»Mr … Jones. Schön, Sie hier zu finden«, sagte der andere Mann. Er war eher schmächtig gebaut und mit einer Badehose bekleidet, aber etwas an seinem Haarschnitt und seiner Haltung deutete auf militärischen oder polizeilichen Hintergrund. Mit seinem dunklen Haar und den dunklen Augen wirkte er beinahe wie ein Teenager, allenfalls Anfang zwanzig, aber die alten Augen ließen sofort den Runderneuerten erkennen.
»Mr. Smith. Wir waren doch erst heute Abend verabredet.« Die Stimme des Mannes mit der beginnenden Glatze wirkte leicht gereizt.
»Nun ja, sagen wir, ich habe mich nach Ihrer faszinierenden Gesellschaft gesehnt, Mr. Jones.«
»Nun, dann setzen Sie sich doch«, meinte Mr. Jones und deutete auf den Sand neben sich, wobei er den anderen mit einem etwas reptilhaften Lächeln musterte. Die Ungeduld konnte Geld bedeuten. Geld bedeutete schöne, langbeinige Frauen in wesentlich intimerer Umgebung. Er würde sich für Mr. Smith Zeit nehmen.
»Ihre andere Information hat sich als richtig erwiesen, wie Sie ja sicherlich bereits festgestellt haben, als Sie zuletzt Ihren Kontostand überprüften. Das steigert die Aussicht auf weitere Geschäfte. Wir wären beispielsweise bereit, großzügig für den Namen einer Organisation zu bezahlen.«
»Ich halte sehr viel von beruflicher Sicherheit, Mr. Smith. Zu viel zu schnell macht mich ersetzbar. Oder, noch schlimmer, verzichtbar. Wie wäre es mit dem Namen eines anderen Agenten — an einer Stelle, wo Sie bereits penetrieren konnten?«
»Dafür würden wir einhunderttausend FedCreds bezahlen.«
»Was?! Das ist ja nur die Hälfte von dem, was Sie für den letzten bezahlt haben.«
»Die wissen nichts, Mr. Jones. Was Ihnen ja zweifellos bekannt ist. Wir wollen ein wenig mehr. Wir wollen etwas in Ihrer Organisation, Mr. Jones. Oh, wir sind bereit, für die Namen weiterer Agenten in unserer Organisation zu bezahlen. Schließlich muss man ja sein Haus in Ordnung halten. Aber wir zahlen wesentlich mehr für, nun ja mehr. Mehr, Mr. Jones. Aber hunderttausend FedCreds sind eine Menge Geld. Wir hätten natürlich Verständnis dafür, wenn Sie lieber auf Nummer Sicher gehen und sich mit weniger einverstanden erklären würden.«
Der Mann mit der Glatze knirschte mit den Zähnen, während der militärisch aussehende Mann ihn lächelnd musterte. Es war kein sonderlich nettes Lächeln. Es wirkte irgendwie wissend und auf die Weise alles andere als freundlich.
»Ich werde ein wenig darüber nachdenken müssen, was ich Ihnen in dieser Hinsicht anbieten kann.«
»Das verstehe ich durchaus, Mr. Jones. Vergessen Sie nur bitte nicht, dass wir für mehr auch mehr bezahlen werden. Und für weniger weniger.« Der Mann stand auf und wischte sich den Sand von seiner Badehose. »Bis heute Abend, Mr. Jones.«
Asheville Urb
Donnerstag, 16. Mai
Cally fuhr in ihrem Bett in die Höhe und sah sich im Zimmer um, als eine unbekannte Stimme vergnügt dröhnte: »Mann! Raus aus den Federn. Die Brandung ist da, und das wird ein gewaltiger Tag!« Reefer stöhnte und versuchte, sich unter seinem Kopfkissen zu verstecken. Sie streckte sich über ihn hinweg, schaltete seinen verdammten PDA aus und sah dann zu, schnell wieder auf ihre Seite zu kommen.
»Hey, Reef, Konvoizeit.« Sie schüttelte ihn an der Schulter und zog ihm das Kissen weg.
Seine rot geränderten Augen öffneten sich, und er starrte sie desorientiert an, ehe er schließlich die Beine über den niedrigen Bettrand schwang und in seine Jeans schlüpfte.
»Der Morgen«, verkündete er weise, »ist eine Ungehörigkeit in sich.«
Sie legte den Kopf etwas zur Seite, musterte ihn prüfend und überlegte, wie klug es wohl war, in einem von diesem Mann gesteuerten Fahrzeug unterwegs zu sein.
