Wie kommt dieses Flugzeug hierher? dachte sie. Obwohl, andererseits: Wie kommt Schwarzenegger hierher? Hm.
Komisch ist es trotzdem.
»Was ist das?« fragte sie.
»Eine Harrier A-4«, sagte Schwarzenegger. »Senkrecht startender und landender Abfangjäger.«
Maria sah die vielgerühmten Grübchen auf seinen Wangen: Schwarzenegger lächelte. Sie runzelte unmerklich ihre buschigen Brauen, und die Furcht machte der Eifersucht Platz. Sie gönnte diesem Rieseninsekt aus Glas und Metall nicht den Platz in Schwarzeneggers Herzen – mehr Platz womöglich, als sie selbst darin einnahm.
Schwarzenegger näherte sich dem Flieger. Da Maria sich, in Gedanken versunken, nicht gleich vom Fleck rührte, wurde sie nach vorn gerissen – so als wäre Schwarzenegger der Traktor und sie das in aller Eile angekuppelte landwirtschaftliche Gerät.
»Aber da ist doch nur ein Platz drin«, sagte sie nach einem Blick durch die Glashaube auf die Rückenlehne des Pilotensitzes.
»Das macht nichts«, sagte Schwarzenegger, packte sie bei den Hüften und setzte sie mit einem lockeren Schwung auf die Tragfläche.
Maria zog die Füße an, stellte sie auf die Schräge aus Duralumin und richtete sich auf. Ihre Kleider flatterten im Wind. Romantische Rollen lagen ihr besonders, fiel ihr ein.
»Und du?« fragte sie.
Doch Schwarzenegger war schon in der Kanzel – man konnte sich nur wundern, wie flink und gewandt er hineingeklettert war. Bestimmt ein geschickter Schnitt oder eine Montage! dachte Maria. Schwarzenegger steckte den Kopf aus der Luke, lächelte und formte Daumen und Zeigefinger zu einem Ring. Könnte gut ein Verlobungsring sein! dachte Maria.
»Setz dich auf den Rumpf«, sagte Schwarzenegger, »da, wo die Tragflächen anstoßen. Hab keine Angst. Denk einfach, es wäre ein Karussell. Stell dir vor, du säßest auf dem Reitpferdchen.«
»Du willst doch nicht etwa …«
Schwarzenegger nickte.
Seine schwarzen Brillengläser blickten geradewegs in Marias Seele, und sie begriff: Jetzt gleich, im nächsten Augenblick, würde sich ihr Schicksal entscheiden. Es war eine Prüfüng, soviel stand fest. Die Frau, die das Zeug hatte, an Schwarzeneggers Seite zu sein, durfte sich nicht als furchtsames Trantütchen entpuppen, das man allenfalls für flaue Nullachtfünfzehnserien mit trivialsexuellem Aufhänger brauchen konnte. Sie mußte imstande sein, der tödlichen Gefahr ins Auge zu sehen, und sie durfte keine Gefühle zeigen, außer einem Lächeln vielleicht. Maria zog versuchsweise den Mund breit und spürte, daß das Lächeln etwas zu matt ausfiel.
»Eine großartige Idee«, sagte sie. »Werd ich mich auch nicht erkälten?«
»Wir sind gleich zurück«, sagte Schwarzenegger. »Nimm Platz.«
Maria zuckte die Achseln, tat einen vorsichtigen Schritt auf den Rumpf zu, der wie die Mittelgräte eines Fisches zwischen den Tragflächen hervorstand, und setzte sich behutsam darauf nieder.
»No«, sagte Schwarzenegger, »die Nymphe kannst du spielen, wenn wir zu meiner Ranch in Kalifornien fahren. Setz dich richtig drauf. Es bläst dich sonst runter.«
Maria zögerte.
»Dreh dich weg«, sagte sie.
Schwarzeneggers linker Mundwinkel lächelte. Schwarzenegger drehte sich um. Maria schwang ein Bein über den Duraluminrücken und setzte sich wie auf einen Sattel. Das Metall unter ihr war kalt und etwas feucht vom Tau; sie erhob sich noch einmal, um die Jackenschöße unter sich zu stopfen, und hatte plötzlich das Gefühl, als preßten ihre delikatesten Körperteile den kantigen Schenkel eines auf dem Rücken liegenden Metallmannes – es hätte das Dshershinski-Monument sein können, knocked down by the wind of change, oder irgendein Höllenroboter. Ein Schauer durchrieselte sie, doch die Halluzination war im Nu verflogen. Dafür kam es ihr jetzt so vor, als säße sie auf einer eben aus dem Kühlschrank gezogenen Bratpfanne. Was hier gespielt wurde, gefiel ihr immer weniger.
