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Dalamar wandte sich ab. Sein Blick war auf die Bücherregale gerichtet, die ganz hinten im Laboratorium standen. Das Kerzenlicht fiel auf Reihen nachtblau eingebundener Bücher, die mit silbernen Runen verziert waren. Aus ihnen strömte eine Eiseskälte.

Die Zauberbücher von Fistandantilus – nun seine.

Und wo diese Bücherreihe endete, begann eine neue Reihe von Büchern – schwarz eingebundene Bücher mit silbernen Runen. Als Dalamar mit seiner Hand über sie fuhr, bemerkte er, daß jeder einzelne Band mit einer inneren Hitze brannte, die bei der Berührung die Bücher seltsam lebendig zu machen schien.

Die Zauberbücher von Raistlin – jetzt seine.

Dalamar sah jedes Buch aufmerksam an. Jedes enthielt seine eigenen Wunder, seine eigenen Geheimnisse, und jedes enthielt Macht. Der Dunkelelf ging die Regale entlang. Als er das Ende erreicht hatte, schickte er den Kerzenständer zurück zum großen Steintisch. Seine Hand lag auf dem Türgriff, und sein Blick glitt zu einem letzten Gegenstand.

In einer dunklen Ecke lehnte der Stab des Magus an der Wand. Einen Augenblick hielt Dalamar den Atem an. Er glaubte, den Kristall oben am Stab erstrahlen zu sehen – jenen Kristall, der seit jenem Tag kalt und dunkel geblieben war. Aber dann erkannte er mit Erleichterung, daß es nur Spiegelungen des Kerzenlichts waren. Mit einem Wort löschte er die Flamme und ließ das Zimmer in Dunkelheit tauchen.

Er schaute noch einmal aufmerksam in die Ecke zum Stab hinüber. Er war in der Nacht verloren, und kein Licht glimmte.

Dalamar holte tief Atem, den er seufzend wieder ausstieß, und verließ dann das Laboratorium. Ruhig schloß er die Tür hinter sich. Er griff in eine Holzschachtel, die mit mächtigen Runen belegt war, zog einen silbernen Schlüssel hervor und steckte ihn in ein reichverziertes silbernes Türschloß – ein Türschloß, das neu war, ein Türschloß, das von keinem Schmied auf Krynn hergestellt worden war. Dalamar flüsterte Worte der Magie und drehte den Schlüssel im Schloß. Es klickte. Ein anderes Klicken hallte als Antwort wider. Die tödliche Falle war gelegt.

Dalamar wandte sich um und rief einen der Wächter zu sich. Die körperlosen Augen schwebten auf seinen Befehl herbei.

»Nimm diesen Schlüssel«, sagte Dalamar, »und bewahre ihn für alle Ewigkeiten auf. Gib ihn niemandem – nicht einmal mir. Und von diesem Moment an ist dein Platz hier. Du wirst diese Tür bewachen. Niemand darf sie betreten. Für jeden, der es versucht, laß schnell den Tod erfolgen.«

Die Augen des Wächters schlossen sich zustimmend. Als Dalamar zu den Stufen zurückging, sah er die Augen. Sie schwebten im Türrahmen, und ihr kaltes Glühen starrte in die Nacht.

Der Dunkelelf nickte zufrieden und machte sich auf den Weg.

Die Heimkehr

Poch, poch, poch.

Tika Waylan Majere saß aufrecht im Bett.

Sie versuchte, über ihr Herzklopfen etwas zu hören, lauschte und wartete, um das Geräusch ausmachen zu können, das sie aus tiefem Schlaf gerissen hatte.

Nichts.

Hatte sie geträumt? Sie schob die Masse ihrer roten Locken zurück, die über ihr Gesicht fielen, und sah verschlafen aus dem Fenster. Es war früh am Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, aber die tiefen Schatten der Nacht hatten sich weggestohlen und ließen den Himmel klar und blau im Halblicht der Vordämmerung zurück. Die Vögel waren erwacht und begannen mit ihren Hauskonzerten. Sie pfiffen und zwitscherten fröhlich untereinander. Aber niemand in Solace würde sich jetzt schon rühren. Selbst der Nachtwächter war dem warmen sanften Einfluß der Frühlingsnacht erlegen und schlief zu dieser Stunde. Sein Kopf war über seine Brust gesunken, und er schnarchte selig.

Ich muß geträumt haben, dachte Tika trübselig. Ich frage mich, ob ich mich je daran gewöhnen kann, allein zu schlafen. Jedes kleine Geräusch macht mich hellwach. Achselzuckend verkroch sie sich wieder in ihr Bett, zog die Decke über sich und versuchte wieder einzuschlafen. Sie schloß ihre Augen fest und bildete sich ein, daß Caramon da wäre. Sie lag neben ihm, an seine breite Brust gelehnt, hörte ihn atmen und hörte sein Herz schlagen, warm, sicher... Seine Hand streichelte über ihre Schultern, während er verschlafen murmelte: »Es ist nur ein böser Traum, Tika... morgen wird alles wieder gut sein...«

Poch, poch, pochpochpoch.

