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»Ich habe dich aber nicht als Advokaten großgezogen, junge Frau.«

»Jung ist ja wohl übertrieben.« Sie blies einen perfekten Rauchring, der träge zu einer Abzugdüse in der Decke emporschwebte.

»Aber so verhältst du dich.«

»Du hast mich auch nicht dazu erzogen, einfach auf meine Verantwortung gegenüber meinen Teamkollegen zu scheißen.« Sie griff nach ihrem Plastikbecher mit Kaffee, blickte mit gerunzelter Stirn auf den braunen Kaffeesatz und schnippte ihre Zigarettenasche hinein.

»Zum einen: Team Conyers war nicht dein Team. Zweitens: Glaubst du ehrlich, dass das Team die Eliminierung einer potenziell nützlichen Informationsquelle aus reinen Rachemotiven gebilligt hätte? Glaubst du das?«

»Zum einen: Du hast Recht. Sie waren nicht mein Team, sie waren ein Kollegenteam. Zweitens: Ich habe Petane nicht auf die Liste der Ermessensziele gesetzt, und was ich getan habe, habe ich auch nicht aus Rachemotiven getan. Soweit mir bekannt ist, hat man ihn auf diese Liste gesetzt, weil es einfach schlechte Politik ist, Leute, die Feldagenten verraten und damit ihren Tod herbeigeführt haben, weiter atmen zu lassen. Dass man ihn nicht von der Liste entfernt hat, ist für mich ein Hinweis auf Folgendes: Irgendwo war sich jemand völlig darüber im Klaren, dass man einen Fehler gemacht hatte. Drittens hat eine gründliche Befragung nicht immer ergeben, dass Petane bis zur Stunde keineswegs eine nützliche Informationsquelle war, sondern darüber hinaus auch, dass sein Potenzial für künftige Nützlichkeit als Informationsquelle unbedeutend war. Würdest du gerne meinen Bericht haben?«, erbot sie sich dann kühl.

»Cally, du hast ganz genau gewusst, dass dies oberhalb deiner Gehaltsstufe war. Ist es dir nie auch nur durch den Kopf gegangen, dass es vielleicht richtig sein könnte, den Stützpunkt aufzusuchen, das Thema zu diskutieren und eine formelle und offizielle Neubewertung des Status dieses wertlosen Kotzbrockens vorzuschlagen? Ist dir das auch nur durch den Kopf gegangen? Sag mir doch: Worin, glaubst du, besteht deine Rolle in dieser Organisation?«

»Ich sehe mich gern als das Chlor in der Leitung.«

»Wenn du meinst, dass dies der richtige Augenblick für flapsige Bemerkungen ist, haben wir ein wesentlich größeres Problem, als ich angenommen hatte.«

»Okay, genau das glaube ich nicht. Ich glaube, dass es eine sehr fragwürdige Entscheidung war, einen Verräter am Leben zu lassen, der durch seinen Verrat den Tod von Agenten herbeigeführt hat. Und das sage ich selbst für den Fall, dass er eine Informationsquelle von hoher Qualität gewesen wäre. Aber wenn das der Fall gewesen wäre, hätte ich ihn auch am Leben gelassen, und er hätte dann lediglich geglaubt, dass meine Befragung routinemäßig erfolgt ist — ein Test, den er bestanden hatte. Ich hätte ihn leben lassen, und dies trotz meiner festen Überzeugung, dass dies eine falsche Entscheidung war.«

»Was, du bist also jetzt aus eigener Machtvollkommenheit die Entscheidungsinstanz über den Wert eines Agenten? Wer hat gesagt, dass du der liebe Gott bist, Cally?«

»Mir ist im gleichen Augenblick bewusst geworden, dass er nichts wert ist, als mir bewusst wurde, dass er am Leben ist. Die Befragung hat das nur bestätigt. Trotzdem, wenn er als Informationsquelle auch nur den geringsten Wert besessen hätte, würde er jetzt noch atmen.«

»Yeah, die undichte Stelle haben wir gefunden. Zum Glück ist er nicht mein Problem«, sagte O’Neal.

»Würdest du gerne meinen Bericht hören?«

»Ob ich ihn möchte? Nein. Ob ich ihn brauchen werde, um diesen Schlamassel aus der Welt zu schaffen, falls das überhaupt je möglich ist? Ja. Lad ihn mir rüber.«

»Buckley, Befragungsdaten und Abschlussbericht an AID von Michael O’Neal senior übertragen.« Ausnahmsweise traf der Buckley diesmal die korrekte Entscheidung, sich eines Kommentars zu enthalten.

