»Das ist nicht meine Schuld«, verteidigte sich das Schwert. »Wie kann ich mich gegen die Aufgaben wehren, die man von mir verlangt? Nehmt mich wieder bei Euch auf, Gebieter, und ich werde Euch gute Dienste leisten.«
»Dann komm«, sagte der Märchenprinz, Das Schwert hechtete in seine Hand. Ein Tavernenknecht erweckte den Eindruck, als wolle er einen Streit vom Zaum brechen, aber ein flüchtiger Blick auf den schimmernden Stahl in der Hand des Märchenprinzen genügte, ihn eines Besseren zu belehren. Und so geschah es, daß der Prinz durch Hermes’ magische Hilfe mit Excalibur in der Hand in das verwunschene Schloß zurückkehren konnte.
Als Frike ihn erblickte, legte er ein mit gehackter Hühnerleber bestrichenes Plätzchen beiseite, an dem er herumgeknabbert hatte, um sich die Wartezeit zu verkürzen, wischte sich den Mund mit dem Hemdsärmel ab und fragte: »Bist du bereit?«
»Aye, das bin ich!«
»Dann nichts wie los!«
Die Schwerter klirrten aufeinander, der Kampf entbrannte.
KAPITEL 5
Excalibur ächzte unter der Wucht von Frikes Hieb. Die Klinge bog sich wie ein Weidenzweig zurück und peitschte dann vor. Sie fuhr hart auf Frikes Helm hinab und zwang ihn zum Rückzug. Frike machte zwei Ausfallschritte, dann hatte er das Gleichgewicht wiedergefunden, stürmte erneut vor, und sein Schwert vollführte einen verwirrenden Wirbel aus Angriffsschlägen und Finten. Excalibur erwiderte die Hiebe und Stöße mit der gleichen Vehemenz und mit unerschrockener Geschicklichkeit. Die Gäste, die sich auf der Treppe und der Balustrade versammelt hatten, um den Kampf zu verfolgen, keuchten und hielten den Atem an.
Und dann huschte ein Grinsen über Frikes Gesicht, denn er kannte Excaliburs Schwachstelle. Es war ein wahnsinniges Dämonenschwert, das auf ein bestimmtes Signal eines höllischen Meisters hin diesem gehorchte. Frike, auf den diese Bezeichnung mittlerweile hundertprozentig zutraf, wartete, bis sich die Schwerter wieder gekreuzt hatten, und rief dann: »Komm zu deinem Herrn und Meister, o mächtiges Excalibur! Komm zu mir!«
»Ich denke nicht daran!« knurrte Excalibur und schlug ihm den rechten Arm ab.
»Ich befehle es dir!« schrie Frike, der in seiner berserkerhaften Raserei keinen Schmerz verspürte und mit seiner intakten – oder besser gesagt, mit seiner noch verbliebenen – Hand, der linken und finsteren, eine Streitaxt über seinen Kopf wirbeln ließ.
»Aber Ihr habt es nicht auf Runisch gesagt«, erwiderte Excalibur und hackte, der kühnen Ausholbewegung des Märchenprinzen gehorsam folgend, Frike auch den anderen Arm ab.
»Erspar mir diese dämlichen Spitzfindigkeiten!« brüllte Frike, der jetzt mit beiden Füßen angriff, die mit tückisch scharfen, sichelförmig gebogenen Klingen bewehrt waren. »Im Namen der Alten Bösen beschwöre ich dich, komm jetzt zu mir, und zwar auf der Stelle und ohne jedes weitere Palaver!«
»Nun, wenn es das ist, was Ihr begehrt«, rief Excalibur, »dann soll es so geschehen!« Und das große schimmernde Schwert sprang dem Märchenprinzen aus der Hand, beschrieb einen kunstvollen Bogen durch die Luft, schoß mit der Spitze voran auf Frike zu und hielt erst wieder inne, als es seine Rüstung durchbohrt hatte und auf der anderen Seite wieder hervorgetreten war. , »O weh, ich bin erledigt«, seufzte Frike.
Der Märchenprinz wirbelte herum, sah die Prinzessin mit flammenden Augen an und beschloß, alle Zweifel endgültig aus der Welt zu schaffen.
»So gib mir denn noch einen letzten Kuß!« rief er. »Und dann erdolche mich nach Herzenslust, wenn du noch immer diesen Wunsch in dir verspürst. Denn kein Tod kann süßer sein als der, den die Geliebte bringt im Augenblick, der höchstes Glück versprechen würde, wenn das Geschick nur einen anderen Verlauf genommen hätte.«
»Ich werde dich mit Küssen überschütten und dann mit tausend Küssen mehr, um dich für alle Küsse zu entschädigen, die wir bisher getauscht!« erwiderte Rosenrot. »Sprich nicht vom Tod. Das ist vergangen und vorbei. Jetzt werden wir für immer glücklich sein.«
Und so geschah es.
