»Bei allem Respekt, Aelool, wir werden das nicht genauso sehen wie Ihre Leute, weil wir, nun ja, weil wir nicht Sie sind. Wenn Ihre Leute von uns erwarten, dass wir, nun ja, Indowy sind, die man für gewaltorientierte Einsätze verwenden kann, werden Sie enttäuscht sein. Jede Lösung, die wir hier finden, wird die Unterschiede zwischen der Psychologie unserer beiden Spezies in Betracht ziehen müssen«, sagte Vitapetroni.
»Al, Sie sollen uns hier helfen.« O’Reilly seufzte.
»Das will ich auch. Ich bin kein Fachmann für Xeno-Psychologie, aber mir ist wohl bewusst und ich weiß auch zu schätzen, dass Loyalität für die Indowy so etwas wie eine Einbahnstraße ist. Hundertprozentig. Vom individuellen Clanmitglied für den Clan. Bei Menschen funktioniert das nicht so. Wenn die Indowy mit dieser menschlichen Eigenschaft nicht klarkommen können, wird diese Allianz nicht funktionieren. Sie dürfen einfach menschliche Mitglieder der Bane Sidhe nicht als Mitglieder Ihres Clans betrachten. Das würde zu … unrealistischen Erwartungen führen«, beharrte er.
»Uns ist sehr wohl bewusst, dass Menschen keine Indowy sind, vielen Dank.«
»Aber nicht bewusst genug. Andernfalls hätten Ihre Leute verstanden, dass es sich bei der Loyalität ›von oben nach unten‹, also der von der Organisation zum Individuum, nicht etwa um irgendein exzentrisches Detail der Etikette handelt, sondern um etwas beim Umgang mit Menschen in einer Organisation entscheidend Wichtiges. Man hätte dann Petanes Status überprüft. Dafür, dass das nicht geschehen ist, nehme ich einen Teil der Schuld auf mich. Ich hätte nicht von einem höheren Maß an wechselseitigem Verständnis ausgehen dürfen, als tatsächlich vorhanden war. Ich hätte Sie ausdrücklich über die organisatorischen Gefahren informieren sollen, die die Petane-Entscheidung mit sich brachte, konkret gesagt, die Gefahren, die darin lagen, die Entscheidung nicht periodisch zu überprüfen, um festzustellen, ob es immer noch gerechtfertigt war, den Mann weiterleben zu lassen. Dieser Teil, mich also nicht zu vergewissern, dass Sie diese Notwendigkeit begreifen oder dass unser Stützpunktkommandant hier sich nicht darüber im Klaren war, dies unbedingt thematisieren zu müssen, ist meine Schuld.« Der Psychiater klopfte sich mit der Hand auf die Brust.
»Und würden Sie dann sagen, dass es unsere Schuld war, Sie nicht zu verstehen?« Aelools Hand, die das Glas hielt, spannte sich.
»Keineswegs. Ich würde sagen, dass wir gelernt haben, einander besser zu verstehen. Wie wir das herausgefunden haben, war nicht gerade angenehm.« Er verzog das Gesicht. »Ich will ja nicht wie ein Gehirnklempner klingen, aber ich denke, beide Seiten müssen ein wenig darüber nachdenken, wie diese Erkenntnis künftig unser Verhalten beeinflussen soll.«
»Oder die Übereinkunft selbst«, seufzte der Alien.
»Das haben wir verstanden. Zugleich ist es aber möglich, dass wir diese Erkenntnis dazu nutzen können, um künftig unsere gemeinsamen Ziele besser zu verfolgen, ohne dass sich ein solcher Vorgang wiederholt«, gab der Priester zu bedenken.
»Ja, das ist möglich. Ich hätte gerne die Unterstützung des Doktors, um sämtliche Einzelheiten und Verästelungen zu erforschen und sicherzustellen, dass wir auch nicht die kleinste Kleinigkeit übersehen haben. Unterdessen glaube ich, dass ich den Fall angemessen präsentieren kann, insbesondere wenn man bedenkt, wie dringend dieser ganz spezielle Einsatz ist und wie gut die Typenübereinstimmung zwischen Miss O’Neal und Miss Makepeace ist, um diesen Einsatz weiterzuführen. Anschließend …« Er sprach nicht zu Ende.
»Ich bin Ihrer Ansicht. Die anderen Themen können wir besprechen, nachdem Team Isaac in Einsatz ist.« O’Reilly nickte.
»Ich denke, wir müssen alle unsere Hoffnung darauf setzen, dass dieser Einsatz gut verläuft.« Der Gesichtsausdruck des Aliens war das Indowy-Äquivalent einer besorgt gerunzelten Stirn.
