Выбрать главу

»Caramon!« sagte Tolpan. Er kroch durch das Fenster und sprang auf den Boden und bemerkte erfreut, daß die Zitadelle bis jetzt vollkommen still stand und sich nicht irgendwohin zu bewegen schien. Er horchte wieder und vernahm das vertraute Brüllen deutlicher, diesmal vermischt mit Tanis’ Flüchen. »Wie nett von ihnen«, sagte Tolpan und nickte befriedigt, während er durch den Raum schlich. »Sie warten auf mich.«

Tolpan trat in einen Korridor mit nackten Steinwänden und hielt einen Moment inne, um sich zu orientieren. Die Schlachtgeräusche waren irgendwo über ihm. Als er in den mit Fackeln beleuchteten Gang spähte, sah Tolpan eine Treppe und steuerte darauf zu. Als Vorsichtsmaßnahme zog er sein kleines Messer, aber er traf auf niemanden. Der Korridor war leer, ebenso die engen steilen Stufen.

»Hm!« machte Tolpan, »gewiß ein viel sicherer Ort als irgendein anderer jetzt in der Stadt. Ich darf nicht vergessen, das Tanis gegenüber zu erwähnen. Wenn wir schon bei ihm sind, wo sind er und Caramon bloß, und wie komme ich dorthin?«

Nachdem er ungefähr zehn Minuten hochgestiegen war, hielt Tolpan an und starrte nach oben in die fackelbeleuchtete Dunkelheit. Er war, wie er jetzt erkannte, eine schmale Treppe hochgegangen, die zwischen den inneren und äußeren Mauern eines Turms der Zitadelle angelegt war. Er konnte immer noch die Schlacht toben hören – jetzt hörte es sich an, als ob Tanis und Caramon direkt auf der anderen Seite der Mauer von ihm wären —, aber er konnte keine Möglichkeit erkennen, zu ihnen zu gelangen. Enttäuscht und mit müden Beinen hörte er auf zu denken.

Ich kann entweder zurücklaufen und einen anderen Weg ausprobieren, sinnierte er, oder ich kann weiter hochgehen. Zurücklaufen – auch wenn es für die Füße bequemer ist – wird sich wahrscheinlich als riskanter erweisen, es gibt da zuviel Leute. Und dort oben muß auch irgendwo eine Tür sein, oder warum hat man denn sonst eine Treppe?

Dieser logische Gedankengang fand seine Zustimmung, und so entschied er, weiter die Treppe hochzusteigen, auch wenn es bedeutete, daß die Kampfgeräusche sich nun unter statt über ihm befanden. Als er gerade anfing, zu dem Schluß zu gelangen, daß ein betrunkener Zwerg mit einem verschrobenen Sinn für Humor diese dumme Treppe gebaut haben mußte, erreichte er plötzlich das Ende und fand tatsächlich eine Tür.

»Ah, ein Schloß!« sagte er und rieb seine Hände. Er hatte schon lange keine Gelegenheit mehr gehabt, ein Schloß zu knacken, und er war erst ein wenig besorgt, daß seine Fähigkeiten etwas verkümmert sein könnten. Er untersuchte das Schloß mit geübtem Auge, dann legte er behutsam und leicht seine Hand auf den Türgriff. Zu seiner großen Enttäuschung öffnete sie sich mühelos.

»Na gut«, sagte er seufzend, »ich habe sowieso keinen Dietrich dabei.« Vorsichtig schob er die Tür auf und spähte hinein. Außer einem Holzgeländer vor ihm gab es nichts. Tolpan schob die Tür ein Stückchen weiter auf, trat ein und fand sich auf einem schmalen Balkon wieder, der um das Innere des Turmes verlief.

Die Kampfgeräusche waren jetzt viel deutlicher zu hören und hallten laut von dem Stein zurück. Tolpan eilte über den Holzboden des Balkons, lehnte sich über das Geländer und lugte nach unten zur Quelle der Geräusche – zerschmetterndes Holz und zusammenprallende Schwerter und Schreie und Aufschläge.

»Hallo, Tanis! Hallo, Caramon!« rief er aufgeregt. »He, habt ihr schon herausgefunden, wie man dieses Ding fliegt?«

4

Auf der gegenüberliegenden Seite des Turms, eingeschlossen auf einem anderen, mehrere Treppenfluchten unter Tolpan liegenden Balkon, kämpften Tanis und Caramon um ihr Leben. Eine kleine Armee von Drakoniern und Goblins drängte sich auf den Stufen unter ihnen zusammen.

Die zwei Krieger hatten sich hinter einer großen Holzbank verbarrikadiert, die sie vor die letzte Treppenstufe gezogen hatten. Hinter ihnen war eine Tür, und es sah für Tolpan so aus, als wären sie die Stufen zu dieser Tür hochgestiegen, um zu entkommen, dann aber aufgehalten worden, bevor sie hinauskommen konnten.