»Provigil?«, bot sie vergnügt an.
»Scheiße, ja, wenn du welches hast«, sagte er.
Sie wühlte eine Weile in ihrem Rucksack und brachte dann eine Tablette zum Vorschein, die sie ihm in die Hand drückte. Seine Augen weiteten sich, als er auf der himmelblauen Pille das in der Mitte eingeprägte »C« sah.
»Du scheinst gute Quellen zu haben.« Er schluckte die Pille trocken und spülte dann mit abgestandenem Bier vom Vorabend nach. »Dieser Scheiß ist Militärstandard.«
»Haben wir Zeit für fünf Minuten Duschen?« Sie rieb sich die linke Gesichtsseite, die nach ungewaschenem Mann roch, was ihr verriet, dass er in der Nacht ihr Kissen gewesen war.
»Wenn du wirklich fünf Minuten meinst und es dir nichts ausmacht, dass ich mir nebenher das Gesicht einschäume und die Zähne putze, während du dort drinnen bist. Vielleicht sollte ich auch duschen. Ich glaube, ich miefe ziemlich. Tut mir Leid«, sagte er.
»Kein Problem.« Sie griff sich mit einer Hand ihren Rucksack und ging.
Später, als sie darauf warteten, dass der Konvoi sich formierte und in Bewegung setzte, trank sie Kaffee, mampfte einen Proteinriegel und blickte zu dem Berggipfel auf, der sich über der Urb erhob. Scott Mountain stand auf der Tafel. Wie der kleinere Berg im Osten hieß wusste sie nicht, aber zwischen den Bäumen waren noch die Überreste der alten Befestigungsanlagen zu sehen. Jetzt natürlich unbesetzt. Das Eis arbeitete sich sicherlich jeden Winter tiefer in die Fugen.
»Danke für letzte Nacht«, riss Reefer sie aus ihren Gedanken. »Äh … Janet sagt, du kannst jederzeit wieder bei ihr übernachten.«
»Ich habe fast die ganze Zeit geschlafen.« Sie nahm einen großen Schluck Kaffee. »Will ich eigentlich wissen, was du mit den beiden gemacht hast?«
»Wahrscheinlich nicht.« Er grinste.
»Tödlich?«
»Oh, Teufel, nein! Man kann doch nicht rumlaufen und Bullen umbringen, und wenn sie noch so dämlich sind. Das wäre ungesund, Mann.«
»Okay.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, ich bin immer noch nicht wach. Bullen waren das? Meinst du, die können uns aufspüren oder fangen oder so etwas?« Sie sah sich mit ängstlicher Miene um, als würden gleich aus dem Parkplatz Polizisten emporsprießen.
»Keine Panik.« Er legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »In den zweiundvierzig Jahren meines Lebens hat man mich erst zweimal erwischt, weißt du? Und in den letzten zehn überhaupt nicht. Bullen sind auch nur Menschen.«
»Hat man dich, ich meine, du weißt schon, in den Knast gesteckt?« Ihre Augen wurden noch ein wenig größer und runder, als sie ihn über den Rand ihres Bechers ansah.
»Nee. Hab das Gewerbe von meiner Mom gelernt, und die war echt klasse. Weil sie die richtigen Leute gekannt hat, weißt du? Aber verdammt teuer war das.« Er blickte in die Ferne und stopfte sich wieder einmal einen Streifen Kaugummi in den Mund. »Meine Mom hat gesagt, dass die Bullen und die Politiker vor dem Krieg, was soll ich sagen, echt eklig waren, weißt du, ich meine, die haben den Leuten ständig dreingeredet, was sie nehmen dürfen, um high zu werden. Und jetzt, na ja, da gibt’s schon ein paar Bullen, die sich drum kümmern, aber die meisten lassen sich schmieren, und man muss einfach zusehen, dass man genügend weit nach oben kommt, und dann, ich meine, wenn man genügend Knete hinlegt, ist alles weg. Aber Bullen umbringen — also, in dem Punkt sind die immer noch richtig stur. Da gibt’s wohl nichts, was das ändert. Oder wenn es was gibt, dann weiß ich es nicht, weißt du?«
»Hör auf, von umbringen zu reden, Mann.« Sie fröstelte. »Du fängst an, mir Angst zu machen.«
»Oh, na ja, was weiß ich.« Er zuckte die Achseln, drückte seinen Lieblingswürfel in das Gerät und schaltete auf Mix. »Sieht so aus, als würd’s jetzt losgehen.«