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»Von Lord Soth«, sagte Dalamar.

»Ha!« Kitiara lachte und schleuderte einen Glasbecher gegen den magischen Schild. Er zerbrach in tausend glitzernde Splitter. Ein weiterer Kerzenhalter folgte. Kitiara hatte zuvor schon gegen Zauberkundige gekämpft. Sie wußte, wie sie zu besiegen waren. Ihre Wurfgeschosse sollten nicht verletzen, sondern nur den Magier schwächen und ihn zwingen, Kraft zu vergeuden, den Schild aufrechtzuhalten und ihn mehrfach zu senken.

»Was glaubst du denn, warum du Palanthas befestigt vorgefunden hast?« fuhr Dalamar fort. Vorsichtig zog er sich weiter zurück und näherte sich dem Steintisch. »Hattest du das erwartet? Soth hat mir von deinen Plänen berichtet! Er verriet mir, daß du Palanthas angreifen und versuchen würdest, deinem Bruder zu helfen! ›Wenn Raistlin durch das Portal kommt und die Dunkle Königin hinter sich her lockt, wird Kitiara dort sein, um ihn wie eine liebende Schwester zu begrüßen!‹ Das waren seine Worte.«

Kitiara hielt inne und senkte ihr Schwert fast unmerklich. »Und das soll dir Soth erzählt haben?«

»Ja«, antwortete Dalamar und spürte mit Erleichterung ihr Zögern und ihre Verwirrung. Der Schmerz von seiner Verletzung hatte sich etwas gelindert. Er wagte einen Blick auf seine Wunde. Seine Robe klebte daran und bildete einen provisorischen Verband. Die Blutung hatte fast aufgehört.

»Warum?« Kitiara zog höhnisch ihre Augenbrauen hoch. »Warum sollte mich Soth an dich verraten wollen, Dunkelelf?«

»Weil er dich will, Kitiara«, sagte Dalamar leise. »Er will dich. Und es gibt nur einen Weg, wie es für ihn möglich ist...«

Kaltes Entsetzen bohrte sich in Kitiaras Seele. Sie erinnerte sich an jenen merkwürdigen Ton in Soths hohler Stimme. Sie erinnerte sich, daß er ihr geraten hatte, Palanthas anzugreifen. Kitiaras Zorn verrauchte, und sie erschauerte. Eisigkalte Krämpfe schüttelten sie. Die Wunden sind infiziert, erkannte sie bitter, als sie auf die langen Kratzer an ihren Armen und Beinen sah und wieder die eisigen Klauen derjenigen zu fühlen meinte, die sie herbeigeführt hatten. Gift. Lord Soth. Sie konnte nicht denken. Als sie benommen aufschaute, sah sie Dalamar lächeln.

Wütend wandte sie sich von ihm ab, um ihre Gefühlsregungen zu verbergen und ihre Beherrschung zurückzugewinnen.

Dalamar bewegte sich immer weiter auf den Steintisch zu und behielt sie dabei im Auge. Sein Blick glitt zu dem Zauberstab, den er benötigte.

Kitiara ließ ihre Schultern zusammensacken und den Kopf hängen. Sie hielt ihr Schwert jetzt scheinbar kraftlos in ihrer rechten Hand und balancierte die Klinge mit ihrer linken. So täuschte sie vor, noch immer schwer verwundet zu sein. Doch die ganze Zeit über spürte sie, wie die Kraft in ihren tauben Schwertarm zurückkehrte. Laß ihn glauben, daß er gewonnen hat. Ich werde es hören, wenn er angreift. Bei dem ersten magischen Wort, das er ausstößt, schlitze ich ihn auf! Ihre Hand schloß sich um den Schwertknauf.

Sie lauschte aufmerksam, hörte jedoch nichts außer dem leisen Rascheln der schwarzen Roben und dem schmerzhaften Atemholen des Dunkelelfen. Stimmt das, fragte sie sich, das von Lord Soth? Und wenn, spielt das überhaupt eine Rolle?

Kitiara fand den Gedanken eher komisch. Männer hatten schon mehr angestellt, um sie für sich zu gewinnen. Sie war immer noch frei. Sie würde später mit Soth fertigwerden. Was Dalamar über Raistlin sagte, interessierte sie viel mehr. Sollte er etwa gewinnen?

Würde er die Dunkle Königin wirklich auf diese Ebene locken? Der Gedanke entsetzte Kitiara und verängstigte sie. »Ich war dir einst nützlich, nicht wahr, Dunkle Majestät?« wisperte sie. »Einst, als du schwach und nur ein Schatten auf dieser Seite des Glases warst. Aber wenn du stark bist, welcher Platz wird hier auf dieser Welt für mich bleiben? Keiner! Weil du mich haßt und fürchtest, so wie ich dich hasse und fürchte.

