Выбрать главу

«Die Andiron ist ausgeschaltet. Schon allein ihre Existenz war eine Herausforderung und Beleidigung für die ganze Flotte. Ich habe meine Ansicht über die Angelegenheit dem Oberbefehlshaber übermittelt und zweifle nicht, daß Ihre Verdienste gebührende Anerkennung finden werden. «Er blickte Bolitho fest an.»Gleichviel, die Tatsache, daß Ihr Bruder sie einst kommandiert hat und anscheinend noch am Leben ist, mag hier und da als eine Art stillschweigender Übereinkunft angesehen werden. «Er trat an die Reling und blickte zur Cassius hinüber.»Ich selbst sehe es nicht so, Bolitho. Ich übertrug Ihnen die Aufgabe nicht trotz, sondern wegen des Kapitäns der Andiron. Sie und Ihr Schiff haben sich gut gehalten. Ich habe das auch Sir George Rodney gegenüber betont. «Dann ließ er langsam die Worte folgen:»Doch wenn Ihr Bruder umgekommen wäre, wäre es für alle Beteiligten besser gewesen.«»Ich glaube, ich verstehe, Sir.»

«Natürlich verstehen Sie. «Die alte Gereiztheit des Admirals brach durch.»Tot sein, heißt vergessen sein. Fangen wir ihn, wird ihn nichts retten. Wir werden ihn öffentlich vor Gericht stellen und aufknüpfen. Und ich denke, Ihnen ist klar, daß solche Schande auf die ganze Familie fällt.»

«Ja, Sir.»

«Nun, genug davon. Sie haben Ihre Befehle ausgeführt, so gut Sie konnten. Das muß für den Augenblick genügen. Darüber hinaus haben Sie die Absichten des Feindes erkundet. Wenn die Meldung darüber zutrifft, wird das sehr zu Ihren Gunsten sprechen. «Er blickte zu der schwach schlagenden Flagge hinauf und murmelte:»Im Augenblick könnten wir ein bißchen Glück gut gebrauchen.»

Sir Robert schwieg, während Bolitho ihn in die Kapitänskajüte führte, wo die zehn Offiziere bereits versammelt waren. Sie saßen so dicht gedrängt um den in ganzer Länge ausgezogenen Tisch, daß keine Stecknadel zu Boden fallen konnte, und Bolitho fragte sich wieder, warum der Admiral sich herbemüht und dem vergleichsweisen Luxus seines eigenen Quartiers zeitweilig den Rücken gekehrt hatte. Die Offiziere erhoben sich und sanken erwartungsvoll auf ihre Stühle zurück, nachdem der Admiral und Bolitho sich zum Kopf des Tisches durchgezwängt hatten.

Zum ersten Mal, daß ich mit allen meinen Offizieren esse, ging es Bolitho durch den Sinn. Während Atwell und zwei eiligst abkommandierte Messeordonnanzen aufzutragen begann, sah er von einem zum anderen. Die vertrauten Gesichter wirkten verändert. Alle sahen irgendwie fremd und verlegen aus. Neben seinen Leutnants und Hauptmann Rennie waren auch die drei Fähnriche anwesend. Die Unteroffiziere waren durch Steuermann Proby und den Arzt Tobias Ellice vertreten, die beide, den Blick auf ihre Teller gerichtet, steif und unbehaglich dasaßen.

Der Admiral verhielt sich noch immer formell. Man aß in fast völligem Schweigen. Doch mit den Speisen kam der Wein, ausgeschenkt vom persönlichen Steward des Admirals, einem großen, hochmütigen Mann in scharlachfarbenem Rock. Zu diesem Zeitpunkt fing Bolitho an, die Absicht des Admirals zu begreifen. Denn zusammen mit der Spannung und der ungewohnt reichhaltigen und ausgezeichneten Mahlzeit tat der Wein bald seine Wirkung. Und als Bolitho bemerkte, daß der Admiral kaum etwas aß und an seinem Wein nur nippte, war ihm alles klar.

Die Stimmen wurden lauter, und indes Sir Robert stumm an Bolithos Seite saß, fingen die Offiziere an, freier zu reden. Bolitho war sich nicht klar darüber, was er stärker empfand, Ärger oder Bewunderung. Dem Admiral reichte der nackte Bericht, wie präzise auch immer, nicht aus. Er wollte mit eigenen Ohren hören, was sich abgespielt hatte, und zwar von den Leuten, die ihm bis dahin nur durch Bolithos Feder bekannt gewesen waren. Bolitho spürte, daß seine Anspannung etwas nachließ. Denn ob nun gut oder böse, gegen die verschlagenen Methoden des Admirals konnte er jetzt nichts mehr ausrichten.

