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»Hören Sie, muss ich das wirklich noch einmal alles runterhaspeln? Ihr wisst das doch alles. Ich war in meiner Loge ziemlich weit oben. Ich war Freimaurer, mein Dad war ebenfalls Freimaurer gewesen und sein Dad auch. Und das waren anständige Leute, ich habe ihnen vertraut und sie haben mir vertraut, aber dann seid ihr Typen von der Abwehr aufgetaucht …«

»Und haben Sie gekauft.«

»Na ja, ihr habt nach Clubs und nach Verbindungen und Geheimgesellschaften und all dem gefragt, und ich wollte helfen und alles …«

»Im Austausch für …«, lieferte sie ihm das Stichwort.

»Na schön, ja, ich war euch Typen ja dankbar, dass ihr ein Unrecht ausgeglichen habt, indem ihr die Beurteilung dieses selbstgerechten Arschlochs habt verschwinden lassen, okay? Und ihr wolltet auch ständig alle möglichen Albernheiten wissen, und jeder weiß, dass dieses paranoide Gerede, die Freimaurer seien eine Geheimgesellschaft, absoluter Quatsch ist. Jedenfalls wolltet ihr dann wissen, wo denn auswärtige Logenmitglieder unterkämen, wenn sie in die Stadt kamen. Und ich wusste das nicht, bloß dass ein jüngeres Logenmitglied glaubte, ich sei bereits so weit oben, dass ich es bereits wüsste, und sich verplappert hat. Na ja, und dann war ich schon ziemlich sauer, als ich hörte, dass da in meiner eigenen Loge unsaubere Dinge im Gange waren, von denen mir keiner etwas gesagt hatte.«

»Und was, dachten Sie, dass wir mit dieser Information anfangen würden?«

»Hören Sie, ich habe darüber nicht nachgedacht, falls Sie das meinen. Ging mich ja schließlich nichts an. Was hatte die Loge denn schon für mich getan? Als ob die mir die Verjüngung für mich und meine Frau angeboten hätten, und außerdem hatten wir damals zuhause ziemlichen Ärger, und ich sollte sie ohnehin kriegen, jedenfalls war ich dankbar, dass ihr das Ganze beschleunigt habt. Aber über eure Beweggründe große Spekulationen anzustellen stand mir ja schließlich nicht zu, oder?« Einen Augenblick lang wirkte er verwirrt, und er verstummte, blinzelte ein paarmal.

»Hey, wie kommt es, dass Sie einen Buckley haben und nicht etwa ein AID?«, fragte er.

»Die Verjüngung wäre doch für dieselbe Frau, die Sie jetzt gerade betrügen,, oder?« Ihre Handbewegung bezog das ganze Apartment ein.

»Hey, ich liebe meine Frau«, protestierte er, »aber aktive, dominante Männer waren nie für Jahrhunderte der Monogamie geschaffen. Das ist etwas, was Frauen einfach nicht an uns Männern verstehen, falls Sie begreifen, was ich damit meine. Wir Männer sind schließlich das, was wir sind. Aber ich liebe meine Frau. Und Sie haben mir immer noch nicht gesagt, weshalb Sie kein AID haben.« Das sagte er mit der selbstgefälligen Miene eines Menschen, der es raffiniert geschafft hat, plötzlich die Oberhand zu bekommen.

»Sie sind schon wirklich ein armseliger Wicht, oder? Ich stelle hier die Fragen.«

»Augenblick mal, da brauchen Sie nicht gleich pampig zu werden. Ihr habt mir immer den Ausweis gezeigt, ehe …«

Sie sah, wie seine Gesichtszüge erstarrten, als schließlich der Groschen fiel und seine Lippen sich zusammenpressten. Was für ein totaler Schwachkopf. Ein ganzes Team wegen dieses Idioten verbrannt, wegen ihm und den anderen Schwachköpfen, die versucht haben, ihre Fehler im Einsatz zu vertuschen, indem sie ihn rekrutiert haben.

»Ohne Ausweis sage ich jetzt kein Wort mehr«, erklärte er.

»Natürlich werden Sie das«, erklärte Cally im Gesprächston, »denn wer auch immer ich bin, ich bin immer noch dieses verdammt unangenehme Miststück, das Sie an einen Stuhl gefesselt und einen Dämpfer aufgestellt hat.«

»Hey, Baby, es gibt Schlimmeres, als von einer schönen Frau gefesselt zu werden«, feixte er.

Cally war so schnell aufgesprungen und hatte ihm zwischen die Beine getreten, dass er es kaum wahrgenommen hatte, ehe er die Besinnung verlor.

Unglücklichweise hörte sie, gerade als er wieder zu sich kam, ganz schwach durch das Dämpfungsfeld die Türklingel und eine Stimme, die etwas rief, was möglicherweise wie »Akropolis Pizza« klang. Sie funkelte Petane an.

