»Nicht so viele Ausflüchte, Cathérine! Versuche zu verstehen, daß ich alles wissen muß! Muß! Ich muß wissen, wie meine Frau, das Wesen, das mir das Liebste auf Erden war, dazu kam, nachdem sie in den Armen eines Waffenbruders Trost gesucht hatte, ihren Körper einem Ungläubigen zu verkaufen!«
»Und was anderes hast du getan?« rief Cathérine wütend. »Wie nennst du das, was du seit Monaten im Bett Zobeidas tust? … Was ich mit eigenen Augen, verstehst du, durchs Fenster des Innenhofes neulich nachts habe sehen können?«
»Was hast du gesehen?« fragte er hochmütig.
»Ich habe gesehen, wie ihr euch, du und sie, in enger Umschlingung auf dem Boden wälztet. Ich habe gesehen, wie du sie mit der Reitpeitsche schlugst, um danach deine Lust an ihr zu befriedigen … Ich habe ihr Keuchen gehört, habe deine Liebkosungen gezählt: zwei brünstige Tiere! Es war gemein! Außerdem warst du betrunken … aber ich glaubte, ich müßte sterben!«
»Schweig! Ich wußte nicht, daß du da warst!« fuhr er sie mit bewundernswerter männlicher Logik an. »Aber du, du, Cathérine, was hast du denn anderes im Djenan-el-Arif getan? Und du wußtest, daß ich da war, warst mir ganz nahe …«
»Dir nahe?« gab Cathérine böse zurück. »Du warst mir nahe, im Bett Zobeidas zweifellos? Du dachtest an mich, nur an mich?«
»Du glaubst nicht, wie wahr das ist! Ich mußte die Wut auslöschen, die mich jedesmal befiel, wenn ich an dich dachte, wenn ich dich mir in den Armen Brézés vorstellte, neben Brézé lebend, mit ihm sprechend, ihm zulächelnd, ihm deine Lippen bietend … und das übrige! Ein Frauenleib ähnelt einer Flasche Wein: Er kann einen Augenblick Vergessen schenken …«
»Bei dir dauern die Augenblicke offenbar lang! Vielleicht hätte es andere Mittel gegeben, deiner würdigere, um zu vergessen!« warf Cathérine ein, jede Vorsicht außer acht lassend. »Hättest du nicht versuchen können zu fliehen? Nach Montsalvy, nach Hause zu den Deinen?«
»Damit man dich als Bigamistin verurteilt und dem Scheiterhaufen überantwortet hätte? Die Eifersucht hätte mich weniger verzehrt, wenn ich dich weniger geliebt hätte … aber ich wollte dich nicht sterben sehen!«
»Und deshalb«, unterbrach Cathérine, absichtlich seine Liebeserklärung übergehend, »zogst du es natürlich vor, in den Genüssen dieses Palastes und in den Armen deiner Geliebten zu ›vergessen‹, zu vergessen, daß du, ein christlicher Ritter, Liebhaber einer Ungläubigen warst und deine Zeit zwischen der Jagd, dem Wein und der Liebe vergeudetest … Das hast du mir in deinem Brief nicht angekündigt. Hätte ich Fortunat nicht getroffen, hätte ich bis ins Heilige Land gehen können, um dich zu suchen, denn ich glaubte, du wolltest, geheilt oder noch krank, den Tod im Dienste Gottes oder des Königs suchen!«
»Erweist du mir die Ehre, mir einen Vorwurf daraus zu machen, daß ich noch lebe? Das wäre wirklich die Höhe!«
»Warum hast du nicht versucht zu fliehen?«
»Ich habe es tausendmal versucht … aber aus der Alhambra entkommt man nicht! Dieses unter Rosen und Orangenbäumen verborgene Palais wird besser bewacht als die sicherste königliche Festung. Jede Blume verbirgt ein Auge oder ein Ohr, jeder Strauch einen Spion. Übrigens, da du Fortunat getroffen hast, muß er dir erzählt haben, mit welcher Aufgabe ich ihn betraut hatte, wenn er nach dem Verlassen Toledos mit meiner Hilfe entwischen würde …«
»In der Tat: Er sagte mir, du hättest ihn zu deiner Mutter geschickt, um ihr von deiner glücklichen Heilung zu berichten!«
»… und von meiner Gefangenschaft in Granada. Er sollte ihr diskret, weil ich glaubte, du seist wieder verheiratet, die Wahrheit mitteilen, sie bitten, sich zum Konnetabel de Richemont zu begeben und ihm das Abenteuer zu gestehen, ihn zu ersuchen, es auf Ehre und Gewissen eines Ritters für sich zu behalten, was er zweifellos getan hätte, ihn aber auch aufzufordern, eine Delegation zum Sultan von Granada zu schicken, um von ihm meine Freilassung gegen Lösegeld zu verlangen. Darauf wäre ich unter einem falschen Namen ins Heilige Land oder in die Staaten des Papstes gezogen, und kein Mensch hätte mehr von mir gehört … zumindest hätte ich einen meiner und meines Namens würdigen Lebensweg gehen können!«
»Fortunat hat mir nichts von alledem gesagt! Alles, was er zu tun wußte, war, mir seinen Haß ins Gesicht zu schleudern und seine Freude, dich endlich in den Armen einer Prinzessin Ungläubig zu wissen, in die du leidenschaftlich verliebst seist.«
»Der Dummkopf! Und obgleich du dies wußtest, bist du weitergezogen?«
»Du gehörst mir an, wie ich dir angehöre, was du auch darüber denken magst. Für dich habe ich auf alles verzichtet, ich wollte aber nicht zugunsten einer anderen auf dich verzichten …«
»Was dir bei den Umarmungen mit dem Kalifen ein angenehmes Rachegefühl eingeflößt haben muß, nicht wahr?« warf Arnaud dickköpfig ein.