Caramons Arme waren bis zu den Ellbogen mit grünem Blut überzogen. Er schlug mit einem großen Stück Holz, das er aus dem Balkon gerissen hatte, auf Köpfe ein – eine wirkungsvollere Waffe als ein Schwert im Kampf gegen diese Kreaturen, deren Körper sich zu Stein verwandeln konnten. Tanis’ Schwert war eingekerbt. Er verwendete es jetzt wie eine Keule. Durch den aufgeschlitzten Kettenpanzer blutete er an seinen Armen aus mehreren Schnittwunden, und an seinem Brustharnisch war eine große Delle. Soweit Tolpan auf den ersten aufgeregten Blick erkennen konnte, hatte sich in diesem Kampf eine Pattsituation entwickelt. Die Drakonier konnten nicht dicht genug an die Bank kommen, um sie aus dem Weg zu zerren oder über sie zu klettern. Aber sobald Caramon und Tanis ihre Stellung verlassen würden, würde sie überrollt werden.

»Tanis! Caramon!« schrie Tolpan. »Hier oben!«

Beide Männer sahen sich verblüfft nach der Stimme des Kenders um. Dann packte Caramon Tanis am Arm und zeigte in Tolpans Richtung.

»Tolpan!« rief Caramon, und seine dröhnende Stimme hallte in der Turmkammer wider. »Tolpan! Die Tür hinter uns! Sie ist verschlossen! Wir kommen nicht raus!«

»Ich bin sofort da!« kreischte Tolpan aufgeregt und kletterte auf das Geländer. Dort bereitete er sich auf einen Sprung nach unten mitten ins Geschehen vor.

»Nein!« schrie Tanis. »Schließ sie von der anderen Seite auf! Die andere Seite!« Er fuchtelte hektisch mit den Händen.

»Oh«, antwortete Tolpan enttäuscht. »Sicher, kein Problem.« Er kletterte zurück und wollte sich gerade zu seiner Tür umdrehen, als er sah, wie die Drakonier auf den Stufen unterhalb von Tanis und Caramon plötzlich den Kampf einstellten und ihre Aufmerksamkeit offensichtlich auf etwas anderes richteten. Auf einen barschen Befehl begannen die Drakonier, sich zur Seite zu schieben und zu stoßen, und auf ihren Gesichtern machte sich ein Grinsen breit, das ihre Reißzähne entblößte. Tanis und Caramon waren offensichtlich verblüfft über die Kampfpause und riskierten einen vorsichtigen Blick über die Bank, während Tolpan von seinem Balkongeländer hinunterstarrte.

Ein Drakonier in einer schwarzen, mit geheimnisvollen Runen verzierten Robe stieg die Stufen hoch. In seiner Klauenhand hielt er einen Stab – einen Stab in der Form einer zubeißenden Schlange.

Ein Bozak-Zauberkundiger! Tolpan hatte ein merkwürdiges Gefühl in seiner Magengrube, ungefähr dasselbe wie kurz zuvor, als der Drache zur Landung angesetzt hatte. Die Drakoniersoldaten steckten ihre Waffen wieder ein. Für sie war offensichtlich die Schlacht beendet. Ihr Zauberer würde diese Angelegenheit schnell und problemlos erledigen.

Tolpan sah Tanis’ Hand in seinen Gürtel gleiten... und leer hervorkommen. Tanis’ Gesicht lief unter seinem Bart weiß an. Seine Hand tastete seinen Gürtel überall ab. Nichts. Hektisch sah sich der Halb-Elf suchend auf dem Boden um.

»Weißt du«, sagte Tolpan zu sich, »ich wette, das Armband mit dem magischen Widerstand käme ihm jetzt sehr gelegen. Vielleicht sucht er es ja gerade. Vermutlich ist ihm nicht klar, daß er es verloren hat.« Er griff in einen Beutel und zog das silberne Armband hervor.

»Hier ist es, Tanis! Mach dir keine Sorgen! Du hast es fallen gelassen, aber ich habe es gefunden!« schrie er und wedelte mit dem Armband in der Luft.

Der Halb-Elf sah hoch. Sein Blick war dermaßen finster, und seine Augenbrauen zogen sich auf solch beunruhigende Weise zusammen, daß Tolpan ihm eilig das Armband zuwarf. Einen Augenblick noch wartete der Kender ab, um zu sehen, ob Tanis sich bei ihm bedanken würde, dann seufzte er tief.

»Ich bin in einer Minute da!« schrie er. Er wandte sich um und flitzte zurück durch die Tür und lief die Treppe hinunter.

»Er hat sich wahrhaftig nicht dankbar gezeigt.« Tolpan rümpfte die Nase, während er weiterhastete. »Nicht ein bißchen wie der alte Tanis, der für Späße immer zu haben war. Ich bin überzeugt, dieses Heldendasein bekommt ihm nicht.«