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Es war früher Abend, aber noch recht hell, als der Konvoi in den Baldwin-Pass einfuhr, wo die Southeast Asheville Urb lag. Sie bogen vom Blue Ridge Parkway auf die Victoria Road und fuhren durch die zerfallenen Überreste vierzig Jahre alter Befestigungsanlagen in das Tal — mit einem Sammelsurium von Sensorboxen und Sendern bestückte Anlagen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit die ortsansässigen Bauern dort angebracht hatten und auch unterhielten, weil sie mehr daran interessiert waren, ihr Land und ihr Vieh zu schützen, als irgendwelche Abschussprämien zu sammeln. Asheville verfügte über Energie, ausreichenden Schutz und reichliche Kühlmöglichkeiten und war deshalb Rinderland; es verkaufte einen großen Teil seines minderwertigen Rindfleischs an die örtlichen Urbs und schickte die besseren Qualitäten nach Charleston, damit die Touristen dort ein gepflegtes Steak-Dinner bestellen konnten. Reefer, offensichtlich ein Städter, hatte die Fenster wieder geschlossen und die Klimatisierung eingeschaltet, als der erste Schwall Kuhmist hereingeweht war — ihr machte das nichts aus.

Das Allererste, was Cally auffiel, als sie in Sichtweite der Fahrzeugbereitstellungszone von Asheville Urb kamen, war die größere Zahl von Menschen, die den Wall besetzt hatten, und die geringe Aufmerksamkeit, die all die Menschen ihrer Aufgabe widmeten. Einige trugen Kopfhörer, die aber ihrem rhythmischen Kopfnicken nach zu schließen Musik und nicht etwa Informationen lieferten. An einer Ecke des Walls plauderte eine junge Frau in Wachuniform mit einem Zivilisten. Eine weibliche Uniformierte stand über dem Einfahrtstor und blickte nach draußen. Aber während ihre Augen die Hügel absuchten, sah es die meiste Zeit nach ihren Handbewegungen zu schließen aus, als hätte sie auf der Mauerkrone ein Solitärspiel liegen, mit dem sie befasst war.

»Ich denke, so dicht bei der Zivilisation gibt es nicht allzu viele Wilde«, meinte Cally als sie durchs Tor fuhren, schlüpfte wieder in ihre Sandalen und schloss den Roman, den sie gerade auf ihrem PDA las.

»Hä?«

»Also, diese Wachen, ich muss schon sagen, die sahen doch recht gelangweilt aus. Nicht dass ich große Vergleichsmöglichkeiten hätte, denn bei uns zuhause haben wir die nicht«, sagte sie.

»Oh, yeah«, nickte er. »Die sind hier ziemlich locker, weißt du? Ich war schon oft mit ihnen zusammen, wenn ich hier durchkam. Das Mädchen, mit dem ich geredet habe, hat gesagt, es wird ganz gut bezahlt, und das ist auch ein Bundesjob, also sind die Nebenleistungen in Ordnung.« Er schluckte und schob sich wieder einmal einen Streifen Kaugummi hinein. »Für mich wäre das nichts, Mann, ich meine, nicht dass es stressig wäre oder so, aber ich könnt’s einfach nicht ertragen, für den Bund zu arbeiten.«

»Ich auch nicht«, meinte sie grinsend. »Und was passiert jetzt?«

»Na ja, ich muss halt auf die Tussi von einem der Restaurants warten und hören, was sie kaufen möchte, und dann muss ich meinen Bus morgen für den Konvoi herrichten. Und dann, na ja, ich schätze Abendessen und irgendwo übernachten. Vielleicht finde ich eine Party, aber eine, wo’s nicht zu heiß hergeht, du weißt schon, wo ich doch morgen wieder fahren muss.« Einen Augenblick lang wirkte er ziemlich unschlüssig. »Oh, tut mir Leid.«

»Du musst hier oft durchkommen. Ich frag dich ja ungern, wo du ja schon so viel für mich getan hast, aber könntest du mir vielleicht einen Tipp geben, wo ich zu Abend essen kann und, na ja, auch übernachten, aber es darf nicht so teuer sein?«, fragte sie und sah dabei zu Boden und scharrte mit dem Fuß im Sand.

