»Könnte schon sein. Kommt ganz darauf an, was Sie wollen und wie es bei Ihnen mit Geld aussieht.«
Sie zog ein abgegriffenes Bündel FedCreds und Dollars heraus und zeigte es ihm, ehe sie es wortlos wieder in die linke vordere Tasche steckte.
»Yeah, wir können reden.« Er bedeutete ihr mit einer Handbewegung, ihm in das Zwielicht des Korridors hinter dem Wandgemälde zu folgen. »Überrascht mich eigentlich, dass Sie es ohne Schwierigkeiten bis hierher geschafft haben, noch dazu mit so viel Geld.«
»Ich habe gewöhnlich keinen Ärger, zumindest sucht er mich nicht.« Sie zuckte die Achseln, und ihr Blick schien in die Ferne zu wandern. »Das liegt wohl an meinem Gesicht.«
»Soll mir recht sein. Was wollen Sie denn kaufen?«
Sie verließ den jungen Mann mit wesentlich weniger Geld, dafür aber den nötigen Präparaten und Spritzen, einer kleinen Flasche Äther und ihrer teuersten Erwerbung, einem guten Luftreiniger — glücklicherweise inzwischen ein ziemlich alltäglicher Gegenstand für all diejenigen, die in einer Urb etwas … Sensitives brauchten. In der normalen Einkaufszone fand sie noch eine billige Heizplatte, ein paar Markerstifte, einen kleinen Mörser mit dazugehörigem Pistill, Salz- und Pfefferstreuergarnitur mit Schraubdeckel, ein paar Trinkgläser, eine Flasche Scheibenreiniger sowie eine Schachtel mit langen, hölzernen Partyzahnstochern. Damit war genügend gut versorgt, um zu ihrem Motel zurückzukehren und dort etwas zu kochen.
Es kostete ein wenig Fantasie und Geschick, um ihren Koffer, den Hotelwecker und die Gideons-Bibel aus der Nachttischschublade so anzuordnen, dass sie den Luftreiniger über der Heizplatte positionieren konnte. Sie zermahlte die verschiedenen Feststoffe, bis sie die entsprechende Konsistenz angenommen hatten, um sich in dem warmen Äther aufzulösen. Das erforderte einige Geduld. Ein paar weitere Flaschen aus ihrem Koffer lieferten einige Stoffe, die man in Petanes Kreislauf finden musste. Voilà. Sofortiger Hinweis auf Missbrauch. Gut für etwa zweiundsiebzig Stunden in Lösung. Wenn am Montag irgendetwas schiefgeht, werde ich frisch ansetzen müssen. Sie goss die Lösungen in einen der Salzstreuer, verklebte die Löcher im Deckel mit Isolierband und markierte beide — rot für sie, blau für ihn — stellte sie in den kleinen Kühlschrank und hängte anschließend das »Nicht-stören-Schild« draußen an den Türknopf. Zimmerservice konnte sie jetzt wirklich nicht gebrauchen, nicht wahr?
Sie machte sauber, verstaute die Sachen in der untersten Schublade der Kommode und stellte das Uhrenradio des Hotels neu ein, nachdem sie es wieder dort eingestöpselt hatte, wo es hingehörte. Erstaunlich eigentlich, dass es erst vier Uhr am Nachmittag war. Gerade genug Zeit, um einen Happen zu essen und sich ein schickes, neues Outfit zu kaufen — sie rümpfte die Nase angesichts der Falten, die ihre Kleider im Koffer bekommen hatten — ehe sie ausging. So, und wo kann ein Mädchen jetzt am Samstagabend in Chicago ein wenig Unterhaltung finden?
6
Ein paar Minuten nach sieben bestieg sie den Expresszug zum Rekrutierungsbüro von Fleet Strike. Sie war mit einem karierten blauen Faltenmini, knöchellangen Socken, flachen schwarzen Lederpumps und einem weißen Oxfordhemd bekleidet. Die paar Minuten der Zugfahrt benutzte sie dazu, rosafarbenen Lippenstift aufzulegen, sich die Nägel im gleichen Rosa zu lackieren und ihre großen, braunen Augen mit geschicktem Make-up noch größer erscheinen zu lassen. Danke, Wendy, richtige Waschbärenaugen, kann man sagen.
