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Er setzte mehrfach an, etwas zu sagen, brachte jedoch keinen Laut hervor. Schließlich riß er einem Gast eine Flasche aus den Klauen, hob sie an die Lippen und leerte sie.

»Trottel! Schweine! Bastarde!« brüllte er dann. »Ihr mehr als nur hirnloses Pack! Ich wende mich besonders an meine sogenannten Brüder der Finsternis, deren Vertreter in diesem Wettstreit ich gewesen bin und die mich durch ihre Gleichgültigkeit schändlichst verraten haben. Wir hätten gewinnen können, Jungs und Mädels! Wir hatten die Chance. Mein Konzept war glorreich und einzigartig, und es hätte funktionieren können!«

Er legte eine kurze Pause ein und hustete. Irgend jemand reichte ihm eine weitere Flasche, und er trank einen Schluck. Im Saal war es mittlerweile ruhig geworden.

»Aber habe ich Unterstützung erhalten?« fuhr Azzie fort. »Kein bißchen! Die Idioten in der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör haben sich so verhalten, als würde ich das alles nur zur Förderung meiner eigenen Karriere tun und nicht im Interesse und zur weitaus größeren Ehre von uns allen. Ach, verdammt! Ich habe mehr Hilfe von diesem Trottel Babriel erhalten, dem Beobachter mit dem dämlichen Gesichtsausdruck von den Mächten des Lichtes, als von irgend jemandem von euch. Und ihr wagt es, euch übel zu nennen! Ihr seid der lebende Beweis für die Banalität des Bösen, jeder einzelne von euch! Und jetzt sitzt ihr hier, feiert und wartet auf die Bekanntgabe des Siegers. Ich sage euch, Freunde, das Böse ist in letzter Zeit langweilig und dumm geworden. Wir von den Mächten der Finsternis haben die Möglichkeit verspielt, die Geschicke der Menschheit zu lenken.«

Azzie blickte sich um. Alle warteten schweigend darauf, daß er fortfuhr. Er stolzierte über den Tisch, trank noch einen tiefen Zug und schwankte erneut, bevor er das Gleichgewicht wiederfand.

»Darum rufe ich euch zu, zur Hölle mit euch allen! Ich werde mich jetzt zurückziehen, um mich auszuruhen und nachzudenken. Diese ganze Veranstaltung war äußerst ermüdend. Aber ich möchte euch allen versichern, daß das noch nicht mein Ende ist. Ganz und gar nicht. Ich habe immer noch ein paar Tricks auf Lager, Herrschaften! Wartet ab und seht selbst, was ich als nächstes zu eurer Belustigung veranstalte!«

Er schleuderte einen doppelten Reisezauber hervor und verschwand mit einem Donnerschlag. Die versammelten Dämonen und Engel warfen einander besorgte Blicke zu. »Was hat er wohl damit gemeint?« murmelten einige leise.

Sie mußten nicht lange auf die Antwort warten.

Bevor irgend jemand etwas tun konnte, fegte ein Tornado aus der äußeren Realität in den Saal. Er brüllte, riß und zerrte an der Festhalle, begleitet von einem schweren Regenguß. Den älteren Dämonen und Engeln wurden die mit viel Mühe verfaßten Redemanuskripte aus den Händen gerissen und in alle Richtungen zerstreut. Als nächstes regneten Tausende und Millionen von Fröschen herab. Die Wände begannen Blut zu schwitzen, und unangenehme Lichterscheinungen machten sich breit. Und über allem schwebte ein leises dämonisches Gelächter – Azzies Gelächter –, während er den Festsaal mit Gefahren, Scheußlichkeiten und Schrecken heimsuchte.

Alles in allem war es ein höchst denkwürdiger Nachtisch.

KAPITEL 7

Brigitte spielte gerade mit ihrem Puppenhaus, als sie ein Geräusch hinter sich hörte. Sie drehte sich langsam um und wollte schon eine Frage stellen, die aber sofort einem freudigen Quietschen Platz machte, als sie sah, wer dort stand, groß, mit rotem Pelz und einem grausamen Lächeln auf den Lippen.

»Oh, hallo, Azzie! Wie geht es dir?«

»Sehr gut, Brigitte, danke«, erwiderte Azzie. »Und du siehst auch gut aus. Ich kann das Kratzen eines Stifts in einem der oberen Zimmer hören. Deshalb schätze ich, daß Thomas Scrivener seinem Namen gerecht wird und etwas von den Ereignissen aufschreibt, die ihm in letzter Zeit widerfahren sind.«

»Das macht er tatsächlich«, bestätigte Brigitte. »Aber er hat mir auch gesagt, daß er das Ende der Geschichte noch nicht kennt.«

»Es könnte ihn durchaus überraschen«, sagte Azzie. »Ich glaube sogar, daß das Ende uns alle überraschen könnte. Ha, ha, ha.«

»Du kicherst aber finster, Azzie«, stellte Brigitte fest. »Warum bist du gekommen?«

»Um dir ein Geschenk zu bringen, Kind«, antwortete Azzie.

