»Okay. Auf der Liste der Ermessensziele befand sich ein Individuum, das irrtümlich als tot gelistet war. Mir ist der Fehler und der Standort der Zielperson aufgefallen. Ich hatte Zeit, mir war nach einem kleinen Ausflug, und ich habe die Zielperson eliminiert und meinen Bericht abgeliefert. Wenn die Organisation nicht möchte, dass ein bestimmtes Individuum getötet wird, dann sollte die Organisation dieses Individuum vielleicht, ich sage ausdrücklich vielleicht, nicht auf der Ermessenszielliste haben.« Sie lächelte dünn.
»Petane war auf der Ermessenszielliste? Okay. Also, sehen Sie, eigentlich ist es ja nicht meine Aufgabe, Ihren Abschlussbericht für die Organisation entgegenzunehmen. Das ist etwas für die Ops. Mein Job ist es, Ihren mentalen Zustand zu bewerten. Da Sie und alle anderen darin übereinstimmen, dass Sie ihn getötet haben, sollten wir vielleicht damit beginnen, was Sie in Bezug auf seine Person empfunden haben und wie Ihre Gefühle zu dem Zeitpunkt waren, als Sie beschlossen haben, ihn zu töten?«
»Welche Gefühle? Er war am Leben. Er sollte tot sein. Das habe ich erledigt.«
»Kommen Sie schon, Cally, machen Sie das nicht schlimmer als es unbedingt sein muss. Irgendwelche Selbstmordgedanken?«, fragte er.
»Ach was, nein.« Sie sah ihn missbilligend an.
»Verspüren Sie den aktiven Wunsch zu leben?« Er machte sich eine Notiz.
»Aber sicher«, sagte sie.
»Dann können Sie das zeigen, indem Sie mit mir sprechen. Bitte versuchen Sie sich daran zu erinnern, was Sie empfanden, als Sie beschlossen haben, Colonel Petane zu töten.« Er blickte auf. In dieser Phase musste er ihre Körpersprache besonders sorgfältig beobachten.
»Ihre Tour gefällt mir wirklich, Al.« Sie grinste sarkastisch.
»Wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie anlüge? Ich denke doch wohl nicht. Erinnern Sie sich, wo Sie waren, als Sie den Beschluss gefasst haben, Petane zu töten?«, beharrte er geduldig.
»Charleston. Zu Hause«, sagte sie.
»Und was haben Sie empfunden, als Sie die Entscheidung getroffen haben?«
»Verstimmt, ja? Verstimmt fühlte ich mich, verärgert.« Ihre Finger tippten nervös auf dem Verschluss ihrer Handtasche, und schließlich, offenkundig nach einem kurzen inneren Kampf, holte sie sich eine Zigarette heraus und zündete sie an.
»Vielleicht ein wenig verraten?« Er schob ihr einen Aschenbecher hin.
»Würden Sie das nicht so empfinden?«, fragte sie.
»Vielleicht. Kamen Sie sich ein wenig verraten vor?«, wiederholte er.
»Ja, schon.« Sie seufzte. Ihre Finger ballten sich zu Fäusten, öffneten sich wieder.
»Und waren Sie vorzugsweise über Petane verstimmt oder über die Bane Sidhe oder über sonst jemanden?« Wenigstens redete sie.
»Über die Bane Sidhe war ich verstimmt, okay?« Sie beugte sich vor, stippte Asche in den Aschenbecher, hielt aber die Arme immer noch dicht am Oberkörper.
»Das kann ich verstehen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, selbst wenn die Gründe vielleicht nahe liegend sind, mir diese Gründe zu schildern?«, fragte er sanft.
»Die Bane Sidhe hat seit dem Neukontakt immer die Linie vertreten, Leute, die unsere Agenten töten, oder solche, die unsere Leute verraten, sofern das zu ihrem Tod führt, nicht am Leben zu lassen. Das ist eine sehr klare und kluge Linie. Sie aufzugeben wäre wirklich dumm. Und für uns Agenten gefährlich.« Das klang eiskalt, aber sie blieb geduldig.
»Selbst wenn die betreffende Person der Organisation immer noch wichtige Informationen liefern kann?«
»Hören Sie, damit kann ich umgehen. Womit ich nicht umgehen kann ist, dass Petane keine wertvollen Informationen geliefert hat und das auch nicht vorhatte und dass keiner von den Leuten in der Verwaltung und in der Einsatzplanung, die ursprünglich diesen Fehler gemacht hatten, den Mumm hatte, die Verantwortung zu übernehmen und das Problem zu lösen. Stattdessen haben sie einfach alle fünfe gerade sein lassen und den Typen ohne guten Grund weiterhin am Leben gelassen.« Ihre Hände zitterten jetzt, als sie wieder an ihrer Zigarette zog und schließlich die Beine übereinander schlug.