Die Daten im Netz waren richtig gewesen. Gegenüber der Bahnstation stand ein bescheidenes holzverkleidetes Gebäude, das offensichtlich wie eine Strandhütte aus der Vorkriegszeit aussehen sollte, mit einer Tafel, die in Englisch und in japanischen Kanji-Schriftzeichen potenzielle Gäste darüber informierte, dass sie vor dem Famous New Kobe Sushi Bar and Pool Saloon standen. Eine kleine Wolke aus dichtem Tabakrauch schlug ihr durch die Tür entgegen, als sie sie öffnete, und mit ihr eine nicht unangenehme Mischung aus Sojasauce, Ingwer, Wasabi und Bier. Den zahlreichen Fleet-Uniformen nach zu schließen, hatte sie den richtigen Ort gefunden. Sie lächelte verschmitzt über ein paar bewundernde Pfiffe, die offenbar ihr galten, sah sich im Raum um und schloss aus den diversen Flaschen und Dosen auf den Tischen, dass man hier Bier aus Milwaukee schätzte. Sollte ihr recht sein. Sie nahm an der Bar Platz, bestellte sich ein Bier und äußerte keine Einwände, als einer der Raumsoldaten an der Bar anbot, sie dazu einzuladen.
»Na ja, ich kann eigentlich nicht gut fragen, ob du oft hierher kommst, weil ich mich dann sicher an dich erinnern würde, also … nun ja, hi, ich bin Eric Takeuchi.« Er streckte ihr die Hand entgegen, aber als er dann danach griff, schüttelte er sie nicht etwa, sondern führte sie an die Lippen, beobachtete sie dabei aber aufmerksam, um sicherzugehen, dass er ihr nicht zu nahe trat.
Verführer. Ob ich spielen will? Keine Ahnung. Sie musterte ihn, bildete sich mit einem Blick eine Meinung über ihn. Das glatte schwarze Haar, das vorne eine Spur zu lang war und ihm in die Stirn fiel, das vergnügte männliche Interesse in den dunkelbraunen Augen, die makellose Uniform. Sieht ja ganz nett aus, denke ich, aber wahrscheinlich mehr Charmeur als wirklich aufrichtig. Kann’s noch nicht sagen. Einen Happen mit ihm essen und ein paar Runden Billard. Vielleicht, wenn er mit Stil verlieren kann.
Sie versuchte ihr Sashimi-Mix selbst zu bezahlen, nahm aber höflich an, als er dagegen protestierte.
»Ein paar Runden Billard?« Sie deutete mit ihrem Bier zu einem Billardtisch hinüber, der gerade frei geworden war.
»Gern. Du magst also Billard?«
Freundlich, liebenswürdig, aber nicht übermäßig intelligent. Sie nahm mit der anderen Hand ihren Teller, ging zu dem Tisch hinüber, stellte ihren Teller auf den Tisch und suchte sich unter den Queues im Regal eins aus, das einigermaßen gerade war.
»Willst du anfangen?« Er stellte sein Bier neben das ihre, nahm sich selbst ein Queue und lehnte es an den Tisch, während er die Kugeln aufbaute.
»Ja, gern.« Immerhin konnte er die Kugeln regelgemäß ordnen. Sie rieb sich die Finger mit Kreide ein, ehe sie die weiße Kugel von ihm entgegennahm — legte sie hin, bereitete sich auf ihren Stoß vor und stieß dann zu, unterdrückte ein selbstgefälliges Grinsen, als zwei Halbe eine Tasche fanden.
»Schätze, da muss ich mich anstrengen.« Er prostete ihr mit seinem Bier zu. »Sauberer Stoß für ein Mädchen.«
»Ja, kann man sagen.« Sie nickte und blickte ihm nach, wie er aufstand und um den Tisch herumging, um seinen Stoß auszuführen.
»Das hast du wohl schon mal gehört.«
»Vielleicht sogar ein paarmal.« Sie grinste verkniffen. Na ja, wie viele blöde Redensarten gibt es schon, die ich bei meinem Alter nicht schon mal gehört habe. Mitgehen oder nicht, das ist die Frage. Ach was, benimm dich, Cally … aber das hat er sich verdient. Nee, muss mich benehmen.
Sie zeigte auf Kugel vierzehn, sagte die Tasche in der linken Ecke an und stieß dann eine Spur zu heftig zu. Die Kugel verfehlte die Tasche, prallte auf das Tuch zurück, sodass die Weiße für einen einfachen Stoß auf die Kugel in der rechten Tasche dalag. Sie zuckte überzeugend zusammen und zog einen Schmollmund. »Na ja, wenigstens habe ich keine von deinen Kugeln versenkt. Du bist dran.«
»Äh, ja.« Er sah sie einen Augenblick lang an und schüttelte den Kopf, als würde er gern etwas sagen, habe es sich dann aber anders überlegt.
»Was?« Sie grinste, tauchte eine Nori-Rolle in die Wasabi-Sauce, biss davon ab und beobachtete ihn, wobei sie für den Fall, dass Sauce heruntertropfen sollte, die andere Hand unter das Kinn hielt.