»Ohhh! Zeig es mir!«

»Da ist es.« Azzie zog eine Schachtel aus wertvoller Pappe hervor, öffnete sie und zeigte dem Mädchen die kleine Guillotine.

»Oh, wie schön!« rief Brigitte freudig aus. »Es sieht wie das richtige Gerät aus, um meinen Puppen die Köpfe abzuhacken.«

»Das ist es auch«, versicherte Azzie. »Aber das solltest du wirklich nicht tun, weil du deine Puppen doch liebst und bestimmt furchtbar traurig wärst, wenn sie keine Köpfe mehr hätten.«

»Du hast recht«, sagte Brigitte und begann, über die Vorstellung dieses Verlusts zu schniefen. »Aber wie soll ich denn mit meiner neue Guillotine spielen, wenn ich meinen Puppen nicht die Köpfe abschneiden kann?« Sie sah sich um. »Vielleicht könnte ich einen der frischgeborenen Welpen nehmen…«

»Nein, Brigitte«, fiel ihr Azzie ins Wort. »Ich bin böse, aber ich bin nicht grausam zu Tieren. Für Tierquäler ist eine ganz besondere Hölle reserviert. Siehst du, mein Schatz, diese Spielzeuge müssen sehr vorsichtig und mit dem nötigen Ernst behandelt werden.«

»Es macht aber keinen Spaß, wenn ich niemandem damit den Kopf abhacken kann«, beschwerte sich Brigitte.

Bisher entwickelte sich sein Plan perfekt, der auf der Spielart des Bösen beruhte, die man als niederträchtig bezeichnet.

»Hör auf zu plärren«, sagte Azzie. »Ich werde dir etwas ganz Besonderes bringen.«

»Was denn?«

»Etwas, dem du den Kopf abhacken kannst.«

»Oh, Onkel Azzie!« Brigitte rannte zu ihm und umarmte ihn stürmisch. »Wann bekomme ich das?«

»Bald, mein Liebes, schon sehr bald. Und jetzt sei ein braves Mädchen und spiel weiter. Es wird nicht lange dauern, dann bringt dir Onkel Azzie dein neues Geschenk.«

AUSZEICHNUNGEN

KAPITEL 1

Der Märchenprinz und Prinzessin Rosenrot richteten sich in einem bescheidenen Schloß ein, das Aschenbrödel ihnen empfohlen hatte. Es lag in einer Gegend von großer Naturschönheit am Rhein. Wilde Rosen rankten sich um die Mauern. Der Märchenprinz verwandelte seinen Schild in eine Blumenschale für duftende Kräuter. Geister des Guten tanzten um ihren Herd. Erotische Geister wohnten in ihrem Schlafzimmer.

»Liebling?« klang Rosenrots Stimme auf. »Könntest du mal kurz kommen?«

Der Prinz blickte von seinem Garten auf, in dem er sich um das biologisch gezogene Gemüse kümmerte.

»Wo bist du, Liebste?«

»Im Schlafzimmer.«

»Bin schon unterwegs.«

Hoch oben in der nordwestlichen Ecke des Zimmers öffnete sich verstohlen ein Auge und sah zu, wie der Prinz seine Prinzessin in die Arme schloß, sie küßte und liebkoste. Und als sie auf das große Daunenbett sanken, bewacht von sanftmütigen Geistern des Guten, die ihren Beitrag der glorreichen Jahrtausendwende feierten, beobachtete das Auge die Liebenden noch eine Weile. Es schloß sich erst, als der Prinz Rosenrots Bluse aufschnürte und sie ihr über den Kopf streifte.

KAPITEL 2

In seinem Anwesen in Augsburg schaltete Azzie sein allsehendes Auge ab, einen der letzten Gegenstände, den er sich aus der Abteilung für Ausrüstung und Zubehör besorgt hatte.

Plötzlich hörte er draußen ein Geräusch. Als er aus dem Fenster sah, erblickte er ein Namenloses Grauen, das die Auffahrt entlangging. Es hatte annähernd menschliche Gestalt, trug einen Arm in einer Schlinge und eine Augenklappe.

»Heil, Azzie«, grüßte das Namenlose Grauen.

»Heil auch dir, Namenloses Grauen«, erwiderte Azzie. »Du hast ungefähr fünf Sekunden Zeit, mir zu sagen, warum du mich in meiner ehrfurchtgebietenden Einsamkeit störst, bevor ich dich mit einem Tritt in deinen formlosen Arsch hier raus befördere.«