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Herrick sah auf seine Hände hinunter. Sie zitterten nicht, doch es kam ihm vor, als habe er keine Sehne, keinen Muskel unter Kontrolle. Vor seinem geistigen Auge sah er die Beiboote der Phalarope achteraus treiben und dachte an Bolithos Ansprache an die Mannschaft: >. . und unter uns tausend Faden Wasser!< Er zuckte zusammen, denn eine weitere Breitseite ließ die Planken unter seinen Füßen erbeben. Tausend Faden tief, und jetzt nicht mal mehr ein Rettungsboot für die Überlebenden.

Herrick sah hoch. Bolitho war an die Querreling zurückgekommen und schaute zu ihm herunter. Er sprach kein Wort, lächelte ihm aber einen Augenblick zu, als wollte er ihm damit eine persönliche Botschaft übermitteln, ehe er rief:»Mr. Neale, rennen Sie nicht so. Oder haben Sie vergessen, daß unsere Leute Sie heute beobachten?»

Herrick wandte sich ab. Das konnte ebensogut ihm gegolten haben. Diese Entdeckung beruhigte ihn merkwürdig. Er ging zur Backbordbatterie und betrachtete die Reihe der Kanonen. In ein paar Minuten würden sie feuern. In ein paar Minuten. Er musterte die Gesichter der Bedienungsmannschaften und kam sich plötzlich erbärmlich vor.

«Na, Jungs, das ist besser als Übungen und Geschützdienst, wie?»

Zu seiner Überraschung lachten sie über seinen dummen Witz, und obwohl sich ihm der Magen zusammenzog, brachte er es fertig, mitzulachen.

Bolitho spähte durch das gleißende Sonnenlicht über die Luvreling. Die vor der Phalarope laufende Cassius hielt den Kurs, aber die dem Verband voraussegelnde Volcano brach die Formation und scherte nach Backbord aus, als zwei französische Fregatten auf sie zuhielten.

«Die ist erledigt«, stieß Rennie hervor.»Denn beistehen können wir ihr nicht.»

Die Wasseroberfläche flimmerte, als die Stückpforten der Volcano eine krachende Breitseite entließen, Kanone nach Kanone feuerte schnell hintereinander, jede sorgfältig gezielt. Doch die beiden französischen Fregatten stießen, unbeirrt und mit Windvorteil, von zwei Seiten auf die Volcano zu.

«Sie luvt an«, keuchte Proby.

Bolitho atmete schwer. Kapitän Fox war kein Narr, sondern tatsächlich so gerissen wie ein Fuchs. Während die zwei feindlichen Fregatten heranfegten, um ihr den Todesstoß zu versetzen, schwang die Volcano lässig in den Wind. Das der Volcano nächste französische Schiff bemerkte seinen Fehler ein paar Sekunden zu spät. Während die Rahen herumschwangen, traf es eine volle Salve der Volcano. Das französische Schiff taumelte, als habe es einen tödlichen Schlag erhalten. Über das Wasser klang zu Bolitho das Geräusch herabprasselnder Spieren herüber und das Rumpeln über das Deck rutschender Kanonen. Ansonsten verbarg der wogende Pulverqualm alles. Doch darüber sah Bolitho die Flagge der Volcano und alle ihre Masten. Sie standen noch.

«Signal vom Flaggschiff, Sir: >Zum Flaggschiff aufrücken<!«Maynard rannte los, um die Bestätigung zu hissen. Bolitho riß seine Blicke von der wendigen Volcano, die den Franzosen den Windvorteil abgewann. Die Cassius hielt direkt auf den feuerstarken Zweidecker mit der

Kommandantenflagge zu. Sie würde alle Unterstützung brauchen, die sie bekommen konnte. Fox mußte eine Weile sehen, wie er allein fertig wurde.

«Einen Strich nach Steuerbord!«Bolitho lief zur Reling. Er beugte sich weit vor und sah die Segel des Linienschiffes, das auf das britische Flaggschiff zuhielt. So mußten sie längsseits aneinander vorbeilaufen. Er rief zum Hauptdeck hinab:»Achtung, Mr. Herrick!»

Da brüllte Okes:»Der Franzose ändert den Kurs, Sir!«Er trat vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen.»Verdammt, Sir, er schert vor den Bug der Cassius. »

Entweder wollte der französische Kapitän einem Artillerieduell, Kanone gegen Kanone, aus dem Wege gehen, oder er beabsichtigte, den Bug und die Masten der Cassius zu bestreichen, während er ihren Kurs kreuzte. So oder so, er hatte seine Rechnung ohne die Zusatzsegel gemacht, die Admiral Napiers ältliches Flaggschiff beschleunigten. Statt aneinander vorbeizukommen, kollidierten die beiden schweren Schiffe am Bug im rechten Winkel. Ineinander verhakt, eröffneten sie das Feuer. Der Keil Wasser zwischen ihnen kochte und brodelte unter dem Feuerschein und dem schwarzen Rauch.

