Выбрать главу

»Ich glaube, unsere Stämme befinden sich zur Zeit im Frieden«, sagte Azzie. »Jedenfalls bin ich nur aus einem Grund hier, der dich nicht einmal interessieren wird, weil es sich dabei nicht um kostbare Edelsteine handelt.«

»Was genau suchst du?« wollte Rognir wissen.

»Felixit«, antwortete Azzie.

Damals besaßen Schutzzauber und Talismane noch große Kraft. Und es gab eine ganze Menge davon, auch wenn die Zwerge sie an geheimen Orten verbargen, um sie vor den Drachen zu verstecken. Damit hatten sie allerdings keinen großen Erfolg, denn die Drachen wußten, daß sie da, wo sie Zwerge fanden, automatisch auch auf Gold stießen. Zwerge und Drachen gehören zusammen wie Pech und Schwefel, Hering und Sauerrahm, Gut und Böse, Erinnerung und Bedauern. Die Zwerge schufteten schwer, um Felixitglückssteine aus den Tiefen der Erde zu fördern. Felixit tritt nur in kleinen Mengen in neptunischen Basaltadern auf, der ältesten und härtesten Basaltart.

Vor langer Zeit, als alles noch viel besser, glücklicher, schöner und ehrlicher war, im Goldenen Zeitalter, das kurz vor dem Auftreten der Menschheit auf der Weltenbühne endete, wurde der Glücksbringer Felixit häufig benutzt. Von einigen Seiten wird behauptet, daß die Vorräte von den alten Göttern angelegt wurden, die über die Erde herrschten, als die Dinge noch keine Namen hatten. Schon damals war Felixit das seltenste Mineral der Welt. Eine winzige Menge reichte aus, um das ihr innewohnende Karma des Glücks und der Heiterkeit auf ihren Besitzer zu übertragen und so für ein erfolgreiches Gelingen all seiner Unternehmungen zu sorgen. Deshalb waren die Menschen bereit, dafür zu töten.

Eines ist sicher. Wer einen magischen Glückstalisman haben will, muß ihn entweder stehlen (was schwierig ist, da es das Bestreben eines richtigen Glückstalismans ist, bei seinem Besitzer zu bleiben, und er folglich dazu neigt, mehr als nur ein bißchen diebstahlresistent zu sein), oder ein Felixitvorkommen in den Tiefen der Erde entdecken und sich selbst einen anfertigen. Man könnte daraus leicht schließen, daß mittlerweile alle natürlichen Felixitvorkommen verschwunden sind, weil die Zwerge unter der Erde danach (und nach anderen Dingen) suchen, seit die ersten Menschen auf ihr erschienen sind, aber das ist ein Irrtum. Felixit ist ein solch mächtiger Glücksbringer, daß sich selbst die Erde dadurch gesegnet fühlt und von Zeit zu Zeit in ihrer Verzückung mehr davon hervorbringt, wenn auch stets nur in kleinen Mengen.

»Felixit!« Rognir stieß ein wenig überzeugendes Lachen aus. »Was bringt dich auf die Idee, daß es hier Felixit geben könnte?«

»Eine kleine Maus hat es mir geflüstert«, erwiderte Azzie in einer schlagfertigen Anspielung darauf, daß Hermes früher unter anderem als Gott der Mäuse fungiert hatte, bevor er zusammen mit den anderen olympischen Göttern abgeschafft worden war beziehungsweise eine andere Rolle angenommen hatte. Die Ironie blieb Rognir jedoch verborgen.

»Es gibt hier kein Felixit«, behauptete der Zwerg. »Diese Gegend ist schon vor langer Zeit ausgebeutet worden.«

»Das erklärt wohl kaum, was du hier gemacht hast.«

»Ich? Ich habe nur eine Abkürzung genommen«, erklärte Rognir. »Dieser Punkt liegt zufällig auf der großen unterirdischen Umgehungsroute von Bagdad nach London.«

»Wenn dem so ist«, sagte Azzie, »dann hast du sicher nichts dagegen, wenn ich mich mal ein bißchen umschaue.«

»Warum sollte ich? Die Erde ist für alle da.«

»Gut gesagt«, gab Azzie zurück und begann, in der Gegend herumzuschnüffeln. Seine feine Fuchsnase fing schon bald einen schwachen Dufthauch auf, der vor noch nicht allzu langer Zeit mit etwas anderem in Verbindung gebracht worden wäre, das wiederum vielleicht nur flüchtig an Felixit erinnerte. (Dämonen besitzen einen ausgeprägten Geruchssinn, was ihre Dienstzeit in den Gruben der Hölle um so unerträglicher macht.)