»Und woher wollen Sie wissen, dass seine Informationen wertlos waren oder dass er nicht vielleicht in Zukunft bessere Informationen liefern würde?«, bohrte er.
»Schauen Sie, ich habe ihn verhört, ja? Er war nicht einmal gegen sämtliche Verhördrogen immun, die Fleet Strike zur Verfügung hat. Daraus kann man doch schließen, dass die nie vorhatten, diesem Mann wirklich wichtige Informationen anzuvertrauen. Und zwar niemals«, sagte sie.
»Hätten Sie ihn am Leben gelassen, wenn Ihr Verhör ein anderes Ergebnis gehabt hätte? Und welche Folgen hätte dieses Verhör Ihrer Ansicht nach für seine Nützlichkeit und Kooperationsbereitschaft gehabt?« Interessant.
»Die Befragung war lediglich eine Bestätigung, ja? Ich wusste bereits, dass er als Informationsquelle wertlos war, das ist ja einer der wesentlichen Gründe, weshalb ich wirklich ernsthaft wütend war. Aber, ja, ich wäre sauer gewesen, aber ich hätte ihn leben lassen«, räumte sie mit einem Seufzer ein.
»Okay, das wäre dann ja wohl geklärt. Und wie haben Sie ihn verhört und getötet? Die Sache mit seiner Überwachung können wir hier übergehen. Fangen Sie einfach mit der Befragung an«, sagte er.
»Haben Sie Zeit?« Sie grinste wieder schief, wieder verbittert.
»Für Sie, Cally, habe ich den ganzen Nachmittag. Kommen Sie schon, erzählen Sie mir alles.« Er lehnte sich zurück und winkte ihr einladend zu.
9
Wilson, sein Assistent, hatte das Mobiliar erneut verändert. Um den niedrigen Tisch standen jetzt vier Sessel, zwei für Indowy und zwei für Menschen. Im Augenblick waren drei davon besetzt, und Wilson hatte gerade ein Tablett mit Kaffee und mineralisiertem Wasser hereingebracht. O’Reilly sah Aelool mit hochgeschobener Augenbraue an.
»Sollten wir auf Roolnai warten oder anfangen?«, fragte er.
»Ich denke, es wäre besser, wenn wir beginnen. Clanhäuptling Roolnai ist indisponiert. Ich werde ihn später über unser Gespräch informieren.« Seine grünen Pelzfasern — in Wirklichkeit ein photosynthetischer Symbiont — fächelten schwach im Luftstrom der Klimaanlage.
Vitapetroni und O’Reilly wechselten Blicke. Dann sah der Psychiater zu Boden und schüttelte leicht den Kopf.
»Also, Doktor, womit genau haben wir es hier zu tun?« Der Priester nippte vorsichtig an seiner Tasse. Wilson war in vielen Dingen ausgesprochen tüchtig und verlässlich, aber Kaffee gelang ihm unterschiedlich. Manchmal war er zu kalt, manchmal kochend heiß. Wenn man zu hastig trank, konnte einem leicht passieren, dass man sich die Zunge verbrannte.
»Sie ist normal. Nun ja, für das, was wir aus ihr gemacht haben, so normal wie das eben möglich ist. Sie ist überarbeitet und konzentriert sich zu stark auf ihre Aufgabe. Sie braucht dringend einen längeren Urlaub, um zu heiraten und Kinder zu kriegen. Aber davon abgesehen hat sie völlig im Einklang mit ihrer Ausbildung und ihrem Training gehandelt. Als Sie damals die Entscheidung über Petanes Sicherstellung getroffen haben, habe ich Ihnen gesagt, dass das zu Schwierigkeiten führen könnte. Miss O’Neal ist das, was wir aus ihr gemacht haben; sie hat nach den Regeln ihres Jobs gehandelt.« Der Doktor sah erst seine Hände an, blickte dann zu dem Priester auf und sah schließlich zu dem Aelool hinüber. Er zuckte die Achseln.
»Ich fürchte, dass dieses Beispiel eines erwartungsgemäß handelnden Menschen für meine Leute ein Problem sein könnte.« Aelools Augen blickten, wie es für seine Spezies charakteristisch, für ihn aber ungewöhnlich war, starr zu Boden.
»Miss O’Neal sagt, sie hätte den Mann nicht getötet, wenn sein Name entweder von der Zieleliste entfernt und nicht etwa nur wegen eines registrierten Todes deaktiviert worden wäre oder wenn er mehr als nur eine minimal wertvolle Informationsquelle gewesen wäre oder zumindest die Wahrscheinlichkeit hätte erkennen lassen, in Zukunft mehr als nur eine minimal wertvolle Informationsquelle zu sein. Ich neige dazu, ihr Glauben zu schenken«, gab Vitapetroni zu bedenken.