Und was diesen wehleidigen Wurm von Bruder angeht, da wird einer auf ihn warten – Dalamar! Du gehörst zu deinem Meister mit Fleisch und Blut! Du bist derjenige, der ihm schließlich helfen wird, statt ihn aufzuhalten, wenn er durch das Portal kommt! Nein, teurer Geliebter, ich traue dir nicht! Ich wage nicht, dir zu trauen!«

Dalamar sah, daß Kitiara zitterte, er sah, wie sich die Wunden an ihrem Körper purpurn und blau färbten. Sie wurde schwächer, gewiß. Er hatte ihr Gesicht beobachtet, als er Soth erwähnte. Ihre Augen hatten sich einen Moment lang vor Angst geweitet. Sicherlich mußte sie inzwischen erkennen, daß sie verraten wurde. Sicherlich mußte sie jetzt ihre große Torheit einsehen. Nicht, daß es eine Rolle gespielt hätte, jedenfalls nicht jetzt. Er traute ihr nicht. Er wagte einfach nicht, ihr zu trauen...

Dalamars Hand tastete nach hinten. Er griff nach dem Zauberstab, schwang ihn und sprach das Wort der Magie, das den beschützenden Schild auflösen würde. Im selben Augenblick wirbelte Kitiara herum. Ihr Schwert hielt sie mit beiden Händen umklammert und schwang es mit ihrer ganzen Kraft. Der Hieb hätte Dalamars Kopf von seinem Hals trennen müssen, hätte er seinen Körper nicht umgewandt, um den Stab zu erreichen.

Doch die Klinge traf ihn hinten quer über seine rechte Schulter. Sie stieß tief in sein Fleisch, zerschmetterte das Schulterblatt und schnitt fast seinen Arm ab. Er ließ den Stab mit einem Schrei fallen, aber erst, nachdem er seine magische Kraft freigelassen hatte. Blitze teilten sich gabelförmig und schlugen zischend in Kitiaras Brust. Ihr Körper krümmte sich, als sie auf den Boden geschleudert wurde.

Dalamar sackte über dem Tisch zusammen und wand sich vor Schmerzen. Blut spritzte in regelmäßigen Abständen aus seinem Arm. Er beobachtete es einen Augenblick verständnislos, doch dann erinnerte er sich wieder an Raistlins Anatomielektionen. Das Blut kam vom Herzen. Er würde innerhalb von Minuten tot sein. Der Ring mit der Heilkraft steckte an seiner rechten Hand, an seinem verletzten Arm. Schwach langte er mit seiner linken Hand hinüber, berührte den Stein und sprach das einfache Wort, das dessen Magie aktivierte. Dann verlor er das Bewußtsein. Sein Körper glitt auf den Boden. Dort blieb er in einer Lache seines eigenen Blutes liegen.

»Dalamar!« Eine Stimme rief seinen Namen.

Der Dunkelelf bewegte sich verschlafen. Schmerzen schossen durch seinen Körper. Er stöhnte und verlangte danach, wieder in die Dunkelheit zu versinken. Aber die Stimme rief ihn wieder. Erinnerungen kehrten zurück, und mit den Erinnerungen kam die Angst.

Diese Angst ließ ihn das Bewußtsein wiedererlangen. Er versuchte sich aufzurichten, aber der Schmerz schoß durch ihn, und er wurde beinahe wieder ohnmächtig. Er konnte die zertrümmerten Knochen knirschen hören, und sein rechter Arm und seine rechte Hand hingen schlaff und leblos an seiner Seite. Der Ring hatte die Blutung aufgehalten. Er würde leben. Aber würde er nicht lediglich leben, um dann doch durch die Hände seines Meisters zu sterben?

»Dalamar!« rief die Stimme wieder. »Hier ist Caramon!«

Dalamar schluchzte vor Erleichterung auf. Er hob seinen Kopf – eine Bewegung, die von ihm äußerste Anstrengung verlangte – und schaute zum Portal. Die Augen der Drachen leuchteten jetzt noch heller, und das Licht schien sich sogar auf ihre Hälse auszudehnen. Die Leere bewegte sich jetzt tatsächlich. Er konnte an seiner Wange einen heißen Wind spüren, aber vielleicht war das auch nur das Fieber in seinem Körper.

Er hörte ein Rascheln in einer dunklen Ecke an der gegenüberliegenden Seite des Raumes, und wieder wurde Dalamar von Furcht gepackt. Nein! Sie konnte unmöglich noch am Leben sein! Er biß die Zähne zusammen und wandte seinen Kopf dorthin. Er konnte ihren Körper sehen. Sie lag reglos im Schatten an der Wand. Er konnte den Gestank verbrannten Fleisches riechen. Aber das Geräusch...

Erschöpft schloß Dalamar seine Augen. Dunkelheit breitete sich in ihm aus und drohte ihn nach unten zu ziehen. Er durfte sich jetzt nicht ausruhen. Er bekämpfte den Schmerz und zwang sich, bei Bewußtsein zu bleiben. Er fragte sich, warum Caramon nicht kam. Jetzt konnte er ihn wieder rufen hören. Was war los? Und dann erinnerte sich Dalamar – die Wächter! Natürlich würden sie Caramon nicht passieren lassen!