»Miss O’Neal, Sie haben sich als unter Hausarrest stehend zu betrachten, dies gilt, bis in dieser Angelegenheit eine Entscheidung getroffen ist«, erklärte er förmlich und fügte dann hinzu, »und, Cally — das gilt auch für irgendwelche elektronischen Freiheiten mit den Computern dieser Basis oder sonst wo. Mahlzeiten werden dir auf das Zimmer gebracht werden. Wenn die Bane Sidhe es für notwendig hält, dass du irgendeinen anderen Ort auf dieser Basis aufsuchst, wirst du die entsprechenden Anweisungen von mir erhalten. Du wirst ohne direkte Anweisung meinerseits mit sonst niemandem in Verbindung treten. Ist das klar?«

»Yes, Sir.« Callys Gesicht war völlig ausdruckslos, als sie sich so entlassen sah, nach ihrer Handtasche griff und den Raum verließ, um in ihre Suite zurückzukehren.

Als sie in ihre Räume zurückkam, hatten die Reinigungsleute ihr Gepäck bereits geliefert. Sie brauchte eine volle Viertelstunde, um sich zu vergewissern, was alles noch da war. Dabei war ihr nicht recht klar, ob sie sich nun wundern sollte oder nicht, dass mit Ausnahme der Plastiktüte mit ihren vom Einsatz verschmutzten Kleidern alles da war. Jemand war sogar so aufmerksam gewesen, ihren Musikwürfel aus dem Audiosystem des Wagens dazuzulegen. Daneben lagen ein zweiter Würfel und eine kleine Flasche mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Sie schaltete die KI-Emulation des Buckley völlig ab, um den PDA als dummen Würfelleser zu benutzen, und schob den Würfel hinein.

»Nicht alle sind der Ansicht, dass Sie etwas Unrechtes getan haben. Die Kacke ist nun mal am Dampfen, aber Sie sollen wenigstens Ihre Sachen zurückbekommen. Diese Nachricht wird sich in zehn Sekunden selbst zerstören, aber Sie sollten den Würfel trotzdem löschen und wegspülen. Danke, dass Sie den Glauben bewahren, Miss O’Neal.« Sie las den Text von einem Hologramm auf einem altmodischen Videoschirm ab. Anschließend holte sie den Würfel heraus und ließ ihn in den Essig fallen, den ihr anonymer Bewunderer ihr mitgeliefert hatte. Dann schüttete sie den Essig in die Toilette und spülte. Wenn sie nicht ganz speziell darauf achteten, würde damit die Nachricht ein für alle Mal beseitigt sein.

Natürlich konnte das Ganze ein Test sein, aber genau betrachtet war sie nicht so jung, wie sie aussah, und viel zu alt, um so paranoid zu sein. Sie schaltete die KI-Emulation wieder ein.

»Also, Buckley, gibt es für Leute mit Stubenarrest eine Bane-Sidhe-Vorschrift, wonach das Downloaden von ein paar Büchern und Filmen aus der Stützpunktbibliothek als ›elektronische Freiheiten‹ angesehen werden könnte?«

»Man wird dich wahrscheinlich erschießen und mich löschen und anschließend irgendeinem Halbwüchsigen als Video-Gamebox übergeben.«

»Gibt es eine solche Vorschrift, Buckley?«, wiederholte sie kühl.

»Nein, aber du glaubst doch nicht etwa wirklich, dass das denen etwas ausmachen wird, oder? Soll ich die fünf Regeln auflisten, die die dazu benutzen könnten, wenn sie eine Rechtfertigung wollen, um dich zu erschießen?«

»Halt die Klappe, Buckley.«

»Wirklich, es würde mir gar keine Mühe machen.«

»Halt die Klappe, Buckley.«

»Geht in Ordnung.«

Unter den Gegenständen von ihrer Reise, die sich in ihrem Rucksack fanden, war auch der Würfel mit den Aufzeichnungen ihrer Recherchen über Sinda Makepeace. Dort war zu finden, dass sie in Wisconsin aufgewachsen war. Neben einer ziemlich großen Auswahl wirklich alter Filme verfügte die Stützpunktbibliothek über ein Schulbuch mit einer Geschichte des Staates Wisconsin auf dem Niveau Oberstufe Volksschule, und dort fand sie auch einen ziemlich dicken Band mit dem Titel Komplette und ungekürzte Geschichte des Käses sowie ein ganzes Bündel Fleet-Strike-Handbücher über Ausbildung und Spezialkenntnisse von Makepeace im Allgemeinen.