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Bolitho lächelte dünn.»Danke, Sir.»

«Ich schätze es, die Männer zu kennen, die unter meinem Kommando stehen. Sehe ich ein Segel am Horizont, interessiert mich nicht die Zahl der Kanonen und der Zustand des Anstrichs. Mir liegt daran, den Geist des Mannes zu kennen, der das Schiff kommandiert, verstehen Sie?«Er starrte über die Köpfe der Offiziere hinweg.»England kämpft um sein Leben. Zur Zeit führen wir einen Verteidigungskrieg. Der Angriff kommt später, vielleicht erst nach Jahren, wenn ich tot und begraben bin. Doch bis dahin ist England auf seine Schiffe angewiesen, vielleicht nur auf ein paar hundert Schiffe, die voll einsatzfähig sind. «Er klopfte auf den Tisch, so daß die anderen verstummten und sich ihm zuwandten, um zuzuhören.»Und diese Schiffe hängen von ihren Kapitänen ab.»

Bolitho wollte etwas einwerfen, doch der Admiral sagte gereizt:»Lassen Sie mich ausreden. Ich kenne jetzt Ihren Ruf. Sie sind in vieler Hinsicht ein Idealist. Sie hoffen auf bessere Bedingungen für Ihre Leute, so daß Sie auf See eine ehrenhafte Karriere machen können. «Er unterstrich seine Worte durch den erhobenen Zeigefinger.»Als ich jünger war, hatte ich auch solche Illusionen, und mehr noch. Aber der ist ein guter Kapitän, der die Schwierigkeiten nimmt, wie sie kommen, und dennoch ein tüchtiges Schiff führt, ein Schiff, das Ehre und Lob verdient. «Seine Augen wanderten von einem zum anderen.»Nun, meine Herren, bin ich verstanden worden?»

Bolitho folgte dem Blick des Admirals: Vibart, rot angelaufen, ohne jedes Lächeln. Herrick, vom voraufgegangenen Sarkasmus des Admirals unberührt, grinste noch immer. Rennie, steif aufgerichtet, aber mit völlig glasigen Augen, die nichts mehr wahrnahmen. Old Daniel Proby, verlegen, in solcher illustren Gesellschaft zu sein, doch plötzlich mit einem Ausdruck von Stolz auf dem Gesicht, als hätte er eine tiefere Bedeutung aus den Worten des Admirals herausgehört. Und Ellice, der Arzt, der seit Beginn der Mahlzeit unaufhörlich getrunken hatte. Bolitho bemitleidete Ellice. Schlecht bezahlt wie alle Schiffsärzte. Kein Wunder, wenn er eher Schlächter denn Arzt war. Ein Wettlauf, doch wer würde gewinnen, der Alkohol oder ein tödlicher Irrtum? Es war lediglich eine Frage der Zeit. Okes litt noch immer unter der scharfen Einschätzung des halbvergessenen Angriffs auf die Insel. Bolitho bemerkte, daß Okes immer wieder verstohlen und verzweifelt zu Farquhar hinübersah, der im Vergleich zu ihm ruhig und teilnahmslos wirkte und in Gedanken vielleicht weit weg war. Möglicherweise wieder unter der in die Luft gejagten Brücke, wo ihn der Mann, der ihn jetzt immer wieder ansah, zurückgelassen und damit dem Tod ausgesetzt hatte. Die Tatsache, daß Farquhar darüber keine Bemerkung gemacht hatte, mußte Okes mehr als alles andere mit Sorge erfüllen.

Und die beiden anderen Fähnriche, Maynard und Neale? Sie waren erregt, ohne aber das mitzubekommen, was hinter den Gesprächen und Gedanken lag. Bolitho sah plötzlich sehr klar, welche Verantwortung er für sie alle trug.

Der Admiral stand auf und hob sein Glas.»Ein Trinkspruch!«Seine blassen Augen blitzten.»Tod den Franzosen!»

Alle hoben ihr Glas, und die Stimmen ratterten die Antwort heraus:»Und Verderben unseren Feinden!»

«Zeit aufzubrechen, Cope«, sagte der Admiral zu seinem Kapitän.

Bolitho folgte ihm zum Oberdeck. Er hörte nur halb auf die hastenden Füße und das Knarren der Riemen längsseits. Bolitho wußte, daß das Schlimmste vorbei war. Die Phalarope war endlich frei von Schande.

Er lüftete den Hut, als der Admiral zum Fallreep schritt, und wartete, bis er in der Barkasse verschwunden war. Dann setzte er den Hut mit einem Ruck wieder auf und begann, die Hände auf dem Rücken verschränkt, auf dem verlassenen Achterdeck auf und ab zu gehen.

