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»Wächter, hört meine Worte und gehorcht«, begann Dalamar, konzentrierte sich auf seine Gedanken und Energien und murmelte die Worte, die Caramon helfen würden, die entsetzlichen Verteidiger des Turms zu passieren und die Kammer zu betreten.

Hinter Dalamar leuchteten die Drachenköpfe immer heller, während vor ihm in der dunklen Ecke eine Hand in einen blutdurchtränkten Gürtel griff und mit letzter, ersterbender Kraft den Knauf eines Dolches umfaßte.

»Caramon«, sagte Tanis leise und beobachtete die Augen, die sie ansahen, »wir sollten verschwinden. Die Stufen wieder hochgehen. Vielleicht gibt es einen anderen Weg...«

»Gibt es nicht. Wir verschwinden nicht«, erwiderte Caramon dickköpfig.

»Im Namen der Götter, Caramon! Wir können gegen diese verdammten Dinger nicht kämpfen!«

»Dalamar!« rief Caramon noch einmal. »Dalamar, ich...«

So plötzlich, als ob sie ausgelöscht worden wären, verschwanden die glühenden Augen.

»Sie sind weg!« sagte Caramon und trat hastig nach vorne. Aber Tanis hielt ihn fest.

»Ein Trick...«

»Nein.« Caramon zog ihn mit sich. »Du kannst sie noch spüren, selbst wenn sie nicht mehr sichtbar sind. Und ich kann sie überhaupt nicht mehr spüren. Du?«

»Ich spüre etwas!« murmelte Tanis.

»Aber es sind nicht sie, und es betrifft nicht uns!« belehrte ihn Caramon und lief die Wendeltreppe oben am Turm herunter. Eine Tür am Treppenabsatz stand offen. Hier hielt Caramon inne und spähte vorsichtig in den Hauptteil des Gebäudes.

Es war innen dunkel, so dunkel, als ob es nie Licht gegeben hätte. Die Fackeln waren gelöscht worden. Keine Fenster ließen das rauchgeschwärzte Licht außerhalb des Turms hinein. Tanis hatte plötzlich die Vision, er würde in diese Dunkelheit treten und in ein dichtes, verschlingendes Böses fallen, das jeden Stein und Fels durchdrang, und für alle Ewigkeit verschwinden. Neben sich hörte er Caramons Atem schneller werden und er spürte, wie sich der Körper des großen Mannes anspannte.

»Caramon – was ist dort?«

»Nichts ist dort. Nur ein Gefälle bis zum Boden. Die Mitte des Turms ist hohl. Es gibt Stufen, die an der Mauer entlang verlaufen. Die einzelnen Räume zweigen von den Stufen ab. Ich stehe jetzt an einem schmalen Geländer, wenn ich mich richtig erinnere. Das Laboratorium liegt ungefähr zwei Treppen tiefer.« Caramons Stimme schlug um. »Wir müssen weitergehen! Wir verlieren Zeit! Er kommt immer näher!« Während er Tanis gepackt hielt, sprach er ruhiger weiter. »Komm. Halte dich einfach dicht an der Mauer. Diese Treppe führt hinunter zum Laboratorium...«

»Ein falscher Schritt in dieser verdammten Dunkelheit, und es braucht uns nicht weiter zu kümmern, was dein Bruder macht!« sagte Tanis. Aber er wußte, daß seine Bedenken sinnlos waren. Obwohl er in dieser erdrückenden endlosen Nacht blind war, konnte er fast sehen, wie sich Caramons Miene vor Entschlossenheit spannte. Er hörte, wie der große Mann einen schlurfenden Schritt nach vorne machte und versuchte, seinen Weg entlang der Mauer zu ertasten. Mit einem Seufzer machte sich Tanis daran, ihm zu folgen...

Und dann waren die Augen wieder da und starrten sie an.

Tanis griff nach seinem Schwert – eine dümmliche, sinnlose Geste. Aber die Augen starrten sie nur weiter an, und eine Stimme befahclass="underline" »Kommt. Hier entlang.«

Eine Hand winkte in der Dunkelheit.

»Wir können nicht sehen, verdammt!« knurrte Caramon.

Ein geisterhaftes Licht erschien, das von einer ausgezehrten Hand gehalten wurde. Tanis erschauerte. Eigentlich zog er die Dunkelheit vor. Aber er sagte nichts, denn Caramon eilte vorwärts und lief die lange Wendeltreppe hinunter. Unten am Treppenabsatz blieben die Augen und die Hand und das Licht stehen. Vor ihnen stand eine Tür offen, hinter der ein Zimmer lag. In dem Zimmer schien hell ein Licht und strahlte in den Korridor. Caramon stürzte weiter, und Tanis folgte ihm und schlug hastig die Tür hinter sich zu, damit die entsetzlichen Augen nicht nachkommen konnten.

