitzernde Bäche, und von Zeit zu Zeit kam er an einem Obstbaum vorbei, von dem er sich sein Essen pflücken konnte. Die Sonnenstrahlen fielen schräg durch das Laubdach und vergoldeten die Blätter und Zweige. Irgendwann erreichte er eine Lichtung, auf der er Rast machte.

Als er erwachte, war der Abend hereingebrochen. Irgend etwas bewegte sich im düsteren Zwielicht. Der Prinz rappelte sich auf, verkroch sich im Gebüsch und wollte schon nach seinem Schwert greifen, als er sich wieder erinnerte, Excalibur zurückgelassen zu haben. Also zog er ein Messer, spähte durch die Zweige des Brombeerstrauchs und sah, wie ein kleines struppiges Pony auf die Lichtung trat.

»Hallo, junger Mann!« rief das Pony, blieb stehen und starrte auf den Busch.

Es überraschte den Märchenprinzen nicht, daß das Pony sprechen konnte, schließlich befand er sich in einem verzauberten Wald.

»Hallo«, erwiderte er den Gruß.

»Wohin wollt Ihr?« fragte das Pony.

»Ich suche ein verwunschenes Schloß, das irgendwo hier in der Nähe sein soll«, antwortete der Prinz. »Es ist meine Aufgabe, eine Maid namens Prinzessin Rosenrot zu retten, die dort in einem Zauberschlaf liegt.«

»Ach, mal wieder die alte Schlummernde-Prinzessin-Kiste«, sagte das Pony. »Nun, Ihr seid nicht der erste, der in dieser Gegend nach ihr sucht.«

»Wo sind die anderen?«

»Sie sind alle umgekommen«, erwiderte das Pony. »Abgesehen von einigen wenigen, die immer noch auf der Suche sind, aber demnächst ebenfalls umkommen werden.«

»Oh… Nun, das tut mir leid für sie«, sagte der Märchenprinz, »aber ich nehme an, daß die Dinge so laufen müssen. Die Geschichte hätte keinen Sinn, wenn der falsche Bursche die Prinzessin aufwecken würde.«

»Also seid Ihr der richtige Mann?« erkundigte sich das Pony.

»Der bin ich.«

»Wie heißt Ihr?«

»Man nennt mich den Märchenprinzen.«

»In Ordnung, dann seid Ihr der richtige. Man hat mich geschickt, um Euch zu suchen.«

»Wer hat dich geschickt?«

»Das darf ich jetzt noch nicht verraten«, entgegnete das Pony. »Ihr werdet später alles erfahren. Das heißt, wenn Ihr lange genug lebt.«

»Das werde ich auf jeden Fall«, versicherte der Prinz. »Schließlich bin ich der richtige.«

»Steigt auf meinen Rücken«, schlug das Pony vor. »Wir können alles weitere unterwegs besprechen.«

KAPITEL 4

Der Märchenprinz ritt auf dem Pony durch den Wald, bis sich die Bäume schließlich lichteten und er ein Feld sehen konnte, auf dem viele Zelte standen. Zwischen den Zelten schlenderten Ritter in Freizeitrüstungen umher, aßen gegrilltes Fleisch und schäkerten mit jungen Mädchen, die spitze Hüte mit zarten Schleiern trugen und Wein, Met und andere Getränke ausschenkten. Es gab sogar eine kleine Kapelle, die eine muntere Weise spielte.

»Das sieht mir nach einem freundlichen Haufen aus«, sagte der Märchenprinz.

»Glaubt das lieber nicht«, erwiderte das Pony.

»Warum nicht?«

»Vertraut mir einfach.«

Ein Teil seines Verstandes, der uraltes Wissen beherbergte, sagte dem Märchenprinzen, daß auf den Rat von struppigen kleinen Ponys, die auf geheimnisvolle Weise in Wäldern erschienen, Verlaß war. Andererseits aber wußte er auch, daß man diesem Rat nicht folgen sollte, da man nie etwas Interessantes erleben würde, wenn man immer auf die Stimme der Vernunft hörte.

