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»Oh, das ist wirklich zu schade, Meister«, sagte Frike.

»Das habe ich auch immer so gesehen«, stimmte ihm Azzie zu. »Aber ich glaube, wir können das Verbot umgehen.«

»O Herr, wie können wir das tun?«

»Frike, wie würde es dir gefallen, zur Abwechslung mal ein furchteinflößender Krieger der Rache anstatt ein kriecherischer Diener zu sein?« fragte Azzie.

»Klingt nicht schlecht«, meinte Frike. »Und wie soll das gehen, Gebieter?«

»Wir haben noch eine Menge Körperteile übrig«, erklärte Azzie, »und ich bin ein Meister in der Erschaffung menschlicher Skulpturen. Komm mit. Leg dich auf die Marmorplatte dort drüben.«

»Herr, ich bin mir nicht sicher, ob das eine so wunderbare Idee ist.«

»Halt den Mund!« herrschte Azzie ihn an. »Widersprich mir nicht. Denk daran, daß ich deine Persönlichkeit genauso leicht wie deinen Körper austauschen kann.«

»Ja, Meister.« Frike legte sich gehorsam auf den Tisch. Azzie ergriff ein Skalpell und wetzte es an seinem Absatz.

»Wird es weh tun?« wollte Frike wissen.

»Selbstverständlich wird es weh tun«, erwiderte Azzie. »Die Anästhesie ist noch nicht erfunden worden.«

»Wer, habt Ihr gesagt, ist noch nicht erfunden worden? Anne wer?«

»Zerbrich dir darüber nicht den Kopf, und beiß die Zähne fest zusammen. Ich beginne jetzt zu schneiden.«

KAPITEL 2

Der Märchenprinz lehnte sich aus einem der hohen Fenster des verwunschenen Schlosses. Er war guter Laune, fühlte sich entspannt und zufrieden. Das bewirkt die Liebe bei einem Mann, zumindest eine Zeit lang, und der Prinz erlebte gerade den ersten Taumel.

Trotzdem war es beunruhigend zu beobachten, wie Teile und Stücke des Zauberschlosses verschwanden.

Er betrachtete die Ställe. Sie waren zur Hälfte verschwunden, während er in die andere Richtung gesehen hatte. Er rief sich ins Gedächtnis zurück, daß sie das Schloß möglichst bald verlassen mußten. Es würde nicht mehr lange existieren, wenn die Schutzzauber weiterhin so schnell nachließen.

»Liebling! Komm runter! Unsere Gäste möchten dich kennenlernen!«

Rosenrots Stimme schwebte die Treppe hinauf in das Schlafzimmer, wo der Prinz eigentlich seine Tunika anlegen sollte. Er wollte makellos gekleidet sein, denn er wußte, daß dieses Fest ein großes Ereignis für Rosenrot darstellte. Diesmal war sie es gewesen, die Aschenbrödel und andere Märchenfreunde hatte einladen können. Der Prinz war sich nicht ganz sicher, wie es ihm gefallen würde, daß all seine Freunde fiktive Gestalten aus Märchenerzählungen waren, aber bisher schien es sich ganz gut anzulassen.

Es interessierte ihn sehr, wie das verwunschene Schloß funktionierte. Von seinem Fenster aus konnte er einen Abschnitt des Zufahrtwegs sehen, der zum Schutzwall führte. Plötzlich verschwand ein Teil der Mauer. Ein steinerner Wasserspeier an einer der Zinnen löste sich ebenfalls in Nichts auf.

»Schatz!« rief Rosenrot wieder. »Wo bleibst du?«

Ein etwas ungehaltener und anmaßender Tonfall klang in ihrer Stimme mit… Dem Märchenprinzen wurde bewußt, daß er seine Süße nicht allzu gut kannte. Bisher war er davon ausgegangen, daß sich das ihnen im Märchen versprochene Glück ganz von selbst einstellen würde und er nichts dazu beitragen müßte. Nun gut…

Er warf einen letzten prüfenden Blick in den hohen Spiegel und stieg dann die Treppe hinab. Im großen Ballsaal unter ihm gab ein Orchester in schwarzen Krawatten und weißen Perücken ein Potpourri verschiedener Melodien zum besten. Die Gäste standen unter großen Kristallüstern herum, tranken Champagner und knabberten an belegten Schnittchen.

Da war Rosenrot, Arm in Arm mit Aschenbrödel, die ihre beste Freundin geworden war. Aschenbrödel hatte auch die Idee gehabt, ein Aufweckungsfest für Rosenrot zu veranstalten, das gleichzeitig die Verlobungsfeier für den Märchenprinzen und seine Prinzessin sein sollte.