Er drehte sich um, blieb stehen und sah sich in dem Raum um. Plötzlich erkannte er, wo er war – in Raistlins Laboratorium. Betäubt stand Tanis da, lehnte sich gegen die Tür und beobachtete Caramon, wie er nach vorne eilte und sich neben eine Gestalt kniete, die in einer Blutlache auf dem Boden lag.

Das ist Dalamar, registrierte Tanis, als er die schwarzen Roben sah. Aber er konnte nicht reagieren und sich auch nicht bewegen.

Das Böse in der Dunkelheit außerhalb der Tür war erdrückend, verstaubt und jahrhundertealt. Aber das Böse in diesem Raum war lebendig; es atmete und pochte und pulsierte. Eine eisige Kälte floß aus den nachtblau eingebundenen Zauberbüchern in den Regalen, und Wärme strömte von einer neuen Sammlung schwarz eingebundener Zauberbücher, die mit Stundenglasrunen versehen waren. Sein entsetzter Blick glitt zu den Gefäßen im Raum, und er sah gequälte Augen, die ihn anstarrten. Er würgte an den Gerüchen von Gewürzen und Schimmel und Pilzen und Rosen, und irgendwo hing im Raum auch der süße Gestank von verbranntem Fleisch.

Und dann wurde sein Blick auf ein glühendes Licht gelenkt, das in einer Ecke strahlte. Das Licht hielt seinen Blick fest. Es war wunderschön. Dennoch erfüllte es ihn mit Scheu und Angst und erinnerte ihn lebhaft an seine Begegnung mit der Dunklen Königin. Wie hypnotisiert starrte er auf jenes Licht. Es schien aus allen Farben zu bestehen, die er je gesehen hatte und die hier wieder zu einer einzigen zusammengewirbelt wurden. Aber während er beobachtete – entsetzt, fasziniert und unfähig, seinen Blick abzuwenden —, sah er, wie sich das Licht trennte und Gestalt annahm und sich zu fünf Köpfen eines Drachen formte.

Eine Tür! erkannte Tanis plötzlich. Die fünf Köpfe erhoben sich von einem goldenen Podium und bildeten mit ihren Hälsen eine ovale Form. Jeder Kopf war nach innen gerichtet und das Maul in einem erstarrten Schrei geöffnet. Tanis sah innerhalb des Ovals in eine Leere. Nichts war dort, aber dieses Nichts bewegte sich. Alles war leer und lebendig. Er wußte plötzlich, wohin die Tür führte, und dies Wissen ließ ihn erschauern.

»Das Portal!« sagte Caramon, als er Tanis’ blasses Gesicht und seinen starren Blick sah. »Komm her, hilf mir.«

»Da willst du hineingehen?« flüsterte Tanis entsetzt. Die Gelassenheit des großen Mannes verblüffte ihn. Er durchquerte das Zimmer und stellte sich neben seinen Freund. »Caramon, sei kein Narr!«

»Mir bleibt keine andere Wahl, Tanis«, sagte Caramon mit diesem neuen Ausdruck gelassener Entschlossenheit auf seinem Gesicht. Tanis wollte Einwände erheben, aber Caramon drehte sich um und wandte sich wieder dem verletzten Dunkelelfen zu.

»Ich habe gesehen, was passieren wird!« erinnerte er Tanis.

Tanis schluckte die Worte hinunter, an denen er würgte, und kniete sich neben Dalamar. Dem Dunkelelfen gelang es, sich ins Sitzen hochzuziehen, so daß er das Portal beobachten konnte. Er war wieder in Ohnmacht gesunken, aber bei dem Klang ihrer Stimmen hatte er seine Augen aufgeschlagen.

»Caramon!« Er keuchte und streckte dem großen Mann eine zitternde Hand entgegen. »Du mußt ihn aufhalten...«

»Ich weiß, Dalamar«, sagte Caramon leise. »Ich weiß, was ich tun muß. Aber ich brauche deine Hilfe! Sag mir...«

Dalamars Augen schlossen sich. Seine Haut war aschgrau. Tanis legte seine Hand auf Dalamars Brust, um am Hals des jungen Elfen nach dem Puls zu fühlen. Seine Hand hatte den Magier kaum berührt, als er etwas klirren hörte. Etwas riß an seinem Arm, schlug gegen seine Rüstung, prallte ab und fiel klappernd auf den Boden. Als Tanis nach unten schaute, sah er einen blutverschmierten Dolch.

Verblüfft wirbelte er mit dem Schwert in der Hand herum.

»Kitiara!« flüsterte Dalamar mit einer schwachen Kopfbewegung.

Tanis starrte in die Dunkelheit des Laboratoriums und sah in einer Ecke eine Gestalt.

»Natürlich«, murmelte Caramon. »So hat sie ihn umgebracht.« Er wog den Dolch in seiner Hand. »Dieses Mal hast du ihren Wurf aufgehalten, Tanis.«