»Oh, kein Problem. Ich treffe mich mit einer Freundin, also bin ich bis morgen früh völlig weggetreten, sei mir nicht böse. Ah … die Cafeteria ist große Scheiße, also geh da gar nicht erst hin. Dort zahlst du mit Asheville-Urb-Kaloriencredits, und bei dem Wechselkurs ziehen die dir das Fell über die Ohren. Ich schätze, am besten bist du in der Mall dran, dort gibt’s ne Menge Verkaufsstände. Taco Hell war ganz in Ordnung, als ich das letzte Mal dort war, aber das liegt jetzt schon ein paar Monate zurück, und damals war ich ganz knapp bei Kasse. Was Zimmer betrifft, würde ich dir, wenn du ein Kerl wärst, sagen, nimm das Motel vor dem Wall und lass dein Zeug im Bus, aber an deiner Stelle würde ich mir da ehrlich gesagt lieber einen Urbie-Typen für ’nen One-Night-Stand aussuchen, denn besonders elegant ist die Bude nicht.« Er runzelte die Stirn, kratzte sich das Kinn unter seinem Bart und blickte verdrossen. »Scheiße. Bleib doch einfach da, bis Janet kommt. Vielleicht weiß sie was für dich, für die Nacht, meine ich, die Hotelpreise in der Urb sind einfach unglaublich, ehrlich, Mädchen.«

»Oh, nein, ist schon in Ordnung. Ich will mich nicht in dein Date drängen oder so was. Ich meine, ich habe mir schließlich die Busfahrt hierher gespart und hatte vor, über Nacht zu bleiben. Das geht schon klar.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm und lächelte beruhigend.

»Ach was, bleib einfach da. Dann lernst du Janet kennen, und wir können zusammen reingehen. Ich kann wenigstens dafür sorgen, dass die dich nicht zu schlimm bescheißen, wenn du dein Hotelzimmer mietest. Oh, ’tschuldigung.« Et ließ sie einfach stehen und ging zu einer etwas übergewichtigen Frau in mittleren Jahren hinüber, die ein Klemmbrett in der Hand hielt und einen kleinen Wagen mit einem Eimer hinter sich herzog, der halb voll Wasser war.

Während Reefer und die Restaurantbesitzerin feilschten, wandte Cally sich wieder Marilyns Liebesroman auf ihrem PDA zu und lehnte sich dabei an den Bus, aus dessen offenem Fenster Musik drang … dog has not been fed in years. It’s even worse than it appears but it’s all right. Cows giving kerosene, kid can’t read at seventeen …

Nach einer Weile zog die ältere Frau ihren Wagen weiter, wobei ein wenig Wasser aus dem Eimer spritzte. Reefer blieb zurück und machte sich eine Weile an seinen Tanks zu schaffen, während allmählich die Nachmittagssonne hinter den Bergen versank. Schließlich seufzte er, kam zu ihr herüber, kratzte sich mit einer Hand am Hinterkopf und blickte in den Sonnenuntergang. »Äh … hör mal, du würdest mir einen großen Gefallen tun, wenn du hier ein paar Minuten auf Janet warten würdest, während ich mich für den Konvoi morgen eintrage. Ich meine, sie kennt meinen Bus, also, wenn du sie siehst … äh … sie ist ziemlich schmächtig, okay? Und sie hat gerades, schwarzes Haar, bis hierher, und dürfte so alt sein wie du. Hast du … äh … wie soll ich das sagen … äh … hast du je von den Gothic-Leuten gehört?«, fragte er.

»Äh … nein. Na ja, weißt du … sie trägt meistens Schwarz, okay? Und Silberschmuck. Wahrscheinlich wird sie ’ne ganze Menge Silberschmuck tragen. Und an einem Handgelenk hat sie eine echt coole Tätowierung, so etwas Keltisches. Links, denke ich. Du kannst sie gar nicht übersehen. Also … äh … wenn sie hier … äh … auftaucht, während ich weg bin, und das wird sie wahrscheinlich, würdest du ihr da sagen, dass ich gleich wieder da bin?« Er biss sich auf die Unterlippe, reckte den Hals und sah zum Eingang der Urb hinüber, als könnte er sie heraufbeschwören, wenn er nur oft genug hinsah.