Mittwochmorgen, 22. Mai
Als ein Klopfen an der Tür ihr das Frühstück ankündigte, sah sie auf ihren Wecker. Halb acht? Puh. Sie schlüpfte in ihren Morgenrock, trottete zur Tür und rieb sich die Augen. Mit gründlich ausschlafen wird wohl nichts. Die wollen mir klar machen, dass ich in Verschiss bin. Mir egal. Der Mistkerl hat den Tod verdient — selbst wenn er bloß ein armseliger Wicht war.
Sie öffnete die Tür und trat verblüfft zurück, als ihr Großvater mit dem Tablett ins Zimmer trat. Es enthielt ein Gedeck für zwei, mit Pfannkuchen, Spiegeleiern, gebratenen Würstchen, Orangensaft und Kaffee. Es duftete himmlisch, besonders nach einem Abendessen, das aus zu schwach gesalzenen Pintobohnen und Mais-Tortillas bestanden hatte.
»Okay, vielen Dank. Aber … warum? Gestern hatte ich den Eindruck, du bist echt sauer«, sagte sie.
»Bin ich auch. Ich bin echt sauer darüber, dass du dich von diesem Job auffressen lässt. Der Kerl, den du umgebracht hast, war ein Arschloch ohne jeden Wert. Dass er gestorben ist, ist vermutlich völlig ohne Belang, ganz gleich, wie man es auch sieht. Ja, er hat es verdient zu sterben, aber wahrscheinlich hätte es auch niemandem geschadet, ihn leben zu lassen.« Er klopfte auf seine Tasche und wollte schon den Tabak herausziehen, sah dann aber auf das Tablett und schüttete stattdessen Sirup über seine Pfannkuchen.
»Ich kann’s einfach nicht glauben, dass du so etwas sagst. Team Conyers hat schließlich auch deinen Hintern gerettet, als die Posleen den Pass heraufkamen. Bedeutet dir das denn gar nichts?« Herrgott, das klang ja richtig schrill. Ich bin doch nie schrill.
»Na klar. Ich finde, die hatten beschissenes Pech, dass sie so jung gestorben sind …«
»Umgebracht wurden!«, fiel sie ihm ins Wort.
»Yeah, das kommt in diesem Geschäft über kurz oder lang immer mal vor. Und ich kann dir jetzt gleich sagen, dass ich nicht möchte, wenn mich mal irgend so ein Mistkerl oder auch ein Rudel Mistkerle erwischt, dass du jemanden umbringst, den man dir nicht ausdrücklich zu töten befohlen hat, bloß weil du glaubst, das mir schuldig zu sein. Du hast durchaus meinen Segen, dafür zu plädieren, dass jemand, der daran beteiligt war, kalt gemacht gehört, und kannst meinetwegen auch den Einsatz übernehmen, wenn er befohlen wird, aber ich möchte nicht, dass du so etwas noch einmal tust. Ich glaube auch nicht, dass Team Conyers das gewollt hätte«, fügte er hinzu.
»Das willst du. Wir werden nie wissen, was die gewollt hätten, weil die nämlich tot sind und das wegen eines beschissenen Verräters, der jetzt selbst tot ist.« Sie konnte immer noch wütend darüber werden.
»Du wirst jemandem, der in der Hierarchie über dir steht, die Entscheidung darüber überlassen, wer tot sein soll, sonst frisst dein Job dich bei lebendigem Leib auf. Du brauchst ein eigenes Leben, sonst frisst dein Job dich bei lebendigem Leib auf. Du hast kein eigenes Leben außerhalb deines Jobs, Cally, und das macht mir mehr als Sorge. Es bedrückt mich. Ich bin schon lange Zeit Profi, ich habe andere Profis erlebt, ich habe erlebt, wie dieser Job Menschen in Stücke reißt und dann einfach ausspuckt, und wenn du es nicht schaffst, dir irgendwie ein sinnvolles Leben außerhalb deiner Arbeit aufzubauen — und das bald! -, wird es dir genauso ergehen.« Er rieb sich die Stirn, als ob er Kopfschmerzen hätte.
»Hör mal, wie wär’s, wenn wir jetzt essen würden, ehe der Kaffee kalt wird?« Sie nippte an ihrer Tasse, verzog das Gesicht und rührte Maissirup und Sahne hinein.
»Schon gut. Schau mal, ich bin nicht nur deshalb hierher gekommen, um dir die Hölle heiß zu machen. Der Einsatz läuft, und das bedeutet, dass wir morgen unsere Einsatzbesprechung abhalten müssen. Du kannst mich jetzt entweder sofort ins Bild setzen, und dann übernehme ich die Information des Teams, oder du kannst das selbst übernehmen. Dein Stubenarrest ist aufgehoben und logischerweise hast du auch wieder Computerzugang«, erklärte er.