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»Die Fäden des Schicksals liegen in Allahs Hand! Ob du lebst oder stirbst, was spielt das für eine Rolle? Aber wenn ich du wäre, würde ich den Tod wählen, denn lebend hast du keine Chance, deinem Los zu entgehen: dem einer Sklavin unter anderen Sklavinnen, geschmückt und verhätschelt, solange du gefällst, verlassen und elend, wenn deine Zeit vorbei ist!«

»Schluß jetzt mit dem Gerede, Zobeida!« unterbrach Arnaud brutal. »Ich allein habe hier zu bestimmen, was ich zu tun habe. Geh!«

Mit höhnischem, hinter der vorgehaltenen Hand kaum ersticktem Lachen geschmeidig über den Marmor gleitend, verschwand die Prinzessin. Arnaud und Cathérine standen sich allein gegenüber …

Einen Augenblick verharrten sie so wortlos, einige Schritte voneinander entfernt, die Geräusche des feindlichen Palastes hörend, und Cathérine dachte erbittert, daß sie sich ihr Wiedersehen anders vorgestellt hatte. Vorhin, ja, als er ihr den Schleier weggerissen und eine Bewegung angedeutet hatte, sie in die Arme zu schließen! Jetzt aber hatten die vergifteten Pfeile Zobeidas Arnaud getroffen und waren ihm ins Herz gedrungen. Jetzt würden sie sich mit der Verbissenheit unversöhnlicher Feinde zerreißen … Hatten sie sich dazu gesucht, sich trotz Menschen, Kriegen, Fürsten und so vieler widerlicher Umstände, die selbst die Stärksten niederschlagen konnten, geliebt? Was für ein Jammer! …

Cathérine wagte kaum, zu ihrem Gemahl aufzublicken, der sie mit verschränkten Armen betrachtete, weil sie fürchtete, ihm ihre tränenfeuchten Augen zu zeigen. Sie gewährte sich vor dem Kampf, den sie kommen fühlte, eine Atempause, darauf wartend, daß er vielleicht zuerst spräche. Aber er tat nichts dergleichen, rechnete möglicherweise damit, daß diese drückende Stille an den Nerven der jungen Frau zerrte. Und tatsächlich griff sie zuerst an.

Jäh, mit einer herausfordernden Kopfbewegung, deutete sie auf den Dolch in Arnauds Gürtel.

»Worauf wartest du noch? Warum gehorchst du nicht? Hat man dir nicht ausreichend zu verstehen gegeben, was du tun mußt? Ziehe diesen Dolch, Arnaud, und töte mich! Ich bekenne mich schuldig: Es stimmt, ich habe mich Mohammed hingegeben, weil dies das einzige Mittel war, hierherzukommen … und weil ich sonst nichts anderes tun konnte!«

»Und Brézé? Konntest du auch da nichts anderes tun?« Cathérine holte tief Atem. Wenn er so weit in seinen Anklagen zurückging, dann würde der Kampf schwer werden! Aber sie zwang sich zur Ruhe und erwiderte beherrscht:

»Brézé ist nie mein Geliebter gewesen, was immer du darüber denken magst. Er wollte mich heiraten. Einen Augenblick war ich versucht, seinen Antrag anzunehmen. Das war nach dem Sturz La Trémoilles, und ich konnte einfach nicht mehr! Ich hatte nur das verzweifelte Bedürfnis nach Ruhe, nach Frieden und Schutz. Du kannst nicht wissen, wie dieser Frühling des vergangenen Jahres war, auch nicht, was mich unser Sieg gekostet hat! Ohne Brézé wäre von mir nichts als ein Stück blutendes Fleisch unter den Händen der Henker der Dame La Trémoille übriggeblieben …« Sie hielt einen Augenblick inne, um die Erregung abklingen zu lassen, die sich ihrer bei der Erinnerung an diese entsetzliche Stunde bemächtigt hatte, dann fuhr sie mit einem Seufzer und tonloser Stimme fort: »Brézé hat mich gerettet, beschützt, ist mir bei der Ausführung meiner Rache behilflich gewesen, er hat für dich gekämpft, und da er dich für tot hielt, hielt er es nicht für unrecht, mir die Ehe anzubieten, denn er ist gut und treu …«

»Wie du ihn verteidigst!« fuhr Arnaud bitter dazwischen. »Ich frage mich, weshalb du dieser holden Neigung nicht gefolgt bist …«

»Erstens, weil man mich daran hinderte!« entgegnete Cathérine wieder zornig. Sie fügte hinzu, ihre Schuld ehrlich eingestehend: »Ohne den jungen Bernard hätte ich seinen Heiratsantrag vielleicht angenommen, doch ich schwöre bei Gott, der mich hört, daß Pierre de Brézé, als er nach Montsalvy ging, um die Verurteilungsurkunde zu suchen und dem König davon zu berichten, keinen Grund hatte zu glauben, daß ich ihn heiraten würde. Und wegen dieses unverantwortlichen Schritts habe ich endgültig mit ihm gebrochen!«