»Arnold«, rief sie, »müssen wir das unbedingt tun?«
Diese Worte hielt sie eigentlich für ganz andere Anlässe parat, doch nun kamen sie ihr wie von selbst über die Lippen. Schwarzenegger überlegte.
»Du wolltest doch mit nach oben«, sagte er dann. »Aber wenn du Angst hast …«
»Nein«, überwand sich Maria zu sagen, »Angst nicht die Spur. Ich mach dir nur soviel Umstände.«
»I wo«, sagte Schwarzenegger. »Es wird gleich sehr laut werden, setz dir am besten deine Kopfhörer auf. Was hörst du da eigentlich?«
»›Jihad Crimson‹«, sagte Maria und rückte die kleinen rosa Polster auf den Ohren zu recht.
Schwarzeneggers Gesicht versteinerte. Wäre nicht der Wind gewesen, der seine wasserstoffsuperoxydgebleichten Haare zauste, Maria hätte zu dem Schluß kommen müssen, daß irgendwer aus der Crew den echten Schwarzenegger durch einen Dummy ersetzt hatte.
»Was ist los?« fragte sie erschrocken.
Schwarzenegger blieb eine ganze Weile reglos. Merkwürdige rote Reflexe flimmerten auf seinen Brillengläsern – es mußte das Herbstlaub der hinter den Garagen aufragenden Ahornbäume sein, was sich darin spiegelte.
»Arnie«, rief sie.
Schwarzeneggers Mundwinkel zuckte einige Male, dann schien sein Bewegungsvermögen zurückzukehren. Er drehte den Kopf – es ging nur mit Mühe, so als wäre in das Kugellager, worauf er sich drehte, Sand geraten.
»Crimson Dschihad?« fragte er nach.
»›Jihad Crimson‹«, erwiderte Maria. »Nusrat Fateh Ali Khan und Robert Fripp. Wieso?«
»Nur so«, sagte Schwarzenegger. »Vergiß es.«
Sein Kopf verschwand in der Kanzel. Irgendwo drunten, am metallenen Unterbauch des Flugzeugs, begann ein elektrisches Brummen, das sich binnen weniger Sekunden zu gigantischem Getöse steigerte. Maria war es, als spürte sie, wie die Kunststoffpölsterchen sich ihr in die Ohren preßten. Dann wurde sie elegant herumgeschwungen, und die Garagen tauchten unter ihr hinweg.
Schaukelnd wie ein Boot, stieg die »Harrier« senkrecht in die Höhe – Maria hatte gar nicht gewußt, daß es solche Flugzeuge gibt. Wenn sie die Augen schloß, so dachte sie, müßte sie sich weniger fürchten. Doch gewann die Neugier schnell die Oberhand; noch bevor eine Minute vergangen war, schlug sie die Augen wieder auf.
Das erste, was sie sah, nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte, war ein Fenster, das direkt auf sie zukam – es war bereits so nah, daß Maria auf dem Bildschirm des im Zimmer laufenden Fernsehers deutlich den Panzer sah, der seine Kanone in ihre Richtung drehte. Der Panzer auf dem Bildschirm feuerte ab, und im gleichen Moment neigte sich das Flugzeug heftig und trudelte von der Wand weg. Maria, die beinahe auf die Tragfläche gerutscht wäre, kreischte vor Angst, doch das Flugzeug gewann schnell die Balance zurück.
»Halt dich an der Antenne fest!« rief Schwarzenegger, der sich winkend aus der Kanzel beugte.
Marias Augen suchten. Direkt vor ihr ragte ein längliches, metallisches Etwas mit einer runden Verdickung am Ende aus dem Flugzeugrumpf – unklar, wieso sie es nicht früher bemerkt hatte. Es glich einem schmalen, aufrecht stehenden Stummelflügel und weckte in Maria sogleich schamlose Assoziationen – wenngleich in den Abmessungen üppiger, als man es im wirklichen Leben antraf. Ein einziger Blick auf dieses mächtige Teil genügte, daß die Angst in ihr einem freudigen Hochgefühl wich – eines, das sie mit all den schlaffen Miguels, ungewaschenen Ljonjas und beschwipsten Iwans so sehr vermißt hatte.
Hier war alles ganz anders: Die runde Verdickung am Antennenende hatte viele kleine Löchlein, was entfernt an einen Duschkopf erinnerte, doch zugleich an nichtirdische Formen des Lebens und der Liebe denken ließ. Maria deutete mit dem Finger darauf und sah fragend zu Schwarzenegger hin. Der nickte, grinste breit, und in seinen Zähnen spiegelte sich die Sonne.