Выбрать главу

Sie klappte ihren PDA auf und wandte sich wieder Marilyns Roman zu, gähnte gelegentlich, wenn der Luftdruck sich mit der Höhe änderte, als sie auf die I-40 rollten und später durch die Smokies fuhren.

Never mind how I stumble and fall. You imagine me sipping champagne from your boot for a taste of your elegant pride …

Das Seltsame an den Smokies war, dass sie einen immer wieder überraschten, ganz gleich wie oft man durchkam.

Die Blue Ridge bereiteten einen in keiner Weise auf die mächtigen Mauern aus feuchtem, dunklem Felsgestein vor, von denen jeder damals als Befestigungsmauer hätte dienen können, was sich aber als unnötig erwiesen hatte, weil es so einfach und auch wenig aufwändig gewesen war, den I-40-Tunnel für die Sprengung vorzubereiten. Zum Glück für die Leute in Asheville hatte sich das nie als notwendig erwiesen.

Ganz offensichtlich hatte man hier in letzter Zeit weniger Zeit und Geld für den Straßenunterhalt aufwenden können, als das offenbar in einem anderen Zeitalter der Fall gewesen war. Die Überreste von Schutznetzen oder Zäunen oder was auch immer das sein mochte, hingen nach wie vor an den nackten Klippen über der Straße, aber sie kamen wesentlich langsamer voran, als es möglich gewesen wäre, weil man ja nie wusste, wann man plötzlich ein Ausweichmanöver um einen Felsbrocken mitten auf der Straße fahren musste, den bis jetzt noch niemand hatte beiseite schaffen können. Ein paar Stellen, wahrscheinlich einige der schlimmsten, den alten, verrosteten Tafeln nach zu schließen, die vor Felsrutschen warnten, hatte man irgendwann einmal mit GalPlas überzogen, aber nach der fleckigen Oberfläche solcher Stellen zu schließen, war das schon eine ganze Weile her.

Nach dem Tunnel und nach Überschreiten der Grenze nach Tennessee wurde der Straßenzustand erheblich besser, aber die University of Tennessee hatte auch dafür gesorgt, dass die Wirtschaft von Tennessee zu einem der Glanzpunkte der Nachkriegserde geworden war. Seit Bundesmittel für Fernstraßen absolut der Vergangenheit angehörten, wenn man von ganz seltenen Ausnahmen wie der Strecke von Charleston zur Green-River-Brücke absah, konnte man den Wohlstand oder die Not eines Bundesstaates deutlich von seinen Straßen ablesen.

Dann endlich: Knoxville. Sie blickte auf, als sie an den Tennessee River kamen, und sah, während sie über die Brücke rollten, auf die Wasserfläche hinunter. Auf der Straße von Asheville, besonders nach der Ausfahrt nach Gatlinburg, hatten sie eine Menge nicht konvoigebundenen Verkehr gesehen, der sich in die Mischung aus Personen- und Lastfahrzeugen auf der Straße mengte. Selbst jetzt, am späten Vormittag, trug der Konvoi dazu bei, den Verkehr in Richtung auf die Ausfahrt Asheville zu verlangsamen.

»Wir erreichen hier in Volunteer Park sozusagen das Ende des Konvois«, sagte er, als sie von der Fernstraße abbogen. »Du warst als Beifahrerin echt cool, weißt du das? Wenn du Lust hast, kannst du ruhig bis nach Cincinnati mitkommen, Mann. Du bist dann zwar nicht mehr Wache oder so was, aber jetzt gibt’s ja keine Konvoitypen mehr, die mich bei meinem Boss anschwärzen, weil ich einen Passagier habe, und drum ist’s eigentlich egal. Ich kann ja immer sagen, dass ich dich in Knoxville abgesetzt habe, weißt du?«

Der Parkplatz war frisch asphaltiert, vor kurzem auch neu gestrichen worden und groß genug, um etwa doppelt so viele Fahrzeuge wie den augenblicklichen Konvoi aufzunehmen. Im Park gab es ein paar Spielplätze, die jetzt mitten am Schultag leer waren, eine Hand voll Zedern und gepflegte Blumenrabatten umgaben ihn, ein bunter Spielplatz, wo ein paar Mütter einer Schar Kinder dabei zusahen, wie sie auf den Schaukeln und Klettergerüsten herumtollten. Zwei kleine Mädchen in Shorts und T-Shirts, eine mit dünnem, hellblondem Haar, die andere mit braunen Locken, waren damit beschäftigt, in einem Sandkasten, der wie eine riesige Schildkröte aussah, eine Sandburg zu bauen.