KAPITEL 6
Mondtau war ein junger Geist, dessen Sexualität noch nicht erwacht war. Auch wenn man ihn als »er« bezeichnete, war er in geschlechtlicher Hinsicht ein Neutrum. Agrippa dagegen war ein alter Geist, der schon ziemlich viel erlebt hatte und mehr als nur ein bißchen ausgelaugt war. Allerdings mochte er junge Geister, und vielleicht war es ein wenig sportlicher Ehrgeiz gewesen, der ihn dazu veranlaßt hatte, Mondtau einzuladen. Ihm gefiel die naive Art, wie junge Geister reagierten. Das gab ihm so etwas wie ein Gefühl der Überlegenheit.
Sie erreichten den Nordeingang des Limbus’ pünktlich zum Beginn der Jahrtausendpreisverleihungsfeier. Gemeinsam stiegen sie die Wolkentreppe empor, die zu dem Gebäude führte, in dem das Bankett stattfand. Es ist nicht einfach, auf Wolken zu gehen, nicht einmal für einen Dämon. Schon nach kürzester Zeit begann Mondtau, sich zu beklagen.
»Ich habe die Lauferei satt«, sagte er. »Laß uns fliegen.«
»Das ist nicht gestattet«, erwiderte Agrippa.
»Aber wir fliegen doch immer! Erinnerst du dich noch an dieses Flugspiel, das du mir beigebracht hast?«
»Bitte, laß uns hier nicht davon sprechen. Es heißt, daß wir heute zu Ehren Adams, des Urahnen unserer Opfer, zu Fuß gehen sollen.«
»Adam, Schmadam«, nörgelte Mondtau. »Ich möchte meine neuen Klamotten nicht verschwitzen.«
»Hör auf, dich zu beschweren«, sagte Agrippa.
Vor ihnen lag eine große Wolkenwiese, die sich endlos wie eine Metapher auszudehnen schien. Korinthische Säulen unterstrichen das klassische Aussehen.
Die beiden Geister traten vor das Eingangstor. Ein Dämon mit einer weißen Perücke und beigen Seidenstrümpfen überprüfte Agrippas Einladung, indem er sie gegen das Licht hielt, um sich zu vergewissern, daß sie auch das richtige Wasserzeichen hatte. Die Jahrtausendpreisverleihung war ein derart wichtiges gesellschaftliches Ereignis, daß viele spirituelle Wesen versuchten, sich mit Lügen und gefälschten Papieren hineinzuschmuggeln. Zum Glück besaß Agrippa hervorragende Verbindungen zum Hohen Dämonenrat, für dessen Mitglieder er Parties schmiß und literarische Soireen veranstaltete, und so hatte er für sich und seinen Freund Plätze für das Bankett organisieren können.
Der Türsteher hatte sich von Gültigkeit der Einladung überzeugt und ließ die beiden passieren.
Im Bankettsaal kamen sie zu einem Tisch, der so lang war, daß sein Anfang und Ende außer Sichtweite lagen. Glücklicherweise befanden sich ihre Plätze halbwegs in der Mitte, durch kleine Namensschilder in Form von Papierfähnchen gekennzeichnet, die in Pampelmusen steckten.
Sie setzten sich und nickten ihren Tischnachbarn zu. Die Ansprachen hatten bereits begonnen. Agrippa saß neben einem nubischen Engel mit einem ebenholzschwarzen Heiligenschein. Mondtau blickte sich um, noch immer ziemlich überwältigt, und sah, daß Speisen herumgereicht wurden.
»Darf ich jetzt essen?« fragte er Agrippa leise.
»Ja, aber benimm dich nicht wie ein Schwein.«
Mondtau knurrte etwas Unverständliches und spießte eine Truthahnkeule von einem Tablett auf, das die Runde machte. Dazu schnappte er sich ein Glas Meskaljauche. Ein Drachenembryo auf dem Grund des Glases bürgte für die Echtheit des Getränks. Mondtau kaute, ließ seine Blicke wandern und starrte das hochgewachsene blonde Geschöpf mit den großen blauen Augen an, das ihm schräg gegenübersaß. »Verdammt heiß«, sagte er zu Agrippa. »Das nenne ich sexy.«
»Schlag dir das aus dem Kopf«, erwiderte Agrippa. »Das ist ein Engel und nichts für deinesgleichen.«
Es war allgemein bekannt, daß Dämonen ständig scharf auf Engel waren, die sich, wie behauptet wird, von der ihnen entgegengebrachten Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlten. Die Bankette im Rahmen der Preisverleihungen gehörten zu den wenigen Gelegenheiten, bei denen beide Seiten die Möglichkeit hatten, ungehindert miteinander zu verkehren.