Der Prinz erkannte zwei berühmte Iren unter den Gästen, Cuchulain und Finn McCool. Als er sich umsah, entdeckte er weitere Helden aus Frankreich, Deutschland und dem Orient – Roland, Siegfried und Aladin.

Sie sahen ihn ebenfalls, und allgemeiner Applaus brandete auf. »Gut gemacht, Alter!« und ähnliche Sprüche erklangen, was man immer gern hörte, wenn man gerade eine Schlummernde Prinzessin aufgeweckt hatte. Die Gäste sangen lautstark: »For he’s a Jolly Good Hero.«

Ja, das Leben konnte gar nicht mehr viel besser werden, fand der Märchenprinz. Auch wenn ihm Teile seines verwunschenen Schlosses abhanden kamen, auch wenn Prinzessin Rosenrot etwas nörglerischer war, als er es sich vorgestellt hatte, war der Augenblick des Triumphs doch süß.

Deshalb fühlte er sich um so unbehaglicher, als ein lautes Klopfen am Hauptportal ertönte. Es hallte durch das ganze Schloß. Alle Gäste blieben reglos stehen und starrten in Richtung des Eingangs.

Mist, sagte sich der Märchenprinz. Gute Ereignisse kündigten sich gewöhnlich nicht mit so viel Nachdruck an.

»Wer ist da?« rief er.

»Jemand, der einen Gefallen erbittet«, erwiderte eine gedämpfte Stimme.

Im ersten Moment wollte der Märchenprinz den Unbekannten abweisen, doch dann wurde ihm klar, daß er an diesem Tag des Triumphs für alles offen sein mußte. Sagenhelden, die im Begriff sind, eine Schlummernde Prinzessin zu heiraten, verweigern niemandem den Zutritt ins verwunschene Schloß, wie schlecht die Vorzeichen auch sein mögen.

»Tja«, sagte er, »ich habe im Augenblick wirklich keine Zeit für einen großen Gefallen, aber vielleicht ein kleiner Gefallen…«

Er entriegelte die Tür. Der Mann, der daraufhin eintrat, erinnerte ihn an irgend jemanden. Wo konnte er diesem großen Krieger mit dem grimmigen Gesicht und dem bis tief über die Ohren gezogenen Bronzehelm schon einmal begegnet sein?

»Wer seid Ihr?« fragte er.

Der Krieger schob den Helm zurück, und der Märchenprinz blickte in das bärtige und halb wahnsinnige Gesicht Frikes.

»Frike!« rief er. »Du bist’s! Aber irgend etwas an dir hat sich verändert… Laß mich einen Moment lang überlegen… Ja, jetzt hab’ ich’s! Du warst früher eher klein und bucklig, und jetzt bist du ziemlich groß, muskulös und hinkst auch nicht mehr.«

»Ihr seid ein aufmerksamer Beobachter«, erwiderte Frike mit einem blutrünstigen Lächeln.

»Was verschafft mir das Vergnügen deines Besuchs?«

»Mein Gebieter, Azzie, hat mich geschickt«, antwortete Frike.

»Ich hoffe, es geht ihm gut.«

»Das tut es. Er hat mich geschickt, um etwas für ihn zu besorgen, das ich hier hineinstecken soll.« Er öffnete eine Ledertasche, der ein scharfer Geruch entströmte.

»Essig!« entfuhr es dem Märchenprinzen.

»Richtig erkannt«, bestätigte Frike.

»Und warum bringst du eine mit Essig gefüllte Tasche in dieses verzauberte Schloß mit?«

»Der Essig dient dem Zweck, das zu konservieren, was ich mitnehmen soll.«

Dem Märchenprinzen behagte der Verlauf,, den das Gespräch nahm, nicht sonderlich, aber er erkundigte sich trotzdem: »Und was sollst du, in Essig eingelegt, von hier zurückbringen?«

»Ah, Bursche. Es ist dein Kopf, den zu holen ich gekommen bin.«

»Mein Kopf?« schrie der Märchenprinz. »Aber wieso sollte Onkel Azzie mir so etwas antun wollen?«

»Er ist wütend auf dich, Junge, weil Prinzessin Rosenrot dich nicht wie vorgesehen getötet hat. Dadurch hat er den Wettkampf verloren, der am Vorabend jeder Jahrtausendwende zwischen den Mächten der Finsternis und des Lichtes ausgetragen wird. Er ist der Meinung, daß du verschlagen und unzuverlässig bist, und er fordert deinen Kopf.«