»Aber ich bin hungrig«, wandte er ein. »Und außerdem kennen diese Ritter vielleicht den Weg zum verwunschenen Schloß.«

»Werft mir später nicht vor, ich hätte Euch nicht gewarnt«, sagte das Pony.

Der Prinz stieß ihm die Fersen in die Weichen, und es trottete weiter.

»Ho, da!« rief er, als er sich den Rittern näherte.

»Auch Euch ho!« riefen die Ritter zurück.

Der Märchenprinz kam noch näher.

»Seid Ihr ein Ritter?« fragte einer der Gesellen.

»Allerdings.«

»Wo ist dann Euer Schwert?«

»Das ist eine ziemlich merkwürdige Geschichte«, erwiderte der Märchenprinz.

»Wollt Ihr sie uns nicht erzählen?«

»Ich bin einem Schwert namens Excalibur begegnet«, berichtete der Jüngling. »Ich habe es zuerst für ein gutes Schwert gehalten, aber kaum hatten wir uns gemeinsam auf die Reise begeben, da sagte es mir Dinge, die Ihr nicht glauben würdet. Und es wurde immer merkwürdiger, bis ich schließlich fliehen mußte, weil es mich sonst getötet hätte.«

»Das ist also Eure Geschichte?« vergewisserte sich einer der Ritter.

»Das ist nicht meine Geschichte, das ist die Wahrheit.«

Der Ritter machte eine Geste, worauf zwei andere Ritter mit einem hellblauen Samtkissen aus einem weißen Zelt hervortraten. Auf dem Kissen lag ein Schwert. Es war zerbeult, mit Rost bedeckt, und die Parierstangen waren arg mitgenommen, aber es handelte sich unverkennbar um Excalibur.

»Ist das Euer Schwert?« fragte der Ritter.

»Ja«, bestätigte der Märchenprinz, »obwohl es nicht so ausgesehen hat, als ich es zuletzt gesehen habe.«

»Danke, Leute«, meldete sich Excalibur mit dünner, zitternder Stimme zu Wort. »Ich glaube, ich kann jetzt ohne Hilfe stehen.«

Es erhob sich von seinem Kissen, kippte dabei fast um und stand dann sicher auf der Spitze. Das helle Juwel in seinem Knauf starrte den Prinzen an, ohne zu blinzeln.

»Er ist es wirklich«, sagte Excalibur. »Das ist der Kerl, der mich auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hat.«

Die Ritter wandten sich dem Märchenprinzen zu. »Das Schwert behauptet, Ihr hättet es auf dem Schlachtfeld im Stich gelassen. Ist das wahr?«

»So war es nicht«, widersprach der Märchenprinz. »Das Schwert phantasiert.«

Das Schwert schwankte kurz und fand dann das Gleichgewicht wieder. »Meine Freunde, sehe ich etwa nicht übel zugerichtet aus?« fragte es. »Ich sage Euch, er hat mich ohne jeden Grund fortgeworfen und mich dem Rostfraß überlassen.«

Der Märchenprinz tippte sich mit dem Finger an die Stirn, um anzudeuten, daß das Ding verrückt wäre.

Die Ritter schienen nicht überzeugt zu sein. Einer sagte mit absichtlich lauter Stimme zu einem anderen: »Vielleicht ein bißchen komisch, aber eindeutig nicht verrückt.«

Wieder ein anderer Ritter, ein großer graubärtiger Mann mit raubvogelartigen Augen und den schmalen Lippen eines Anführers, zückte ein liniertes Blatt Pergament und eine Schreibfeder.

»Name?«

»Märchenprinz.«

»Vorname?«

»Das ist der ganze Name.«

»Beruf?«

»Prinz.«

»Derzeitige Tätigkeit?«

»Mission.«

»Welche Art von Mission?«

»Mythisch.«

»Inhalt der Mission?«

»Erweckung Schlummernder Prinzessin.«

»Auf welche Weise?«

»Durch einen Kuß.«