»Au.« Er zuckte zusammen, blickte auf die Türglocke und versuchte vor ihr wegzukriechen, so weit der Stuhl das zuließ.

»Verdammte Scheiße. Muss denn heute alles schief gehen?« Sie zog ein paar Taschentücher aus der Aktentasche und knebelte ihn schnell, zerrte den Stuhl in die Küche. Als sie schließlich die Tasche hinter der Tür versteckt, ihre Geldbörse herausgezogen hatte und zur Tür gegangen war, wusste sie nicht, ob es ein zweites Mal geklingelt hatte.

Die Augen des Pizzamannes erfassten ihr zerzaustes Haar und ihr leicht verschmiertes Make-up, und er zog sofort den falschen, wenn auch für sie jetzt durchaus bequemen Schluss; seine Augen funkelten wissend, als er auf seinen Lieferschein sah.

»Ich habe eine Pizza für ›Charles‹ an diese Adresse. Das wären dann vierundfünfzig siebenundneunzig.«

Sie zog ein paar Geldscheine heraus und gab sie ihm und lächelte leicht benommen. »Danke.«

Sie sah ihm nach, wie er vor sich hin pfeifend die Treppe hinuntereilte. Sie behielt ihr Lächeln im Gesicht, bis sie die Tür verschlossen und neu versperrt hatte.

»Okay, Arschloch, wir machen weiter.« Sie schob ihr Gesicht auf fünfzehn Zentimeter an das seine heran. »Oh, und lassen Sie sich bloß nicht in den Sinn kommen, dass ich jemals auch nur in Betracht ziehen würde, mich irgendwie mit Ihnen einzulassen. Das sollten Sie wirklich nicht. Ist das klar?«

Er nickte schnell.

»Bitte, nicht noch einmal treten. Ich … ich … und zwingen Sie mich bloß nicht zu reden und bringen Sie mich auch nicht um, ja? Diese Typen sind brutal. Freimaurer können Sie nicht sein und von der Abwehr schätze ich auch nicht, also weiß ich nicht, wer oder was in drei Teufels Namen Sie sind, aber diese Typen kennen keine Gnade. Soweit mir bekannt ist, bin ich der Einzige aus dieser Loge oder von den ursprünglichen Abwehrheinis, der noch am Leben ist. Bitte, Lady, Sie können mir zwar wehtun, aber ich kann Ihnen unmöglich etwas sagen, sonst ist das mein Tod. Bitte, bringen Sie mich nicht um.« Er fing an zu zittern.

»Ich wünsche mir sehnlich, dass sich das alles anders entwickelt hätte, aber ich kann es nun nicht mehr ändern. Über dreißig Jahre lebe ich jetzt und habe jeden Tag gehofft, den nächsten Tag noch zu erleben. Wenn Sie mir wehtun oder mich umbringen, dann kann ich Sie nicht daran hindern, aber bitte, bitte, tun Sie’s nicht.«

Ihr langsames Klatschen durchbrach die Stille, die ein paar Augenblicke, nachdem er zu Ende gesprochen hatte, eingetreten war.

»Damit sind Sie jetzt etwa dreißig Jahre zu spät dran, Colonel. Wie viele Leute haben in diesen dreißig Jahren Ihretwegen den nächsten Tag nicht mehr erlebt? Wissen Sie das überhaupt? Wie zum Teufel haben Sie je die Grundausbildung geschafft?« Sie schnitt ihm das Wort ab, ehe er etwas sagen konnte. »Nein, geben Sie keine Antwort, sonst muss ich mich vielleicht übergeben.« Sie griff in die Tasche und holte ein mit einem Reißverschluss verschlossenes Päckchen heraus.

»Schauen Sie, ich bin es leid, mit Ihnen rumzualbem — mir reicht es jetzt.« Sie holte eine Injektionsspritze heraus. »Sind Sie immun gegen Natrium-Pent, Colonel? Mal sehen.«

Sein Blick erinnerte sie an einen verängstigten Cockerspaniel, und sie seufzte, als sie ihm eine Injektion in den Arm gab.

Drei Testspritzen später fand sie ein Verhörpräparat, gegen das er nicht immun war. Es war eines der Standardpräparate, zu denen Fleet Strike Zugang hatte.

»Was denn, die hatten nie vor, Ihnen etwas wirklich Geheimes zu sagen, wie? Was für ein wichtiger Mann.«

Das Verhör dauerte drei Stunden. Normalerweise hätte sie während der Arbeit nicht gegessen, aber irgendwie musste sie die Pizza ja loswerden, und da sich im Magen der Freundin nichts davon finden würde, hatte es auch keinen Sinn, ihm welche aufzuzwingen. Die Pizza war ein Problem, aber falls davon je etwas herauskam, würde sie ohnehin an einem anderen Ort ein anderes Gesicht tragen. Manchmal konnte man da einfach nichts machen. Herrgott, dass heute auch alles schiefgehen musste.