Tika riß ihre Augen auf. Sie hatte nicht geträumt! Das Geräusch – was immer es war – kam von oben! Jemand oder etwas war dort oben – oben im Vallenholzbaum!

Sie warf das Bettzeug beiseite und bewegte sich mit einer Verstohlenheit und Ruhe, die sie während ihrer Kriegsabenteuer erlernt hatte. Tika nahm ein Nachthemd vom Fußende ihres Bettes, kämpfte sich hinein, denn sie verhaspelte sich in ihrer Nervosität, und schlich sich aus dem Schlafzimmer.

Poch, poch, poch.

Ihre Lippen waren in fester Entschlossenheit zusammengepreßt. Jemand war dort oben, dort oben in ihrem neuen Haus. Das Haus, das Caramon für sie oben im Vallenholzbaum hatte bauen wollen. Was machten sie dort? Stehlen? Caramons Werkzeuge lagen da...

Tika lachte fast, aber statt dessen kam ein Schluchzen heraus. Caramons Werkzeuge – der Hammer mit dem wackeligen Kopf, der jedes Mal, wenn man einen Nagel einschlug, wegflog, die Säge, bei der schon so viele Zähne fehlten, daß sie wie ein grinsender Gossenzwerg aussah, der Hobel, mit dem man nicht einmal ein Stück Butter bearbeiten konnte. Aber sie bedeuteten Tika viel. Sie hatte sie dort gelassen, wo er sie gelassen hatte.

Poch, poch, poch.

Tika schlich in das Wohnzimmer ihres kleinen Hauses. Ihre Hand lag auf der Türklinke, doch dann hielt sie plötzlich inne.

»Eine Waffe«, murmelte Tika. Sie sah sich eilig um und ergriff das Erstbeste, was sie erblickte – ihre schwere eiserne Bratpfanne. Sie packe sie fest am Griff und öffnete langsam und ruhig die Vordertür. Leise schlich sie hinaus.

Die Sonnenstrahlen färbten gerade die Berggipfel. Deren schneebedeckte Häupter hoben sich golden gegen den klaren, wolkenlosen blauen Himmel ab. Das Gras funkelte vom Tau wie mit winzigen Juwelen besetzt. Die Morgenluft war süß und frisch und rein, und die neuen glänzenden grünen Blätter der Vallenholzbäume raschelten und lachten, als die Sonne sie berührte und sie weckte. So frisch und klar und glitzernd war dieser Morgen, als wäre es der allererste Morgen des allerersten Tages, an dem die Götter von ihrer Arbeit herabschauten und lächelten.

Aber Tika dachte nicht an Götter oder an den schönen Morgen oder an den Tau, der ihre nackten Füße kühl benetzte. Die Bratpfanne hielt sie hinter ihrem Rücken versteckt und stieg verstohlen die Sprossen der Leiter hoch, die zu dem unfertigen Haus führten, das zwischen den starken Ästen des Vallenholzbaumes entstehen sollte. Auf einer der letzten Sprossen hielt sie inne und spähte über den Rand.

Aha! Es war tatsächlich jemand da oben! Sie konnte die Gestalt kaum erkennen, die dort in einer dunklen Ecke kauerte. Sie zog sich aus der Treppenluke hoch, ohne ein Geräusch zu machen, und schlich behutsam über den Holzboden. Ihre Finger umklammerten den Griff der Bratpfanne.

Doch als sie sich vorsichtig über den Boden auf den Eindringling zu bewegte, glaubte sie, ein gedämpftes Kichern zu hören.

Sie zögerte und ging dann entschlossen weiter. Nur meine Einbildung, sagte sie sich. Sie kam der Gestalt im Umhang immer näher. Sie konnte sie jetzt ganz deutlich sehen. Es war ein Mensch, und nach den kräftigen Armen und den muskulösen Schultern zu urteilen, war er einer der größten Männer, die Tika je gesehen hatte! Er kniete vor dem Werkzeug, und sein breiter Rücken war ihr zugewandt. Sie sah, daß er eine Hand erhob.

Und er hielt Caramons Hammer in seiner Hand!

Wie konnte er wagen, Caramons Sachen anzufassen! Auf denn – großer Mann oder nicht – sie haben alle die gleiche Größe, wenn sie ausgestreckt auf dem Boden liegen.

Tika hob die Bratpfanne...

»Caramon! Paß auf!« warnte eine schrille Stimme.

Der große Mann richtete sich auf und wandte sich um.

Die Bratpfanne fiel mit lautem Geklapper auf den Boden. Mit ihr ein Hammer und eine Handvoll Nägel.