»Oh, ja, freilich … warum?«
»Na ja, diese Leute reißen mir sofort den Arsch auf, wenn ich auch nur daran denke, auf der Straße hier in zweiter Reihe zu parken.« Dabei deutete er auf die Fußgänger, von denen mindestens die Hälfte orange Hütchen mit darüber kreisenden silbernen Atomhologrammen trugen. »Scheiße, Mann, man sollte niemals eine Stadt, die elektronischen Kram produziert, mit einem dämlichen Fest verbinden. Antimateriefeuerwerk und alles das. Völlig plemplem«, maulte er und schüttelte sich angewidert.
Die Ampel vor ihnen schaltete auf Gelb, deshalb wurde er langsamer und bremste schließlich knapp hinter dem Wagen vor ihm ab.
»Rutsch rüber!« Er drosch den Schalthebel in Parkposition, löste seinen Sitzgurt und war schon draußen. »Fahr nicht weg, bevor ich hinten drin bin, Mann!«, schrie er.
Sie klappte den Mund zu und rutschte auf den Fahrersitz hinüber, packte die Tür, die er offen gelassen hatte, stellte sich den Sitz ein und überprüfte ihre Spiegel, während er die Hintertür des VW-Busses aufriss, sich zwischen seine Tanks zwängte und darauf die Tür hinter sich wieder schloss.
»Äh, ich muss da Zeug hinten rausholen. Bieg an der nächsten Ampel links ab und dann noch mal links auf die West Main. Fahr einfach ne Weile um den Block rum, klar? Bitte.«
Wie er dort hinten herumtaumelte, den Tanks auswich, ein Stück doppelten Boden aufschraubte, sich dabei die Zehe anstieß, zwei vakuumverpackte Pakete in inzwischen vertrauter getrockneter Vegetation aus der Vertiefung zog und dann ungeschickt versuchte, die Bodenplatte während der Fahrt wieder zu befestigen, war zum Lachen, und sie hatte einige Mühe, ernst zu bleiben, aber schließlich hatte er es geschafft, seufzte tief, schnappte sich seinen Rucksack, stopfte die beiden Päckchen und deckte sie mit Kleidungsstücken zu.
»Okay, diesmal nicht abbiegen, geradeaus, ein Stück weiter, dann in diese Seitenstraße, yeah, genau, perfekt. Okay, dort jetzt anhalten, siehst du die blaue Tafel? Okay, dort bitte anhalten.« Er griff nach seinem PDA und tastete aus dem Gedächtnis eine Nummer ein. »Hey, Pete, na, wer wohl, Mann? Jo, höchstpersönlich. An deiner Laderampe, Mann. Na, jetzt natürlich. Freilich, ich hätt schon angerufen, aber weißt du, ich war voll beschäftigt, all den Leuten auf den Straßen auszuweichen, verstehst du? So, da bist du …« Er legte auf, als ein kleinwüchsiger, rundlicher Mann in einer weißen Schürze herausgerannt kam, und riss die Tür auf.
»Himmel, Ree- Mr. Jones, Sie wissen, dass ich hier nur die Krabben entgegennehme, ich hatte nicht Zeit, Joey zu holen. Mein Ruf! Ich kann es mir nicht leisten, dass man mich erwischt. Das ist gar nicht gut, Mr. Jones.«
»Also, jetzt hör mal zu, wir wollen diesen Shit jetzt gleich wieder in Deckung bringen. Bei all den Leuten, die hier rumwimmeln, wäre es viel riskanter für dich gewesen, Joey rauszuschicken, und das weißt du auch genau.« Cally lächelte still in sich hinein, als sie bemerkte, wie sich die Sprache ihres Fahrers veränderte.
»Na schön. Dies eine Mal. Komm rein und schnapp dir einen Eimer. Ich habe heute ’ne Menge Extrakunden und kann ein paar mehr gebrauchen. Wer ist sie denn?«
»Die ist cool. Komm.« Er drängte den Mann zum Tor. Der Dicke sah so aus, als würde er jeden Augenblick explodieren. Nachdem sie verschwunden waren, sah sich Cally verstohlen die Waffe an, die Reefer zurückgelassen hatte, vergewisserte sich, dass das Magazin voll und die Waffe durchgeladen war, und verwischte dann sorgfältig ihre Abdrücke, ehe sie sie wieder beiseite legte. Nicht, dass ihre Fingerabdrücke irgendwo registriert gewesen wären, aber es lohnte sich halt nicht, irgendwelche Risiken einzugehen.
Er kam allein wieder heraus, mit einem großen Eimer Salzwasser, schaufelte eine Ladung regloser Krabben hinein und murmelte dabei halblaut vor sich hin, während er den Eimer aufnahm. »Ist schon okay, Marilyn. Alles cool. Mein … Freund, der ist, was soll ich dir sagen, ein wenig scheu, weißt du? In fünf Minuten sind wir wieder unterwegs. Echt.«
Ihre Körpersprache war locker und entspannt, aber ganz ruhig, bis er allein wieder herauskam, den etwas leichteren Rucksack auf der Schulter, die hintere Tür des Busses schloss und sie vor der Fahrertür stehend mit einer Handbewegung aufforderte, wieder auf ihre Seite zu rutschen. Sie ließ dabei den Rückspiegel nicht aus den Augen und entspannte sich ein wenig, als sie die 275 erreicht hatten und die Innenstadt verließen.