»Also, wenn du mal für kleine Mädchen musst oder so, dann solltest du dich vielleicht beeilen und dich dann anstellen, ehe der Bus entladen wird, weißt du?«

Als Reefer das sagte, zuckte sie zusammen, als hätte sie einen Augenblick lang vergessen, wo sie war, und sah ihn dann mit glasigen Augen an, während er fortfuhr: »Ich brauche bloß ein paar Minuten, um mich von der Konvoiliste abzumelden, mein Pfand zurückzubekommen, und dann haben wir Zeit. Man braucht den Konvoi ja wegen der Sicherheit, aber, verdammt noch mal, er ist auch mächtig langsam.«

Er scheuchte sie zur Tür hinaus, und während sie über den Parkplatz eilte, um den anderen zuvorzukommen, sah sie, wie er auf die Gruppe Fahrer zuging, die sich um den Konvoimeister sammelte.

Die Toiletten befanden sich in einem schlichten Gebäude aus Hohlblocksteinen, aber es gab eine ganze Reihe davon. Da sie dem Bus zuvorgekommen war, brauchte sie nicht zu warten. Man soll nie die Gelegenheit auslassen, zu essen, zu schlafen oder zu pinkeln, und das gilt doppelt, wenn man eine Frau ist — zumindest, was Letzteres angeht.

Sie kontrollierte ihr Abbild im Spiegel. Die Dauerwelle hielt, wie erwartet, recht gut. Die Kontaktlinsen waren in Ordnung, aber heute Abend würde sie sie rausnehmen und säubern. Der Nagellack war abgesprungen und musste ausgebessert werden — gründlich sogar.

Noch vor Reefer war sie wieder bei dem VW-Bus, setzte sich auf die hintere Stoßstange und holte ihren rosa Nagellack heraus. Sie zitterte dabei bewusst etwas, damit das Ergebnis nicht zu fachmännisch aussah. Als er ein oder zwei Minuten später zurückkam, waren die Nägel bereits wieder trocken.

Jetzt wieder im Funkbereich, lud sie sich zwei weitere Romane herunter, während er den Benzinstand überprüfte. »Ich habe in der Innenstadt was zu erledigen, weißt du? Wir können uns ja in Lexington was zu essen besorgen.«

»Mich hat es gewundert, dass du in Asheville etwas von deiner Ladung verkauft hast. Ich meine, würden die denn nicht in Chicago mehr bezahlen? Ich weiß, was ich in Cincy für lebende Blaukrabben bezahlen müsste, wenn es dort welche gäbe.«

»Oh, ja, das würden die schon. Dieser Typ, ich meine, ich mache den Umweg für ihn, weil er ein guter Freund ist, aber er zahlt Chicago-Preise wie alle anderen auch, weißt du? Und was den Rest der Tour angeht, dann rufe ich vorher schon an, wenn ich ungefähr weiß, wann ich durchkomme, und, weißt du, wenn die dann was wollen, dann erwarten sie mich schon an der Ausfahrt und übernehmen die Ware. Aber eigentlich bringe ich alles bis ans Ende der Tour. Wenn dort nicht die Typen mit dem dicken Geld sitzen würden, dann würde sich die Tour sowieso nicht lohnen.«

Als sie auf der 1-40 in die Innenstadt rollten, bildete die Skyline von Knoxville einen willkommenen Kontrast zu all den Bergen und dem Farmland, obwohl sie ein wenig durch leichten Smog verdeckt war.

»Was ist das für ein Riesenmikrofon?«

»Hä? Oh, du meinst den Turm mit dem Ball oben drauf? Yeah, Mann, ich schätze, das sieht tatsächlich wie so ein altmodisches Mikrofon aus. Das stammt noch aus der Zeit vor dem Krieg. Ein Überrest von irgendeiner Vorkriegs-›Welt‹, weißt du?« Er schwenkte auf die 158 ab und nahm Kurs auf den Fluss.

»Oh, das ist interessant. Wo ist denn das Restaurant von deinem Freund?«

»Direkt am Fluss. Klasse Bude mit einem Steg und allem Möglichen.«

»Stimmt was nicht mit meinen Augen oder ist alles wirklich plötzlich orange geworden?« Als sie in die West Cumberland bogen, waren plötzlich überall große orangefarbene Transparente und Ballons mit einem silbernen Atomsymbol darauf aufgetaucht. Sie fuhren unter einem riesigen Transparent quer über die Straße durch, auf dem »AntimatterFest ›47‹!« stand. Und ein weiteres Transparent begrüßte sie in Knoxville, »Geburtsstätte des Antimaterie Zeitalters!«

»Oh, Mann!«, stöhnte er. »Das habe ich völlig vergessen. Die drehen dafür ja total durch. Hoffentlich finden wir einen Parkplatz.« Er kratzte sich am Kopf und überlegte kurz. »Kannst du fahren?«