»Eine schöne, rührende Geschichte!« bemerkte der Ritter trocken. »Was hast du nach diesem Bruch getan?«

Cathérine mußte ihre ganze Geduld zusammennehmen, um nicht zu bersten. Der aggressive, inquisitorische Ton Arnauds erbitterte sie maßlos. Er spielte seine Rolle als in seiner Ehre gekränkter Bruder ein wenig zu gut, verlangte Rechenschaft und Erklärungen ohne das geringste Mitgefühl, als wären sie nicht Jahre hindurch in Liebe verbunden gewesen. Selbst der Brief, den er ihr hinterlassen hatte, als er Montsalvy verließ, offenbarte nicht soviel Bitterkeit und Gehässigkeit … Im Gegenteil, er war voll Sanftmut und Liebe gewesen. Vielleicht, weil er ernstlich glaubte, daß diese abscheuliche, erniedrigende Lepra sein Leben bald beenden würde, hatten ihm seine Tapferkeit und der Adel seines Charakters den Mut verliehen, verständnisvolle, verzeihende Worte zu schreiben. Als er sein Leben und seine Gesundheit wiedergewonnen hatte, war gleichzeitig sein Starrsinn wieder zurückgekehrt, unter dem Cathérine schon immer zu leiden gehabt hatte …

Sie überwand sich, und es gelang ihr zu lächeln, ein unendlich müdes und trauriges, doch sanftmütiges Lächeln. Sie streckte ihm die Hand entgegen.

»Komm mit mir! Bleiben wir nicht unter dem Säulengang, wo uns alle hören können. Gehen wir … da, zum Ende dieses Teichs, zu dem Steinlöwen, der die ganze Weisheit der Welt zu verkörpern scheint …«

Die Nacht verbarg den Anflug eines Lächelns, das einen kurzen Augenblick die strengen Züge Arnauds entspannte.

»Hast du denn die Weisheit so nötig?« fragte er, und am Klang seiner Stimme merkte sie, daß sein Zorn ein wenig nachließ. Daraus schöpfte sie neue Hoffnung. Auch ließ er sich widerstandslos mitziehen. Einen Augenblick gingen sie schweigend an der marmornen Einfassung entlang, auf die sich Cathérine, den Rücken an den Marmorlöwen gelehnt, setzte. Arnaud blieb stehen. Ihnen gegenüber leuchteten der Säulengang und der Turm, Rosen in der tiefblauen Nacht, unwirklich wie eine Luftspiegelung und leicht wie ein Traum. Die Geräusche des Palastes hatten sich beinahe gelegt, nur die Nachtvögel des Gartens und die Springbrunnen schienen noch zu leben. Eine schwache Brise ließ auf der Wasseroberfläche den zarten Widerschein des Palais zittern, und wie vorhin, im Löwenhof, war Cathérine von der zauberhaften Schönheit der Alhambra überwältigt.

»Dieser Ort ist für das Glück und die Liebe geschaffen … warum müssen wir uns hier gegenseitig quälen? Ich habe nicht so viele Meilen zurückgelegt, um dir weh zu tun oder daß du mir weh tust …«

Aber Arnaud ließ sich immer noch nicht erweichen. Einen Fuß auf den Marmorrand gestellt, sagte er warnend, die Augen abgewandt: »Hoffe nicht, meinen Geist auf die blumigen Pfade der Poesie locken zu können, Cathérine! Ich erwarte von dir einen genauen Bericht darüber, was sich seit deinem Aufbruch von Carlat ereignet hat.«

»Das ist eine lange Geschichte«, seufzte die junge Frau. »Ich hoffte, du würdest mir die Muße lassen, sie dir später in Ruhe zu erzählen. Vergißt du, daß wir hier in Gefahr sind, wenn nicht du, dann zumindest ich?«

»Weshalb du? Bist du nicht die Geliebte des Kalifen?« entgegnete er sarkastisch. »Wenn Zobeida zu mir hält, wird niemand es wagen, dir etwas zu tun …«

Cathérine wandte den Kopf ab, um ein ärgerliches, schmerzliches Zucken zu verbergen.

»Du weißt immer, was du sagen mußt, um zu verletzen, nicht wahr?« murmelte sie schmerzerfüllt. »Hör also zu, da du es willst, da ich den Mann, den ich verlassen hatte, nicht mehr wiederfinde und dein Vertrauen in mich gestorben ist …«

Die Hand Arnauds legte sich schwer auf Catherines Schulter, preßte sie, daß es schmerzte: