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Tommy wandte den Blick von seinen Teamkollegen und sah zu Martin hinüber. Er atmete tief durch.

»Ich habe gehört, dass du vielleicht eine ganze Menge darüber weißt, aber nicht damit rausrückst, Levon«, meinte er.

»Ja, das stimmt, und ich wünschte, es wäre nicht so. Seht mal, ich mag Cally. Ich respektiere sie. Ich würde sie jederzeit gern in meinem eigenen Team haben. Aber die letzten paar Jahre … ich weiß nicht, vielleicht arbeitet sie einfach zu viel. Schließlich haben wir das ja alle irgendwie kommen sehen.« Er schüttelte den Kopf.

»Entschuldigung? Was kommen sehen?« Tommys Stimme klang jetzt schärfer.

»Sunday, jetzt spiel du mir nicht den großen Bruder. Das Mindeste, was ich für sie tun kann, ist, es ihr zu überlassen, dir das selbst zu erklären. So viel bin ich ihr schuldig, und du übrigens auch«, sagte er.

»Dann bist du also ziemlich sicher, dass sie in ein paar Tagen wieder im aktiven Dienst ist und alles das?«, fragte Jay beiläufig mit vollem Mund.

Martin blieb eine ganze Weile stumm.

»Wenn sie das nicht ist, könnt ihr mich ja noch einmal fragen«, sagte er.

Donnerstagmorgen, 23. Mai

Tommy warf sich zur Seite, als der Typ im grauen Anzug auf ihn zielte und dann das volle Magazin seiner Pistole auf ihn verfeuerte. Er hatte Zeit, den Splint zu ziehen und eine Handgranate zu werfen — die Munition war ihm ausgegangen -, ehe der schnell absinkende Gesundheitsindikator ihm zeigte, dass er getroffen und am Verbluten war. Er erwischte den anderen, aber das war bereits in den »zehn Sekunden des toten Mannes« gewesen. Trotzdem schrieb der Computer ihm den Treffer gut, und, was noch wichtiger war, der Überfall war genauso erfolgt wie er das sollte, nachdem sein Hackfehler zuvor zu seiner Entdeckung geführt hatte. Die holographische Projektion des Spiels verblasste.

»Du bist tot, Mann.« Er spürte, wie Jay ihm auf den Rücken klopfte.

»Hübsche Sonnenbrille. Und ich soll das auch sein.« Bei einer Größe von zwei Metern und hundertvierzig Kilo Gewicht war Tommy Sunday nicht gerade klein. Trotzdem sah er, von seiner Größe einmal abgesehen, für einen Runderneuerten im ersten Jahrhundert ziemlich typisch aus. Das heißt, er sah aus wie zwanzig und das, obwohl er inzwischen erwachsene Enkelkinder hatte, die als Babysitter für seine und Wendys kleine Kinder fungieren konnten.

»Spielen wir noch ein Szenario durch?« Jay grinste vergnügt, als er sich neben seinem Teamkollegen auf einen Stuhl plumpsen ließ und die Füße neben Tommy auf den Tisch legte.

»Jo. Und nach dem grandiosen Mist, den ich vorher beim Hacken eines Systems gebaut habe, nun ja, da hatte ich zwar theoretisch noch eine kleine Chance, zu überleben, aber eigentlich hätte es meinen Hintern rösten müssen. Was ja auch der Fall war.« Tommy seufzte.

»Ah, was für Opfer man doch manchmal für die Qualitätskontrolle bringen muss.« Papa O’Neal holte sich einen Styroporbecher von dem Stapel neben der Kaffeekanne, zog einen kleinen Beutel aus der Tasche und biss einen frischen Priem ab.

»Ich habe das schon real durchgespielt. Und mehrere Male interaktiv. Jetzt will ich sehen, ob ich es knacken kann.« Der ehemalige GKA-Soldat zuckte die Achseln und beendete das Spiel, schob einen frischen Würfel in den Leseschlitz, als Cally hereinkam, um mit ihrer Unterweisung zu beginnen. Die braunen Locken verblüfften ihn nicht. Er hatte sie im Laufe der Jahre so ziemlich mit jeder vorstellbaren Haarfarbe und Frisur gesehen und fragte sich jetzt lediglich, ob die braunen Locken kamen oder gingen.

»Okay, Leute, das ist ein Anti-Spionageeinsatz vom Standardtyp. Wir haben Grund zu der Annahme, dass Fleet Strike über uns Bescheid weiß und dass man unsere Tarnung geknackt hat. Sie haben einen Mann eingeschleust. Deshalb ist dies eine Lagebesprechung in elfter Stunde, und weder ihr noch ich werden irgendwelche unüberwachte Kommunikation aufnehmen, und keiner von uns wird außerhalb dieses Raums oder mit irgendjemandem außer den hier Anwesenden über diesen Einsatz sprechen. Die Zahl der Personen in der Bane-Sidhe-Hierarchie, die Details über diesen Einsatz kennen, ist auf absolutem Minimum gehalten. Unser Auftrag besteht darin, die Identität des Lecks zu finden und es zu stopfen.« Sie drückte einen Knopf auf dem Bildschirm ihres PDA und rief damit ein Hologramm eines Mannes, scheinbar Anfang dreißig, in einer Generalsuniform von Fleet Strike auf — was bedeutete, dass er wahrscheinlich bereits seine zweiten hundert Jahre bekommen hatte.

»Dies ist General Bernhard Beed. General Beed ist mit der Aufgabe betraut worden, im Grunde genommen alles über uns in Erfahrung zu bringen, was ihm möglich ist. Er ist dabei, sein Hauptquartier auf der Titan Basis zu errichten, um dort die von Fleet Strike entwickelten und noch zu entwickelnden Abwehraktivitäten zu koordinieren. Nach außen hin ist sein Büro dort mit Kriminalermittlungen und der Leitung der Militärpolizei auf der Basis Titan betraut.« Sie tippte wieder an den Bildschirm, und das Hologramm wechselte und zeigte jetzt eine junge Göttin in der Uniform eines Captain.

»Und meine Tarnung, Sinda Makepeace.«

Scheiße, wirklich ein sagenhafter Busen. Und dann diese Gewichtsheberschenkel. Ich bin richtig froh, dass Wendy Cally nicht so zu sehen bekommt.

»Captain Makepeace befindet sich augenblicklich auf der Erde und soll diesen Sonntag um null acht eins fünf in Chicago O’Hare an Bord eines Shuttle zum Titan gehen. Nach der vorläufigen Planung soll der Austausch am Flughafen stattfinden. Ich gehe in einer Stunde auf die Platte.« Sie warf jedem von ihnen einen Würfel zu.

»Hier ist der Rest von dem, was die Oberen mir gegeben haben und was ich daraus entwickeln konnte. Tommy und Jay, ihr beiden müsst mir ein komplettes Profil über sämtliche Leute in diesem Büro beschaffen, einschließlich Stimm- und Bewegungsmuster für Makepeace. Grandpa, du solltest dich bitte um den Flughafen und die Titan-Basis kümmern, den Austausch planen sowie unseren Abgang, nachdem ich die Daten beschafft habe. Deine Tarnidentität ist ein Mannschaftsmitglied auf einem Systemfrachter, der Industriegüter zu den Läden im Geschäftsviertel bringt. Die örtliche Tong wird dich decken, weil du eine inoffizielle Ladung Verjüngungspräparate mitnehmen wirst. Wie es scheint, gibt es genügend Soldaten, die es sich so ziemlich jede Summe kosten lassen, Abnutzungserscheinungen von Verwandten etwas abzubauen. Selbstverständlich werden sie dich für die Präparate bezahlen — sie bekommen lediglich einen besonders guten Preis. Sie wissen nicht, weshalb du dich in der Umgebung der Titan-Basis aufhalten möchtest und wollen das auch nicht wissen.« Sie bemerkte, dass alle immer noch das Hologramm anstarrten, deshalb tippte sie den Bildschirm des PDA erneut an und sah, wie sie beim Verschwinden des Bildes blinzelten.

»Hat noch jemand Fragen? Nein? Sehr gut. Ich gehe jetzt in die medizinische Abteilung, wir sehen uns dann hier in drei Stunden wieder.« Sie griff sich ihren PDA und ging zur Tür.

»Äh … kleinen Augenblick, Cally«, rief Jay ihr nach und sah Tommy und Papa dabei an. »Ich wollte bloß sagen, und ich glaube, damit spreche ich für jeden hier: Wir alle sind froh, dass du mit uns auf diesen Einsatz kommst. Und ich bin auch sicher, dass ich für uns alle spreche, wenn ich sage, ich bin sicher, dass, nun ja, dass alles gut ausgehen wird.«

»Äh … vielen Dank, Jay.« Ihre Stirn hatte sich leicht gerunzelt, aber ihr Blick wurde wärmer, als sie sich umwandte und hinausging.

»Wirst du eine namenlose Pille bei dir haben?« Papas Stimme klang, als ob er das für eine sehr gute Idee hielte.

»Nein. Das Geheimnis dieser Pille ist mehr wert als ich. Und wenn die mich schnappen, könnten sie sie finden, und selbst wenn das nicht der Fall wäre, wäre die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass du innerhalb der Zeitgrenze an mich herankommst. Für meinen Geschmack ist das zu sehr wie eine Selbstmordpille. Ich habe nicht vor, mich erwischen zu lassen, aber wenn es dazu kommt, werde ich alles tun, was die Nonnen uns beim Survival-Training beigebracht haben. Außerdem würde die Zeit vermutlich gar nicht ausreichen, um eine Pille nach meinen neuen Werten herzustellen. Und offen gestanden, ich habe nicht vor, sie zu brauchen.«