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Durch die Tore hineinzufahren ging wesentlich schneller, als die Abfahrt von Charleston gewesen war. Die Wachen von Columbia wollten die Tore offensichtlich so kurz wie möglich offen lassen, deshalb ließen sie den ganzen Konvoi hinein und schlossen dann das riesige Stahltor hinter ihnen, ehe sie mit dem Papierkrieg anfingen.

Während Reefer darauf wartete, sich einzutragen, wies er mit einer weit ausholenden Handbewegung über den riesigen Parkplatz auf ein niedriges Gebäude mit Benzinzapfsäulen davor. Einer der Tanker ganz vorne war neben das Gebäude gefahren und hakte jetzt seine Schläuche aus.

»Sobald ich hier durch bin, muss ich nachtanken. So läuft das hier mit dieser Konvoigeschichte. Die lassen dich nicht weg, wenn du nicht voll getankt hast. Falls du dir die Beine ein wenig vertreten oder was trinken willst oder sonst was — das hier ist die letzte Station vor Spartanburg in drei Stunden.«

In ihrer Touristenrolle war es ganz normal, dass sie Neugierde zeigte, also nutzte sie die Gelegenheit, sich alles gründlich anzusehen, während sie zum Stationsgebäude schlenderte, um sich dort in die Schlange an der Toilette einzureihen. In zehn Jahren hatte sich hier nicht viel verändert. Den Asphalt des großen Parkplatzes hatte man ein wenig ausgebessert, aber das lag auch schon eine Weile zurück. Die Mauern hatten sie nicht ausgeweitet — das hätte nur eine Vergrößerung der Verteidigungsmauern bedeutet, die sie im Notfall besetzen mussten. Oh, der Laden war ein wenig besser sortiert, und ein paar mehr Kinder wimmelten mit Frauen von den Farmen herum, die hier einkauften, aber im Großen und Ganzen war es einfach ein typischer General Store, wo es Futtermittel und Saatgut gab und ein Zentrum für die Prämienbearbeitung. Sie kaufte sich ein Glas Apfelsaft und ein paar Salzbrezeln und ging wieder auf den Parkplatz hinaus. Die einzige Mechanikerstation war heute mit einem Traktor beschäftigt. Zum Glück schien niemand im Konvoi entsprechenden Bedarf zu haben. Drüben bei der Verbrennungsanlage zahlte der Prämienagent für ein paar Postie-Köpfe. Sie rümpfte die Nase, als der Wind umschlug und ihr den unvergesslichen Gestank von toten Posleen herübertrug, in den sich Motoröl und Auspuffdämpfe mischten. Mit ihrem Imbiss ging sie zu dem VW-Bus zurück und entfernte sich damit von den widerlichen Trophäen. Sie betrachtete die verschiedenen Trucks und Busse und dazwischen hie und da auch einen Personenwagen und seufzte. Es würde vermutlich noch mindestens eine Viertelstunde dauern, bis sie sich wieder in Bewegung setzten, und sehr viel mehr gab es hier eigentlich nicht zu sehen. Deshalb zog sie ihren PDA heraus und nutzte den Rest der Pause, um sich durch die Tagesnachrichten zu klicken.

Die Straße nach Spartanburg wirkte recht ruhig, die Landschaft entlang der Autobahn wechselte von Feldern und Kühen in der Nähe von Columbia zu dichten Pinien- und Pappelwäldern, die ein paar Meter hinter der Roundup-Zone begannen. Diese Bezeichnung im Volksmund für die Ränder der Fernstraße war dem Tanklastwagen zuzuschreiben, der alle paar Monate hinter dem Konvoi mit einem Sprühansatz herfuhr, um den Straßenrand mit billigem Herbizid zu besprühen. Die Bundesbehörden hatten schon recht früh entschieden, dass dies einfacher, billiger und sicherer war als Mähtrupps einzusetzen, um ein kleines, aber hinreichendes freies Schussfeld zu erzeugen. Im Frühjahr wanderten Ausläufer des Buschwerks schnell wieder zurück, um das verlockende freie Gelände mit reichlich Sonneneinstrahlung zurückzugewinnen — so wie es aussah, würde bald eine neue Runde des Sprühtrucks erforderlich sein.

Die zarte Vegetation am Rand war für die Herden von Whitetails besonders attraktiv, die sich an das ungestörte Äsen morgens und abends gewöhnt hatten, wenn sie weder von Konvois noch von anderem Verkehr gestört wurden. Gelegentlich auftretende wilde Posleen sorgten dafür, dass die Herde klein blieb. Gesunde Rehe konnten gewöhnlich vereinzelte Posleen-Normale wittern und ihnen so entkommen. Unglücklicherweise für die Rehe reichte das aber nicht aus, wilde Normale von ständigen Versuchen dieser Art abzuhalten. Dies wurde dem Konvoi klar, als ein Jährlingsbock unmittelbar vor einem Kirchenvan aus Nashville aus dem Gebüsch schoss, diesen zu einer Vollbremsung veranlasste, was wiederum den Sattelschlepper dahinter auf den Van aufprallen ließ, weil er nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte.