Langsam entfaltete sich die Geschichte. Jede Phase kam zur Sprache und wurde von einem anderen Offizier beleuchtet. Die Attacke auf die Insel Mola und die Einnahme der Batterie. Die zungenfertigen Offiziere sprachen über den Plan in seiner Gesamtheit, die weniger beredten gaben sich damit zufrieden, die Einzelheiten des Bildes auszumalen. In einigen Beiträgen kam auch der Humor zu seinem Recht, etwa in der Geschichte des Steuermannsmaats Parker, der bei dem Angriff auf die Andiron die Jolle befehligt hatte. Die hochgehende See hatte ihn von den anderen Booten getrennt. Nicht nur, daß er zur Phalarope zurückkehren mußte, nein, um sein Mißbehagen noch zu steigern, wurde er vom Schiff durch Gewehrfeuer wachsamer Seesoldaten begrüßt. Und Humor lag auch in der Geschichte, wie Hauptmann Rennie den Rückzug von der Insel leitete, den Degen in der einen, eine halbe Geflügelpastete in der anderen Hand.

Doch bei solchen Erinnerungen blieb es nicht, denn Sir Robert fragte plötzlich scharf:»Und Sie, Mr. Farquhar, wurden mit dem spanischen Gefangenen zurückgelassen?»

Farquhar sah ihn wachsam an, und einen Augenblick kehrte die Spannung an den eng besetzten Tisch zurück. Doch Farquhar verlor nicht den Kopf. Selbst die wohlbekannte Tatsache, daß Sir Robert gewöhnlich niemanden unter Leutnantsrang anredete, brachte ihn nicht aus der Fassung.

«Ja, Sir. Ich stieß zum Kapitän, und wir gerieten zusammen in Gefangenschaft.»

Der Admiral wandte sich Okes zu, der bisher beinahe stumm dagesessen hatte.»Ihr Teil bei diesem Unternehmen hat Sie offenbar sehr in Atem gehalten, Mr. Okes?»

Der Leutnant blickte bestürzt hoch.»Hm, ja, Sir. Ich tat, was ich tun mußte. Es gab keinen anderen Weg.»

Sir Robert nippte an seinem Wein und musterte ihn kühl.»Für einen so ruhmreichen Offizier sind Sie außerordentlich zurückhaltend, Mr. Okes. Ein bißchen Bescheidenheit ist immer willkommen, aber nicht, wenn sie wie Schuld wirkt. «Seine kalten Augen lagen noch ein paar Sekunden auf Okes' bleichem Gesicht, dann lachte er. Ein humorloses Lachen, doch es half, das plötzliche und unbehagliche Schweigen zu brechen.

«Und Sie, Mr. Herrick?«Der Admiral beugte sich vor und blickte an seinem Kapitän vorbei über den Tisch.»Ihre Heldentaten bei Nevis scheinen ein wenig vom Zufall begünstigt gewesen zu sein. Aber dennoch erreichten Sie ohne Zweifel Ihr Ziel.»

Herrick grinste breit.»Kapitän Bolitho hat mich bereits auf die Fallgruben des Glücks hingewiesen, Sir.»

«So, in der Tat?«Der Admiral zog leicht die Brauen hoch.»Bin erfreut, es zu hören.»

Und so ging es in der gleichen Art weiter. Der Admiral fragte und hörte zu. Und falls das zu nichts führte, provozierte er den unglücklichen Offizier offen zu einer erregten und unbedachten Antwort. Der Treuetrinkspruch wurde von dem jüngsten anwesenden Offizier ausgebracht. Fähnrich Neale, auf der einen Seite von Proby, auf der anderen von Ellice überragt, quiekte:»Gentlemen, auf den König!«Danach lief er rot an und verfiel wieder in Schweigen.

Bolitho bemerkte, daß sich die rechte Hand des Admirals wie eine Klaue um das Glas klammerte. Der Admiral sah seinen Blick und sagte verdrossen:»Verdammter Rheumatismus. Habe ihn seit Jahren.»

Plötzlich schätzte Bolitho den Mann an seiner Seite. Nicht den Admiral mit seinen kleinlichen Schwächen und dem ungerechten Gebrauch von Vorrecht und Rang, sondern einfach den Mann. Er war alt, wahrscheinlich in den Sechzigern, und soviel Bolitho wußte, hatte er in den letzten zehn Jahren den Fuß nicht länger als ein paar Tage an Land gesetzt. Er hatte seine Flagge auf vielen Schiffen wehen lassen und sich mit Problemen und Strategien beschäftigt, die Bolitho sich nur undeutlich vorstellen konnte.

Der Admiral sah ihn fest an.»Fragen Sie sich noch immer, warum ich gekommen bin, Bolitho?«Er wartete eine Antwort nicht ab.»Vor vielen Jahren habe ich selber eine Fregatte befehligt. Das war meine schönste Zeit, der Einsatz nicht so hoch. «Das Gesicht verschloß sich wieder.»Ich bin hergekommen, weil ich sehen wollte, was Sie aus diesem Schiff gemacht haben. «Er faßte sich ans Kinn, als suche er nach einem Weg, ein Kompliment zu umgehen.»Was ich sehe, mißfällt mir nicht gänzlich. «Er sprach so leise, daß die von neuem erwachte Unterhaltung seine Worte fast verschluckte.»Die Mehrzahl Ihrer Offiziere scheint Sie sehr zu achten. Ich weiß aus Erfahrung, wie schwer Achtung zu erringen ist.»