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»Mhm«, machte er. »Dass es auch ständig ums Geld gehen muss, Mann. Aber man muss ja leben, was bleibt einem da schon übrig. Fährst du mit dem Bus raus?«

»Na ja, eigentlich hatte ich gehofft, dass mich jemand mitnimmt. Ich hab ein bisschen zu viel Geld ausgegeben, und um mir das Ticket leisten zu können, hätte ich wirklich mächtig am Essen sparen müssen.«

»Oh, Mann, ich weiß, wie das ist.« Er beugte sich zur Seite und machte die Beifahrertür auf. »Ich bin übrigens Reefer. Reefer Jones.«

»Marilyn Grant. Danke, Mann.« Sie zog den Koffer um den Wagen herum, verstaute ihn hinter dem Beifahrersitz, schob dann den Rucksack vor den Sitz und stieg ein, darauf bedacht, nicht wegen des salzigen Fischgeruchs die Nase zu rümpfen.

»Oh, wir müssen uns überlegen, wie wir das mit dir in den Papierkrieg reinbekommen.« Er grinste. »Tut mir Leid, aber mein Boss kann richtig eklig werden, wenn’s um Tramper geht. Hey, du kannst nicht etwa schießen, oder?«

Cally fummelte in ihrer Handtasche herum und reichte ihm eine durchaus authentische Schießplatzbestätigung aus Charleston, die erst ein paar Tage alt war und in der Marilyn Grant, Nicht-Einwohnerin, als Expertin ausgewiesen war.

»Bin da einfach hingegangen, ohne mir viel zu denken. Hab schon seit Jahren nicht mehr geschossen, aber meine Mom wollte, dass ich es lerne, du weißt schon«, sagte sie.

»Yeah, die meine auch. Ich schätze, der Krieg hat diese ganze Generation verrückt gemacht. Aber war schon in Ordnung, ich meine, wenn mir einer eine Postie-Scheibe zeigt und die von mir aufklappt, weiß ich, wie ich die abknalle.« Er lachte und kritzelte etwas auf sein Klemmbrett. »Okay, ich werde dich als freiberufliche Wache eintragen. Da hat der Boss dann nichts einzuwenden. Der hat sein ganzes Leben in den Urbs verbracht, ist dann wegen der Knete nach Charleston gekommen, Mann, der alte Knacker hat die Hosen gestrichen voll, wenn’s um Posties geht.« Er zuckte die Achseln und ließ den VW-Bus anrollen, als die Schlange sich langsam in Bewegung setzte. »Ich fahre diese Tour jetzt seit fünf Jahren, und in der ganzen Zeit ist uns noch nie ein Postie näher gerückt, den diese Typen«, damit wies er auf einen Maschinengewehrturm auf dem Dach eines Neunachsers, »nicht in Stücke gesägt hätten, ehe er uns auch nur nahe gekommen ist.«

»Passiert das oft?«, fragte sie, wobei ihre Augen groß und rund wurden.

»Nee.« Er bot ihr einen Streifen Kaugummi an und schob sich selbst einen in den Mund. »So etwa bei jeder zweiten Fahrt. Das ist immer recht ärgerlich, weil der ganze Konvoi anhalten muss, während die sich den Kopf holen, damit sie ihre Prämie kriegen.« Er tat so, als müsse er sich übergeben. »Na ja, normalerweise halten wir nicht richtig an. Die verlieren bloß ihren Platz in der Schlange, und wir werden ein wenig langsamer.« Er deutete erneut auf die Trucks. »Von diesen Typen hat jeder irgendwo dort droben einen Boma-Säbel untergebracht, also kostet es nicht viel Zeit.«

Während er redete, waren sie ans Tor gerollt, und jetzt reichte er der Wache ihre Schießkarte und die seine, zeigte dem Mann den Colt.45 neben seinem Sitz und den zweiten im Handschuhkasten. »Dem Boss wird es sogar recht sein, dass du dabei bist, denn mit einem zusätzlichen Schützen sinkt die Konvoigebühr.« Er zuckte die Achseln, nahm ihre Karten wieder in Empfang, reichte ihr die ihre hinüber und steckte die seine in die Brieftasche.

Es dauerte noch eine Viertelstunde, bis die Wachen die restlichen Fahrzeuge freigegeben hatten und die Gruppe mit der Fahrt in die echte Zivilisation beginnen konnte.