Erstarrt beobachtete Bolitho, wie der Vormast und die Groß-bramstenge der Cassius betrunken schwankten und dann in den alles verhüllenden Rauch und Pulverqualm hinabstürzten. Spieren zerfetzten die Leinwand und rissen die Leute aus der Tageklage.

Eine neue Breitseite zerriß die Luft. Bolitho wußte, daß die Vorschiffkanonen der Cassius und die des Feindes nur ein paar Fuß voneinander entfernt waren. Trotzdem blieben die Schiffe ineinander verklammert. Der zersplitterte Bugspriet und der zerschmetterte Klüverbaum eines jeden hatte sich in den Rumpf des anderen verbissen wie die Hauer zweier furchtbarer Bestien aus einem Albtraum.

Bolitho legte die Hände trichterförmig um den Mund.»Beide Karronaden nach Steuerbord. «Er winkte Proby zu.»Wir wollen uns hinter das Heck des Franzosen setzen. «Er duckte sich, denn eine Kugel pfiff über ihn hinweg und fetzte ein gezacktes Loch in das Besansegel. Ein Irrläufer der Giganten, aber deshalb nicht weniger tödlich. Die Leute um ihn herum husteten und wischten sich die Augen, denn der Rauch zog jetzt auch über die Decks der Phalarope.

Der Rudergänger fluchte, als die zerrissenen Segel der Cassius plötzlich wie ein Phantom über dem Qualm auftauchten. Aus der Stellung der Masten des Flaggschiffs sah Bolitho, daß er auf dem richtigen Kurs war. Der Rauch verschlang von neuem alles. Die Geschütze blitzten in doppelter Linie auf. Beide Schiffe feuerten aus allen Rohren im Direktschuß. Bolitho hörte die Schiffsrümpfe gegeneinanderknirschen. Die Schreie der Verwundeten und Sterbenden mischten sich mit dem unglaubhaften Klang der Trommel- und Pfeifenabteilung des Admirals. Unmöglich zu sagen, was sie spielten, oder wie man bei einem solchen Inferno, das nach jedem Leben griff, auf eine Melodie achten konnte.

Doch Bolitho rief:»Ein Hurra, Jungs! Eine Hurra dem Flaggschiff! »

Musketen knallten, und Bolitho hörte die Kugeln in das Schanzkleid schlagen und gegen die Neunpfünder jaulen.»Scharfschützen!«bellte Rennie.»Schießt die Schweine ab!«Aus der Takelage knallte eine Salve.

Der Wind schien sich gänzlich gelegt zu haben. In dem undurchdringlichen Rauch ließen sich allerdings weder Geschwindigkeit noch Entfernung abschätzen. Da zeichnete sich plötzlich das Heck des Zweideckers im Qualm ab. Wie eine Klippe hing es reich verziert über dem Steuerbordbug der Phalarope. Aus den Heckfenstern blitzte Musketenfeuer. Die Scharfschützen zielten auf die Back der Phalarope.

Bolitho hämmerte auf die Reling. Er achtete weder auf die pfeifenden Kugeln noch auf die Schreie vom Vorschiff. Er stellte sich das untere Kanonendeck des Feindes vor. Klar zum Gefecht gemacht, reihte sich von vorn bis achtern eine Kanone an die andere. Bolitho war als Fähnrich auf einem Linienschiff gefahren. Er wußte, daß mehr als dreihundert Mann die Kanonen bedienten, gebückt im Halbdunkel und halb erstickt durch den beißenden Qualm. Mannschaften, die mit ihren Kanonen vertraut waren, doch nicht allzu genau zielten.»Die Karronaden, Mr. McIntosh! Feuern, wenn wir das Heck kreuzen.»

Rennie grinste und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht.»Das wird ein paar umlegen, Sir.»

Das Kampfgetöse wurde von dem Krachen eines stürzenden Mastes und dem Pfeifen herabsausender Takelage übertönt. Bolitho biß sich auf die Lippen. Die Cassius war ein sehr altes Schiff. Noch viele solcher Treffer konnte sie nicht einstecken. Sie würde entweder auseinanderbrechen oder kämpfend untergehen. Er fragte sich, was aus der Volcano und dem angeschlagenen Dreidecker geworden sein mochte. Wenn er in der Lage war, ebenfalls einzugreifen, mußte alles in ein paar Minuten vorüber sein. In seinem untersten Kanonendeck stand ein Zweiunddreißigpfünder neben dem anderen. Eine solche Kugel schmetterte noch auf äußerste Entfernung durch feste Eichenbohlen von zweieinhalb Fuß. Bolitho wagte nicht daran zu denken, was dann mit den schwachen Planken der Phalarope geschehen würde.