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Bolitho merkte, wie mehrere Leute innehielten, um seine Antwort zu hören.»Zwei Schiffe«, erklärte er langsam.»Eins sehr viel kleiner als das andere, dem Klang der Abschüsse nach. Aber so viel steht fest, Mr. Okes: feindlich kann nur eins davon sein.»

Herrick meldete sich zurück.»Was nun, Sir?»

«Ich gehe nach unten, um mich zu rasieren und zu waschen. Wenn ich wieder an Deck komme, erwarte ich Meldung, daß die Leute reichlich gegessen haben. Danach werden wir weitersehen.»

Doch in seiner Kajüte konnte er es kaum über sich bringen, Zeit mit Rasieren und Umziehen zu vergeuden. Stockdale servierte ihm sein Frühstück, aber er konnte es nicht einmal ansehen, geschweige denn essen. Heute abend oder vielleicht schon innerhalb weniger Stunden konnte er tot sein. Oder, schlimmer noch, unter dem Messer des Arztes um Gnade schreien. Ihn schauderte. Doch es führte zu nichts, daran zu denken. Mehr noch, es schadete.

«Ich habe Ihnen ein frisches Hemd hingelegt, Sir«, sagte Stockdale. Er sah Bolitho fragend an.»Ich denke, Sie sollten auch Ihre beste Uniform anziehen.»

«Um Himmels willen, warum denn, Mann?«Bolitho blickte seinem Bootsführer überrascht in das zerschlagene Gesicht.

«Das ist der Tag, Sir. Ich spüre es. So war es schon mal. «Dickköpfig setzte er hinzu:»Außerdem blickt die Mannschaft auf Sie, Sir. Die Leute wollen Sie sehen. Nach allem, was geschehen ist, wollen sie sehen, daß Sie zu ihnen gehören.»

Bolitho blickte Stockdale an. Die stockend vorgebrachten Worte bewegten ihn.»Wenn du meinst.»

Zehn Minuten später übertönte eine Stimme schwach die Geräusche der See und der Leinwand:»An Deck! Segel in Steuerbord voraus.»

Bolitho zwang sich, noch ein paar Sekunden zu warten. Nachdem Stockdale ihm den Degen umgeschnallt hatte, ging er zum Kajütniedergang. Das Achterdeck war voller Leute. Sie deuteten nach vorn und redeten durcheinander, verstummten aber, während Bolitho zur Reling ging und sich von Maynard das Fernrohr reichen ließ.

Durch das Muster der Takelage sah er die Schaumköpfe der

Wogen vor dem Bug der Fregatte. Der Himmel war bereits klar, aber das Wasser schien sich noch unter dem Griff eines sich nur langsam lichtenden Nebels zu winden, der dem jungen Tag momentan noch die Wärme raubte.

Dann hatte er sie plötzlich im Glas: zwei Schiffe, dicht beieinander, die Rümpfe in eine dichte Rauch- und Nebelwolke gehüllt; die zerfetzten Segel hingen körperlos über dem weiter unten verborgenen Kampf. Deutlich sichtbar waren jedoch die Flaggen: die eine blutrot wie die, die über ihm flatterte. Die andere rein und weiß, die Fahne Frankreichs.

Bolitho schob das Fernrohr mit einem Ruck zusammen.»Also gut, Mr. Okes, lassen Sie Alarm trommeln. Alle Mann auf Stationen. Klar zum Gefecht. «Er sah seine Offiziere fest an.»Wir müssen uns heute mit unserer ganzen Person einsetzen, meine Herren. Wenn die Mannschaft sieht, daß wir unser Bestes geben, werden die Leute willig ihre Pflicht tun. «Er lauschte auf das ferne Geschützfeuer.»Machen Sie weiter, Mr. Okes.»

Die Offiziere salutierten und sahen dann einander an, als wäre ihnen eben bewußt geworden, daß es für einige, vielleicht für alle der letzte Tag sein konnte. Doch da begann die Trommel zu rasseln und beendete den kurzen Moment innerer Bewegung.

XVII In Schlachtformation

Zehn Minuten nach dem Trommelsignal war die Phalarope klar zum Gefecht. Die Decks waren gesandet, Eimer mit Wasser standen in Reichweite jeder Kanone. Über dem Schiff lag eine sonderbare, alles beherrschende Stille, nur durch das unruhige Schlagen der Segel und das Rauschen der Bugwelle unterbrochen.

Bolitho legte die Hand über die Augen und betrachtete die unirdisch orangefarbene Glut der Sonne, die sich durch den nicht endenwollenden Dunst kämpfte. Das Krachen und Bellen der Geschütze war mit jeder Minute unregelmäßiger und sporadischer geworden. Während sich die Entfernung zwischen der Phalarope und den anderen Schiffen verringerte, drangen neue Laute herüber. Sie klangen bösartiger und doch irgendwie persönlicher. Bolitho hörte das scharfe Knattern von Gewehren und Pistolen, und Stahl klirrte gegen Stahl, übertönt von den Schreien der um ihr Leben kämpfenden Männer.