»Ich muss mich entschuldigen für dieses Theater gerade, und nochmals, vielen Dank, dass du mir echt den Hintern gerettet hast. Mit Fahren, weißt du?« Er sah prüfend zu ihr hinüber. »Also, ich muss schon sagen, du bist echt cool, wenn’s eng wird, Marilyn. Wenn du das Leben auf dem College je satt haben solltest und einen Job willst, solltest du zu mir kommen. Ein wenig Ausbildung, dann würdest du das prima schaffen.«
»Oh, vielen Dank, Reefer.« Sie sah zum Fenster hinaus und biss sich leicht auf die Unterlippe. »Ich hoffe, dass ich es mit Kunst oder mit meiner Musik schaffe, aber du weißt ja, wie das Leben ist. Ich fühle mich wirklich geschmeichelt. Ich schätze, das tut mir wirklich gut, ich meine, dass ich da einen potenziellen Job bei dir habe, für den Fall, dass die Dinge, du weißt schon, sich nicht so entwickeln, wie ich mir das wünsche.«
Er gab einen Grunzlaut von sich und schob sich den nächsten Streifen Kaugummi hinein. Dann herrschte Schweigen zwischen ihnen, als sie durch die tiefen Einschnitte der Smokies fuhren, manche mit lockerem Geröll, das mit GalPlas fixiert war, einer Reihe Drainagelöchern unten und einige aus schwarzer Kohle, die in großen Hügeln aus dem GalPlas herauswuchs und nur wenige Zoll unter der Oberfläche in eine dünne, braune Schicht Mutterboden überging.
»Wenn man das sieht, versteht man, wie Tagebau funktioniert«, meinte sie und deutete auf die von der Fernstraße aufgeschnittenen Kohleberge.
»Ja, freilich, klar. Aber absolut Scheiße für die Umwelt.«
»Das waren die Posties auch.«
»Das sind die immer noch, Mann. Denk allein an den langfristigen Schaden durch Schädlinge, vor allem diese Grat und diese Abat. Wirklich Scheiße. Verdammte Aliens.«
»Oh, bist du Humanist? Hätte ich gar nicht gedacht, Reef.« Sie musterte ihn interessiert.
»Na ja, ich meine, die Krabben sind ja ziemlich ruhige Typen, wenn man mal die ganze Schaukelei hinter sich hat. Überspannt, aber man hat das Gefühl, dass sie wirklich auf diesen Aufklärungsscheiß aus sind. Und die kleinen grünen Typen, die sind einfach bloß scheu. Die Frogs, andererseits, gehen mir ziemlich auf den Geist. Schließlich weiß man nie, ob sie einen beobachten. Und die Darhel, na ja … das sind Kapitalisten, weißt du? Und, na ja, über die Posties wissen wir ja alle Bescheid. Ich denke bloß, dass die Erde echt besser dran war, ehe die hier aufgetaucht sind. Ich meine, ich bin froh, dass wir nicht alle aufgefressen worden sind, aber irgendwie wäre mir lieber, wenn die jetzt wieder verduften würden. Ich bin kein echter Humanist oder so was, aber verstehen kann ich die Leute schon. Weißt du, wir haben einander gerettet, und jetzt verschwindet gefälligst. Aber in der Öffentlichkeit würde ich das nicht so gerne sagen. Das ist ungesund.«
»Ja, wahrscheinlich. Auf dem Campus haben wir auch Humanisten, aber mir kam das immer mehr wie so’n Verschwörungskram vor.« Sie zuckte die Achseln.
»Yeah, na ja, wie alt bist du denn, zwanzig? Ich bin doppelt so alt, Mann. Wenn du erlebt hättest, wie die vernünftiger klingenden Humanisten jung wegsterben und die Spinner es sich gut gehen lassen, und wie die Vernünftigen Unfälle haben und so … irgendwie komisch, Mann, da dran stimmt doch was nicht … weißt du, ich halte bloß die Augen offen und mach den Mund nicht auf. Nicht dass ich mich auf diese Darhel-Verschwörungstheorie einlassen würde. Ich schätze, da geht’s mehr darum, dass die großen Konzerne so viel Geld wie möglich an sich raffen wollen — das ist wieder dieselbe Geschichte wie früher mit dem militärisch-industriellen Komplex, weißt du. Sich mit diesem ganzen Establishment-Ding anzulegen, das geht nur, wenn man einfach aussteigt, weißt du? Manchmal habe ich das Gefühl, wir schaffen es nur dann, dass dieser Planet wieder zu dem Garten wird, der er sein könnte, wenn die Aliens alle ihre Sachen packen und nach Hause gehen und man dann die großen Konzerne total verbietet. Dann würden wir alle wieder echt frei leben, weißt du? Aber ich schaffe es gerade, dass ich so frei lebe wie ich kann und mein Maul nicht weit genug aufreiße, um auf die Liste der Konzerne zu kommen, verstehst du?«