Callys erster Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmte, war das Knirschen von Metall hinter ihnen und das Schnattern eines Maschinengewehrs, es klang wie eines der MG-90, die auf den Sattelschleppern montiert waren. Sie griff sich die.45 aus dem Handschuhkasten, während Reefer eine Verwünschung ausstieß und das Steuer herumriss, als der Fahrer des Busses vor ihnen auf die Bremse trat und mitten auf seiner Fahrspur anhielt, sodass der Van etwas langsamer dicht neben dem Bus zum Stillstand kam. Auf die ganze Länge des Konvois hielten die etwa dreißig Fahrzeuge an, aus denen er bestand, und die Fahrer und Schützen suchten zuerst nach Posleen, sahen dann, als sie keine entdeckten, auf ihre Detektoren und schalteten ihre Funkgeräte auf Kanal neunzehn für die offizielle Konvoiinformation.

»Eingangstür, hier Truck siebzehn.« Die Frauenstimme sprach im gedehnten Tonfall der Texaner. »Wir haben einen toten Postie, ein defektes mittleres Passagierfahrzeug und ein paar kleinere Fahrzeugschäden hier hinten. Negativ zu Postie-Emissionen und hochwertigem Gerät. Negativ Kamm. Bloß ein weiteres wildes Normales. Wir brauchen einen Sani und müssen die irgendwo unterbringen, weil der Van nicht mehr funktioniert. Bitte kommen.« Der Empfang war ungewöhnlich klar, schlicht und einfach, weil der Funkverkehr kaum Konkurrenz hatte. Freilich, es gab ein wenig Knistern von Sonnenflecken und anderem unvermeidbarem Zeug, aber dies war jedenfalls eine überraschend billige Methode, einen Konvoi zusammenzuhalten. Außerdem entsprach es der Tradition.

»Verstanden, Siebzehn. Johnny, hast du deine Ohren an?«

»Verstanden, Eingangstür. Ich habe meine kleine schwarze Tasche und bin unterwegs, bitte kommen.«

»Verstanden. Siebzehn, alles, was nicht beschädigt ist, soll sich aufreihen, und Johnny soll wieder anrufen, sobald er die Verletzten versorgt hat. Bitte kommen.«

»Ver-stan … Larry, hör auf, an dem Ding rumzufingern. Das kannst du machen, sobald wir diese Kirchenleute … ups. Das Ding ist immer noch an. Tut mir Leid, Eingangstür, Ende.«

»Hey … äh … Marilyn?« Reefer war um seinen Bus herum auf die rechte Seite gegangen, wo sie mit dem Rücken zum Bus stand das Geschehen aufmerksam beobachtete. »Kannst ruhig wieder einsteigen und das Ding in den Handschuhkasten tun, Mann, ich meine, ist ja ziemlich blöd, wenn einer von diesen Posties auf die Straße gerannt kommt, aber ehrlich gesagt, seit ich hier fahre, ist nie mehr als eins von diesen Dingern auf die Straße gerannt gekommen.«

Cally ging zum Bus zurück, warf einen Blick auf den Sensor am Armaturenbrett und stieg wieder ein. Die Waffe verwahrte sie nicht im Handschuhkasten, aber Reefer zuckte bloß die Achseln und schob sich einen frischen Streifen Kaugummi rein. Selbst noch vor zwanzig Jahren hätte der Konvoi einen Kreis gebildet statt einfach stehen zu bleiben wie ein Rudel Kindergartenkinder. Diese Gleichgültigkeit beunruhigte sie, aber als sie die negativen Sensoranzeigen am Armaturenbrett und auf dem Bildschirm ihres PDA sah, der mit dem Straßennetz verlinkt war, ging ihr Adrenalinpegel langsam zurück, und die Zeit floss wieder im normalen Tempo dahin.

Obwohl es ihr natürlich länger vorkam, dauerte es tatsächlich nur etwa zehn Minuten, bis der Konvoi sich wieder in Bewegung setzte, um einen Van kürzer, aber ohne Verluste an Menschenleben. Auf der anderen Seite der Straße, an der Baumgrenze, äste ein Rehbock ungerührt im frischen Grün.

Die Trading and Bounty Station von Spartanburg unterschied sich kaum von der von Columbia. Die Stadt war nicht Teil von Fortress Forward gewesen, und deshalb war der Zustand der Gebäude ganz unterschiedlich: eine ganze Anzahl waren durch Selbstzerstörungssysteme gesprengt worden, manche andere von den Posleen geplündert. Aber der Leerstand während der Posleen-Besetzung und der zögernde Verlauf der Rückgewinnung durch die Menschen hatte den aus der Vorkriegszeit stammenden Teilen der Stadt zugesetzt. Genau genommen war die Station nicht Teil der ursprünglichen Vorkriegsstadt. Vielmehr hatte man eine der am wenigsten beschädigten Ansammlungen von Tankstellen und Raststationen repariert, zusätzlich eine Verbrennungsanlage und Stromgeneratoren zur Versorgung der Station installiert und dazu den nötigen Wasserturm sowie entsprechende Abwasseranlagen gebaut. Das Bundesbüro für Wiederaufbau hatte einen Wall um die neu entstandene Anlage und ein paar benachbarte Gebäude errichtet, einen Fertigbau für das Personal dazugestellt und es damit gut sein lassen.