»Vielleicht!« gab Cathérine zu. »Meine Bedenken haben sich tatsächlich vermindert, denn ich bitte dich, mir zu glauben, daß es ein langer Weg zwischen dem Hospiz von Roncevaux, wo ich Fortunat traf, und dieser verfluchten Stadt ist! Ich habe Zeit gehabt zu überlegen, mir in aller Muße vorzustellen, was mein schlechter Stern mir noch bescheren würde.«
»Komm nicht immer wieder darauf zurück! Ich darf dich darauf aufmerksam machen, daß ich nach wie vor auf deinen Bericht warte!«
»Was nutzt das jetzt noch? Du willst nichts hören, nichts zugeben! Ich muß ja um jeden Preis in deinen Augen schuldig sein, um dein Gewissen zu beruhigen, nicht wahr? Einfach, weil du mich nicht mehr liebst, Arnaud, und im Bann dieser Frau stehst, so sehr, daß du deine eigene Frau vergißt … und unseren Sohn!«
»Ich vergesse nichts!« rief Arnaud, um seinen Zorn wiederanzufachen, den das plötzlich in ihm wachgerufene Bild des kleinen Knaben beträchtlich beschwichtigt hatte. »Wie könnte ich mein Kind vergessen? Es ist Fleisch von meinem Fleisch, wie ich das Fleisch meiner Mutter bin.«
Cathérine war aufgestanden, und die beiden Gatten standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber, jeder eine schwache Stelle im Harnisch des anderen suchend, um ihn um so sicherer verwunden zu können; aber ebenso, wie der Gedanke an Michel Arnaud halb entwaffnet hatte, so besänftigte die Erinnerung an Isabelle de Montsalvy den Groll Catherines. Sie war ihrem Gatten wegen seiner Täuschung zutiefst böse, liebte ihn aber zu sehr, um nicht unter dem Schlag zu leiden, den sie ihm jetzt versetzen mußte. Den Kopf senkend, murmelte sie:
»Sie lebt nicht mehr, Arnaud … Am Tage nach dem letzten Sankt Michael ist sie sanft entschlafen. Sie hatte die große Freude gehabt, noch mitzuerleben, wie unser kleiner Michel von all deinen versammelten Lehnsleuten zum Herrn ausgerufen wurde … Sie hat dich geliebt und hat für dich bis zum letzten Atemzug gebetet.«
Das Schweigen während der folgenden Augenblicke war drückend, wurde nur durch das schwere, schnelle und stoßweise Atmen Arnauds unterbrochen … Er sagte nichts. Cathérine hob wieder den Kopf. Das schöne Gesicht schien versteinert zu sein. Sein starrer Ausdruck, sein starrer Blick ließen keine Regung erkennen, weder Überraschung noch Schmerz, doch Tränen rannen über seine Wangen. Sie erschütterten Cathérine, die schüchtern die Hand ausstreckte, sie auf Arnauds Arm legte und ihn drückte, ohne eine Reaktion zu spüren.
»Arnaud!« stammelte sie. »Wenn du wüßtest …«
»Wer behütet Michel … während du auf den Landstraßen umherziehst?« fragte er so sachlich, als hätte es sich um eine unwichtige Erkundigung gehandelt.
»Sara und der Abbé de Montsalvy, Bernard de Calmont d'Olt … Dann sind da noch Saturnin und Donatienne … und alle Menschen in Montsalvy, die langsam wieder zum Leben zurückfinden und zu der Freude, deine Lehnsleute zu sein. Die Ländereien beleben sich wieder … und die Mönche der Abtei bauen ein neues Schloß neben dem Südportal, damit Schloß und Dorf sich besser Hilfe leisten können, falls neue Gefahr droht …«