Okes wischte sich das Gesicht mit dem Handrücken und stieß hervor:»Dieser verdammte Nebel! Nicht zu sehen, was vorgeht.»

Bolitho sah ihn kurz an.»Er ist ein Gottesgeschenk, Mr. Okes. Sie haben zu viel zu tun, um uns zu bemerken. «Er winkte zum Rudergänger hinüber.»Einen Strich nach Steuerbord. «Danach ging er zur Querreling und blickte zu dem hochschauenden Herrick hinunter.

«Lassen Sie die Geschütze laden. Aber erst auf mein Kommando hin ausrennen.»

Die Kanoniere schoben Kartuschen in die Mündungen und stießen glänzende runde Kugeln hinterher. Die erfahreneren Geschützmeister nahmen sich die Zeit, jede Kugel beinahe liebevoll zu tätscheln und in der Hand zu wiegen. Die erste Salve sollte ein voller Erfolg werden.

«Doppelte Ladungen!«hörte er Herrick rufen.»Und Kartätschen, Jungs. Diesmal wollen wir es ihnen geben!»

Ein kräftigerer Windstoß schob den Dunst, der die Schiffe einhüllte, beiseite. Bolithos Lippen verzogen sich zu einem schmalen Strich. Mit dem Heck zur schnell heransegelnden Phalarope lag eine französische Fregatte. Neben ihr erkannte er die kleine Witch of Looe. Die Brigg hatte Schlagseite und war beinahe bis zur Unkenntlichkeit havariert. Ein Mast fehlte bereits, den anderen schienen nur noch die Reste des stehenden Gutes zu halten. Er dachte an ihren Kommandanten, den jungen Leutnant Dancer, dem er an Bord des Flaggschiffs begegnet war. Er staunte über den Schneid oder den vergeudeten Mut, der Dancer veranlaßt hatte, sich mit einem Gegner einzulassen, der ihm dermaßen überlegen war. Seine kleinen Knallbüchsen gegen die noch rauchenden Zwölfpfünder!

«Sie haben uns entdeckt, Sir«, sagte Okes. Er schluckte schwer, als etwas wie ein tierisches Knurren über das Wasser drang.»Mein Gott, sehen Sie bloß!»

Das zerschmetterte Deck der Witch of Looe schien von französischen Seeleuten überschwemmt. Während der treibende Pulverqualm einen Augenblick aufriß und die Sonne das Gemetzel beschien, sah Bolitho die kleine Gruppe, die das Achterdeck der Brigg noch verteidigte. In wenigen Minuten würde auch sie überwältigt sein.

Die Stückpforten der dem Gefecht abgewandten Seite der französischen Fregatte öffneten sich plötzlich, und die Kanonen wurden rumpelnd ausgefahren. Die feindliche Fregatte bleckte die Zähne.

Bolitho achtete nicht auf das Siegesgeschrei, das auf der französischen Fregatte ertönte, sondern konzentrierte sich völlig auf den ständig schmaler werdenden Streifen Wasser zwischen der Phalarope und dem Feind. Keine Kabellänge mehr, und kein Schiff in der Lage zu feuern. Der Bug der Phalarope zeigte fast haargenau auf das Heck des anderen Schiffs. Behielt sie den Kurs bei, würde der Bugspriet durch die Heckfenster stoßen. Auf der einen Seite des Franzosen lag mit Schlagseite die durchsiebte Witch of Looe, auf der anderen warteten die französischen Kanonen auf ein weiteres Opfer.

«Steuerbordbatterie ausrennen!»

Bolitho beobachtete, wie sich seine Leute in die Taljen legten. Quietschend und knarrend rollten die Kanonen die leichte Neigung des Decks hinauf, und die Rohre schoben sich durch die Pforten.

Von dem französischen Schiff drangen wüste Rufe herüber, unmenschliche Töne des Blutrauschs. Die Männer der Phalarope blieben kalt und wachsam. Ihre Augen blinzelten nicht, als die pockennarbigen Segel des Feindes immer höher über dem Bug aufwuchsen.

Bolithos Hände umspannten die Reling, während er langsam sagte:»So, Mr. Herrick, und nun schicken Sie Ihre Leute hinüber zur Backbordbatterie. «Er bemerkte die verdutzten Blicke und setzte kurz hinzu:»In einer Minute lege ich nach Steuerbord um und schere neben die Witch of Looe. Sie liegt tief im Wasser. Unsere Breitseite streicht über sie hinweg.»