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Herrick rückte seinen Hut zurecht und nickte.»Und wie fühlen Sie sich, Fähnrich?»

Der Junge zuckte mit den Schultern.»Hungrig, Sir.»

Herrick grinste.»Mästen Sie eine Ratte mit Bisquit, Mr. Neale. Schmeckt allemal so gut wie Kaninchen. «Er ging nach achtern. Neale starrte mit tief gerunzelter Stirn hinter dem Dritten her. Dann ging er langsam an den Buggeschützen vorbei, tief in Gedanken versunken. Schließlich nickte er.»Ja, vielleicht versuche ich's mal«, sagte er leise.

Bolitho schwamm der Kopf. Er ließ sich gegen den Sessel zurücksinken und starrte auf die Berichte auf seinem Tisch. Das war geschafft. Er rieb sich die entzündeten Augen und stand auf.

Durch die großen Fenster sah er das Mondlicht auf dem schwarzen Wasser. Er konnte das leise Plätschern am Ruder unter sich hören. Er fühlte sich noch immer wie benommen. Zu viele Befehle hatte er erteilen müssen, zu viele Anforderungen waren auf ihn zugekommen.

Segel und Tauwerk waren auszubessern. Eine Reservespiere mußte die Bramstenge ersetzen. Mehrere Boote waren beschädigt, ein Kutter völlig havariert. Immerhin, wenn er die Leute hart antrieb, würde man die äußerlichen Schäden, die die Phalarope in dem Gefecht erlitten hatte, bald kaum noch bemerken. Doch die Narben bleiben im Herzen jedes Mannes, dachte er müde. Er rief sich das leere Deck zurück, sah nochmals, wie er im schwindenden Licht vor den Toten stand, und hörte sich die üblichen Worte der Begräbniszeremonie sprechen. Fähnrich Farquhar hatte die Laterne über dem Buch gehalten. Seine Hand hatte nicht gebebt.

Er mochte Farquhar noch immer nicht leiden. Aber im Kampf hatte er sich als erstklassiger Offizier erwiesen. Das machte vieles weit. Als der letzte Tote ins Wasser klatschte, um die Reise in die Tiefe von zweitausend Faden anzutreten, drehte er sich um. Zu seiner Überraschung sah er, daß sich das Deck in aller Stille gefüllt hatte. Keiner der Leute sagte etwas. Nur hier und da ein schwaches Hüsteln, und einer der Jüngeren schluchzte unbeherrscht.

Sollte er etwas sagen, sich ihnen mitteilen, so daß sie begriffen? Seine Augen glitten von Herrick, der neben dem Posten stand, zu Vibart, dessen Gestalt sich an der Reling des Achterdecks gegen den Himmel abzeichnete. Einige Sekunden lang waren sie eins gewesen, verknüpft durch das Band von Leid und Verlust. Worte hätten den Augenblick verdorben. Jede Ansprache hätte billig geklungen. So war er aufs Achterdeck gegangen und am Ruder stehengeblieben.

«Kurs Südsüdwest liegt an, Sir«, meldete der Rudergänger.

Danach war er in die Kajüte zurückgekehrt: den einzigen Ort, an dem er allein sein konnte.

Er schaute ärgerlich hoch, als Stockdale hereinkam. Stockdale musterte ihn eindringlich.»Ich habe Ihrer Ordonnanz gesagt, daß sie das Abendbrot bringen soll, Kapitän. «Er blickte mißbilligend auf den Stapel Seekarten und Berichte.»Schweinefleisch, Sir. Schön aufgeschnitten und gut gebraten. Ich habe mir erlaubt, dazu eine Flasche von Ihrem Rotwein aufzumachen, Sir.»

Bolithos Spannung mußte sich Luft machen.»Was schnatterst du da, zum Teufel?«Stockdale ließ sich nicht abschrecken.»Wenn Sie wollen, lassen Sie mich für meine Worte auspeitschen, Sir, aber es war ein Sieg. Wir sind alle stolz auf Sie. Ich denke, Sie haben einen Schluck Wein verdient. »

Bolitho starrte ihn an und fand keine Worte.

Stockdale legte die Papiere zusammen.»Und mehr, denke ich, Kapitän, viel mehr.»

Während Bolitho schweigend zusah, wie sein Bootsführer ihm den Tisch für sein einsames Mahl deckte, zog die Phalarope in der leichten Brise still unter den Sternen dahin.

Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang hatte sie viel geleistet. Dank ihres Kapitäns lagen noch viele Tage vor ihr.

VI Land in Sicht

Bolitho ging zur Steuerbordseite des Achterdecks und ließ die Hände auf den sonnenwarmen Backskästen ruhen. Er brauchte jetzt weder Karte noch Fernrohr. Es war, als käme er nach Hause.