Der Admiral hatte außerdem auf seine Weise klargestellt, daß es die Aufgabe des Kapitäns war, das Schiff weiterhin frei von Schande zu halten. Er blickte zu den Ankerlaternen, deren Schein auf dem Wasser tanzten, und lauschte dem klagenden Kratzen einer Violine und dem wehmütigen Klang eines alten Shantys. Solange die Männer noch singen, dachte er, ist Hoffnung für uns alle.

XIII Gefahr von innen

Die Pfeifen trillerten Salut, als Richard Bolitho durch die verzierte Schanzpforte auf das weite Deck der Formidable trat. Automatisch hob er den Hut gegen das Achterdeck, und während er den Gruß des wachhabenden Flaggschiffoffiziers erwiderte, flogen seine Blicke umher und registrierten die Geschäftigkeit, das scheinbar endlose Deck und die langen Reihen schimmernder Kanonen.

Ein weißbehandschuhter Fähnrich eilte in tadelloser Haltung heran und führte Bolitho unter den kritischen Augen des diensttuenden Offiziers nach achtern zu der großen Heckkajüte, in die jeder erreichbare Kapitän vor einer Stunde befohlen worden war.

Bolitho hatte bei seinem einsamen Frühstück herumgetrödelt und über die merkwürdige Dinnerparty und Sir Robert Napiers beharrliche Fragen nachgegrübelt, als Fähnrich Maynard die Meldung brachte. Während Bolitho hastig seine beste Uniform anlegte, fragte er sich, warum Sir Robert die Zusammenkunft beim Oberbefehlshaber gestern nicht erwähnt hatte. Er mußte doch schon davon gewußt haben. Und indem er blicklos in den Spiegel am Schott starrte, fragte er sich, ob Sir Robert nur wieder eine seiner privaten Prüfungen veranstaltete. Wahrscheinlich hielt er sein Glas auf die Phalarope gerichtet, seit die Formidable das Signal gesetzt hatte.

Er prallte beinahe auf den Fähnrich und sah, daß sie die große Kajüte erreicht hatten. Der Fähnrich meldete:»Kapitän Richard Bolitho von der Phalarope.«Doch nur die zunächststehenden Offiziere nahmen von seinem Eintritt Notiz. Bolitho war das nur recht. Er drängte sich zu einer Ecke der Kajüte durch, und während eine Messeordonnanz wortlos seinen Hut in Empfang nahm, reichte ihm eine andere ebenso stumm ein großes Glas Sherry.

Bolitho trank einen kleinen Schluck und musterte aufmerksam die anderen Offiziere. Etwa dreißig Kapitäne jeden Dienstalters, ältere und jüngere, große und kleine, dicke und dünne. Nach diesem ersten Überblick schien er der Jüngste zu sein. Doch er war kaum zu diesem Schluß gekommen, da stieß ihn jemand leicht an. Er drehte sich um und erblickte den hochgewachsenen Leutnant, der die kleine Brigg Witch of Looe kommandierte.

Der Leutnant hob das Glas.»Ihr Wohl, Sir! Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr ich mich über Ihre Rückkehr freue.»

Bolitho lächelte.»Vielen Dank. Bitte entschuldigen Sie, aber Ihr Name ist mir entfallen.»

«Philip Dancer, Sir.»

«Von nun an werde ich ihn mir merken.»

Der Leutnant lockerte nervös seine Halsbinde. Kein Wunder, wenn er als Jüngerer in einer so illusteren Gesellschaft nervös wurde.

«Im Vergleich mit Ihrer kleinen Brigg kommt es Ihnen hier sicher ein bißchen luxuriös vor?»

Dancer schnitt eine Grimasse.»Nur ein bißchen.»

Sie blickten zu den großen Heckfenstern hin, vor denen eine breite Galerie lief, auf der der Amiral über dem Kielwasser seines Schiffes ungestört hin und her wandern konnte. Bolitho sah Pflanzen in langen Blumenkästen, Silber und Kristall schimmerten auf einer hübschen Anrichte unter einem Gemälde von Hampton Court Palace. Plötzlich verstummten alle Gespräche, und jeder wandte sich einer Seitentür zu, durch die der Oberbefehlshaber mit seinem Gefolge die Kajüte betrat.

Bolitho hatte Sir George Rodney das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen. Er erschrak über sein verändertes Aussehen. Trotz der strahlenden Uniform mit dem leuchtenden Band und den Auszeichnungen wirkte er gebeugt und zusammengesunken, und sein Mund, nunmehr ein schmaler Strich, verriet die Krankheit, die ihn seit vielen Monaten plagte. Nur schwer erkannte man in ihm den Mann wieder, der vor zwei Jahren einen machtvollen Feind überwunden und das belagerte Gibraltar entsetzt hatte, oder den, der St. Eustatius angegriffen, erstürmt und als Beute drei Millionen Pfund Sterling nach England zurückgebracht hatte. Doch die Augen waren dieselben: hart und fest, als hätten sie alle Energie an sich gezogen.