Wie ein Fuchs der Spur seiner Beute folgt, folgte Azzie dem kaum wahrnehmbaren Geruch durch die Höhle direkt zu dem aus Lemurleder gefertigten Sack, der vor Rognirs Füßen stand.

»Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich mal einen Blick da hineinwerfe, oder?« fragte Azzie.

Rognir hatte eine ganze Menge dagegen, aber da ein Zwerg kein ernstzunehmender Gegner für einen Dämon ist, entschied er sich für zuvorkommendes Verhalten statt unangebrachter Tapferkeit.

»Tu dir keinen Zwang an.«

Azzie leerte den Sack aus. Er stieß die Rubine beiseite, die Rognir in Burma gesammelt hatte, ignorierte die kolumbianischen Smaragde sowie die südafrikanischen Diamanten mitsamt ihren zukünftigen finsteren Auswirkungen und hob einen kleinen zylinderförmigen rosafarbenen Stein auf.

»Für mich sieht das wie Felixit aus«, stellte er fest. »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich es mir für eine Weile ausleihe?«

Da ihm kaum etwas anderes übrig blieb, zuckte Rognir die Achseln. »Solange du nicht vergißt, es mir später wieder zurückzugeben.«

»Mach dir deswegen keine Sorgen«, sagte Azzie, drehte sich um und wollte verschwinden. Dann betrachtete er noch einmal die auf dem Boden verstreuten kostbaren Steine. »Hör mal, Rognir«, meinte er, »für einen Zwerg scheinst du ganz in Ordnung zu sein. Was hältst du davon, wenn du und ich einen kleinen Handel eingehen?«

»Woran hast du gedacht?«

»Ich habe da eine bestimmte Sache vor. Im Augenblick kann ich nicht viel darüber verraten, aber es hat etwas mit der bevorstehenden Jahrtausendfeier zu tun. Ich brauche das Felixit und deine Edelsteine, denn ohne Geld kann ein Dämon nichts machen. Wenn ich die erwartete Unterstützung von den Hohen Mächten des Bösen bekomme, werde ich dir das Darlehen zehnfach zurückzahlen können.«

»Aber ich wollte diese Edelsteine nach Hause bringen und meinem Haufen hinzufügen«, sagte Rognir. Er bückte sich und begann, die Steine aufzusammeln.

»Du besitzt doch bestimmt schon einen ziemlich großen Haufen, nicht wahr?«

»Oh, nichts wofür man sich schämen müßte«, erwiderte Rognir mit der Selbstgefälligkeit eines Zwergs, dessen aufgehäufte Reichtümer es mit den besten aufnehmen konnten.

»Warum überläßt du mir dann nicht diese Steine? Der Haufen, den du zu Hause hast, ist doch jetzt schon ganz schön groß.«

»Das hält mich nicht davon ab, mir zu wünschen, daß er noch größer wird!«

»Natürlich nicht. Aber wenn du diese Steine deinem Haufen hinzufügst, wird dein Geld nicht für dich arbeiten. Wenn du es dagegen bei mir investierst, dann wird es arbeiten.«

»Geld, das für mich arbeitet? Was für eine seltsame Vorstellung! Ich wußte gar nicht, daß Geld arbeiten sollte.«

»Es ist ein Konzept der Zukunft, und es ist sehr vernünftig. Warum sollte Geld nicht arbeiten? Alles und jeder andere muß arbeiten.«

»Das ist ein gutes Argument«, räumte Rognir ein. »Aber welche Sicherheit habe ich, daß du dein Wort halten wirst? Alles, was ich habe, ist dein Versprechen, daß ich mich auf dein Wort verlassen kann, wenn ich dein Angebot annehme. Nehme ich es dagegen nicht an, habe ich immer noch alle meine Edelsteine.«

»Ich kann das Angebot unwiderstehlich attraktiv für dich machen«, sagte Azzie. »Anstatt mich an die im Bankgeschäft üblichen Konditionen zu halten, werde ich dir deinen Gewinn im voraus auszahlen.«

»Meinen Gewinn? Aber ich habe doch noch gar nicht bei dir investiert.«

»Das ist mir klar. Deshalb werde ich dir als Anreiz schon jetzt die Jahreszinsen zahlen, die du erhältst, wenn du bei mir investier st.«

»Und was muß ich dafür tun?«

»Öffne einfach die Hände.«

»Also, na gut«, gab Rognir nach, der – wie die meisten Zwerge – der Aussicht auf einen Gewinn nicht widerstehen konnte.

»Hier, für dich«, sagte Azzie. Er gab Rognir zwei der kleineren Diamanten, einen Rubin mit winzigen Verunreinigungen und drei vollkommene Smaragde.