In der Morgendämmerung war die kleine Insel Antigua über der Kimm heraufgekommen. Nun lag sie in der Vormittagssonne vor ihnen. Bolitho spürte jene Erregung, die ihn bei jedem Landfall durchflutete, wenn das Land an der berechneten Stelle am Horizont auftauchte. Er nahm seinen Gang über das Achterdeck wieder auf. Auf den Tag vor fünf Wochen hatte die Phalarope dem Nebel und Regen Cornwalls das Heck gezeigt. Zwei Wochen lag das Gefecht mit dem Kaperschiff zurück. Stolz wallte flüchtig in ihm auf, als er über sein Schiff blickte. Die Schäden waren ausgebessert. Und die Verwundeten befanden sich auf dem Weg der Besserung. Gewiß, die Zahl der Toten war auf fünfunddreißig gestiegen, aber an den anderen hatten die Sonne und der frische Wind, die Nebel und tobende Stürme abgelöst hatten, Wunder gewirkt.

Die Fregatte segelte mit Steuerbordhalsen. Das Schiff und sein Spiegelbild im dunkelblauen Wasser boten ein prachtvolles

Bild. Über den sich verjüngenden Masten leuchtete wie zum Gruß ein wolkenloser Himmel, und um die Rahen segelten schreiend und erwartungsvoll die Möwen.

Antigua, Hauptquartier und Basis des WestindienGeschwaders, war ein Glied der zerstreuten Inselkette, die den östlichen Teil der Antillen schützte. Bolitho freute sich, wieder hier zu sein. Als er sich über die Reling beugte, um nach vorn zu spähen, erwartete er halb und halb, die Sparrow und ihre Mannschaft zu sehen. Aber die Gegenwart der Phalarope überschattete bereits die alten Erinnerungen.

«An Deck! Linienschiff unter Land vor Anker!»

Okes war Wachführer; er blickte schnell zum Kapitän hinüber.

«Höchstwahrscheinlich das Flaggschiff, Mr. Okes. «Bolitho blickte kurz zur neuen Besanstenge hinauf, von wo aus der scharfäugige Ausguck die hohen Masten erspäht hatte.

Die Fregatte rundete langsam die saftig grünen Berge und felsigen Abstürze des Vorgebirges von Cape Shirley. Die Mannschaft drängte sich in Luv und klammerte sich an Wanten und Netze, während sie das Land mit Blicken verschlang. Fast allen war es unbekannt. Hier strahlte die Sonne heller, und die dichte, grüne Vegetation hinter dem weißen Strand glich keiner der Küsten, die sie kannten. Sie wiesen sich gegenseitig auf dieses oder jenes hin und plapperten aufgeregt wie Kinder, als sie an der Landzunge vorbeiglitten und die von Land eingeschlossene Bucht von English Harbour sichtbar wurde.

«Klar zum Halsen, Sir«, rief Proby.

Bolitho nickte. Bis auf Bransegel und Klüver waren alle Segel aufgegeit. Von der Back blickte Herrick, der neben dem Ankerkommando stand, nach achtern.

Bolitho schnippte mit den Fingern.»Mein Glas, bitte.»

Fähnrich Maynard reichte es dem Kapitän, und Bolitho musterte prüfend den in der Mitte der Bucht vor Anker liegenden Zweidecker. Die Stückpforten standen offen, um den Landwind ins Schiff zu lassen, und über das mächtige Achterdeck spannten sich Sonnensegel. Bolithos Blick haftete auf dem Stander des Konteradmirals im Topp und auf den blauen und roten Uniformen, die am Heck schimmerten, von wo aus man sein Einlaufen beobachtete.

«Mr. Brock, klar zum Salut! Elf Schuß, bitte. «Er schob das

Teleskop mit einem Ruck zusammen. Wenn er sie sehen konnte, sahen sie ihn auch. Er wollte nicht neugierig wirken.

Die nächstliegende Landspitze blieb achteraus, und er befahclass="underline" »Übernehmen Sie, Mr. Proby.»

Proby legte die Hand an den Hut.»Leebrassen fieren! Klar zum Halsen.»

Bolitho beobachtete Okes und wartete geduldig. Schließlich sagte er, ohne die Stimme zu heben:»Scheuchen Sie die Müßiggänger von der Reling, Mr. Okes. Das da drüben ist ein Flaggschiff. Der Admiral soll nicht den Eindruck gewinnen, ich hätte einen Haufen Bauerntölpel an Bord. «Er lächelte, als Okes den Befehl herausstotterte und die Maate die Leute von der Reling trieben.