»Nächste Station Columbia.« Er drehte seine Stereoanlage ein wenig auf und warf ihr dabei einen fragenden Blick zu. »Wo willst du denn übrigens hin?«

»Cincinnati.«

»Oh. Dann kannst du ja sozusagen die ganze Tour mitmachen. Das ist cool.« Plötzlich runzelte er die Stirn. »Ich muss dann bloß so tun, als ob du in Knoxville ausgestiegen wärst, wenn die Konvoizone endet.«

»Kriegst du meinetwegen Ärger?«

Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. »Nee, eigentlich nicht. Der Boss ist gar kein so übler Typ. Wenn er es spitzkriegt, werde ich ihm einfach sagen, das sei Teil deiner Gebühr gewesen dafür, dass du von hier bis Knoxville als Wache mitfährst.«

»Was fährst du denn?«, fragte sie höflich und blickte über die Schulter in den hinteren Bereich des Fahrzeugs, wo mehrere voll gepackte Aquarien vor sich hin gluckerten, deren Luftaustauscher ein paar Zentimeter über die geschlossenen Deckel hinausragten.

»Blaukrabben. Lebend, weißt du? Da gibt’s so’n paar reiche Typen in Chicago, die das Zeug gern frisch haben.« Er zuckte die Achseln.

»Und warum gerade du und nicht einer von denen?« Sie deutete auf die Sattelschlepper vor und hinter ihnen.

»Ja, weißt du, das ist so ne Art Nischenmarkt. Die fahren gefrorenes Zeug, und einige von ihnen haben lebende Austern und Muscheln und solches Zeug auf Eis. Krabben sind da sehr empfindlich. Aber wenn man ein wenig von dem richtigen Zeug ins Wasser tut, geht das schon.« Er grinste. »Und man kann ’ne ganze Menge von den kleinen Biestern in die Tanks reinpacken.«

»Wie, die sind mit irgendwas so voll gepumpt, dass sie einander nicht in Stücke reißen? Hat das keine Auswirkungen? Ich meine, man isst sie doch schließlich.«

»Also, im Grunde genommen«, erklärte er fröhlich grinsend, »muss man sie bloß in einen sauberen Salzwassertank bringen, dann sind sie in sechs Stunden wieder auf dem Damm. Und Krabben-Valium hat wirklich keine so starke Wirkung auf Menschen, weißt du.«

Als damit alles Berufliche erledigt war, schien er mehr daran interessiert zu sein, sich seine Musik anzuhören als mit ihr zu plaudern. Cally kam das durchaus gelegen. Es war bestimmt schon zehn Jahre her, seit sie die Zeit oder das Bedürfnis gehabt hätte, die Überlandroute aus Charleston heraus zu nehmen, und ihre Augen wurden allmählich glasig, als draußen Kilometer um Kilometer Fichtenwälder vorbeizogen, gelegentlich mit verbrannten Stellen oder Abat-Wiesen dazwischen.

Erst als sie sich zwei Stunden später Columbia näherten, wichen die jetzt gemischten Wälder Getreidefeldern und Viehweiden, alle von Sensorstangen eingegrenzt.

»Ich schätze, der Aufwand für die Sensoren und den Strom, den man ja dafür braucht, holen die sich aus ihren Prämien«, meinte sie.

»Diese Prämienfarmer sind richtig komische Vögel. Wenigstens die Hälfte von ihrem Einkommen verdienen die sich mit Prämien, und die Hälfte davon geben sie dafür aus, gegen Abat und Grat zu kämpfen. Richtige Einzelgänger. Vor fünfzehn Jahren hat es da mal einen gegeben, der völlig durchgedreht hat und den sie dabei erwischt haben, wie er, ob du’s nun glaubst oder nicht, Posties gezüchtet hat. Das war vor meiner Zeit, aber er hatte neben seinem Land einen Postie-Gottkönig, mit dem er, so wie ich das mitgekriegt habe, einen Deal hatte, dass der ihm die Köpfe von Postie-Normalen gleich nach dem Nestlingsstadium geliefert hat und dafür mit der Hälfte am Profit beteiligt war. Die haben dem wirklich übel zugesetzt, als sie ihn erwischt haben.«

»Wie haben sie ihn denn erwischt?«, fragte sie höflich, weil Marilyn sich nicht an die Story erinnern würde.

»Er hat ständig doppelt so viele Prämien geliefert wie die anderen Typen in seiner Umgebung. Ich schätze, da ist einfach einer argwöhnisch geworden. Als der Postie-Gottkönig das nächste Mal geliefert hat, hatten die ihn beobachtet und so.« Er schob sich einen frischen Streifen Kaugummi in den Mund. »Das wirklich Irre war, als die dann rauskriegten, wo dieser Postie gelebt hatte. Mann, das war das reinste Elsternnest. Stanniol, polierte Pennys, verchromte Fahrradlenkstangen, Autoteile und solches Zeug, sogar etwas Gold. Dieser Postie muss total durchgeknallt gewesen sein, ich meine, was hatte der schon für eine Chance?!« Er zuckte die Achseln, und dann fuhren sie eine Weile schweigend dahin, bis der Konvoi allmählich langsamer wurde, als die vordersten Fahrzeuge das Tor der Columbia-Handelsstation erreichten.