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Catherines Herzschläge setzten aus, instinktiv streckte sie die Arme ihrem Gatten entgegen, wie um seinen Schutz zu suchen. Die Eunuchen hatten keine Zeit, auch nur eine Bewegung zu machen. Flink hatte Arnaud seinen neben dem Bett liegengebliebenen Dolch ergriffen und sich zwischen Cathérine und die Sklaven geworfen. Sein Gesicht war rot vor Zorn, doch seine Stimme war von eisiger Ruhe, als er erklärte:

»Ihr rührt sie nicht an! Der erste, der vortritt, kann sicher sein, daß er keinen Augenblick länger lebt.«

Die Eunuchen erstarrten, aber Zobeida brach in Lachen aus. »Du bist verrückt! Ich werde rufen … Die Wachen werden kommen. Es werden hundert, zweihundert, dreihundert sein … soviel ich will! Du wirst dich geschlagen geben müssen. Überlasse sie ihrem Schicksal. Ich werde dafür sorgen, daß du sie vergißt. Ich mache dich zum König …«

»Glaubst du wirklich, mich mit solchen Argumenten verführen zu können?« höhnte Arnaud. »Und du behauptest, ich sei verrückt? Du selbst bist verrückt!«

Ehe jemand eine Bewegung machen konnte, hatte er Zobeida ergriffen, ihre beiden Handgelenke mit der freien Hand gepackt und sie fest an sich gezogen. Mit der anderen setzte er die scharfe Spitze des Dolches der Prinzessin an die Kehle.

»Jetzt rufe deine Heere, Zobeida! Rufe, wenn du es wagst, und du wirst zum letztenmal gerufen haben … Steh auf, Cathérine, und zieh dich an … Wir werden fliehen!«

»Aber … wie?«

»Das wirst du sehen. Tu, was ich dir sage. Und was dich betrifft, Prinzessin, so wirst du uns ganz ruhig zu dem geheimen Palastausgang führen, den du so gut kennst. Wenn du eine verdächtige Bewegung machst oder einen Schrei ausstößt, bist du tot.«

»Du wirst nicht weit kommen«, murmelte Zobeida. »In der Stadt schon wird man dich ergreifen.«

»Das ist meine Sache. Vorwärts!«

Langsam – Cathérine folgte entsetzt – verließen sie das Gemach, zwei seltsame Gestalten, vor denen die Eunuchen zurückwichen und entflohen. Die Gruppe betrat den Garten.

Cathérine schien das Unternehmen Wahnsinn zu sein, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sie hatte vorhin, als Zobeida mit sadistischer Freude die ihr zugedachten Qualen geschildert hatte, eigentlich keine Angst gehabt. Hatte Morayma ihr nicht die bevorstehende Rückkehr des Kalifen angekündigt? In ihrem Zorn hatte Zobeida das ganz vergessen … Merkwürdigerweise ahnte Arnaud den Gedanken seiner Frau:

»Du hast unrecht, Cathérine, zu glauben, daß die Furcht vor der Rückkehr ihres Bruders diese Furie zurückhalten würde, dich töten zu lassen. Sie ist jeder vernünftigen Überlegung unzugänglich, jenseits jeder Furcht, wenn sie von ihren Dämonen besessen ist.«

Trotz der drohenden Waffe an ihrer Kehle zischte Zobeida in der Tat zwischen den Zähnen hervor:

»Ihr werdet nicht weit kommen … Ihr werdet sterben …«

Und plötzlich den Kopf verlierend, schrie sie: »Hierher! … Zu Hilfe!«, während sie sich wie eine Natter wand, um dem harten Griff Arnauds zu entwischen. Sie wollte noch einmal schreien, aber diesmal erstickte der Schrei, erstarb in einer Art entsetzlichen Gurgelns. Der Dolch war eingedrungen. Zobeida glitt ohne Klage aus Arnauds Armen in den weichen Sand des Gartens, die Augen wie in großem Erstaunen aufgerissen. Wie ein fahler Lichtfleck lag sie vor Catherines Füßen.

»Du hast sie getötet!« stammelte sie bestürzt.

»Sie hat sich selbst getötet … Ich wollte nicht zustoßen. Der Dolch hat sich von selbst in ihren Hals gebohrt.«

Einen Augenblick standen sie einander gegenüber, zwischen ihnen der Leichnam. Arnaud streckte seiner Frau die Hand entgegen.

»Komm! Wir müssen versuchen zu fliehen! Die Eunuchen haben bestimmt schon Alarm gegeben. Unsere einzige Chance wäre es, den geheimen Ausgang zu erreichen, bevor man uns einholt.«

Ohne zu zögern, gab sie ihm ihre Hand und ließ sich durch die Blumenbeete und Anlagen ziehen. Aber es war schon zu spät. Der Augenblick war verpaßt.

Der Tag brach an, und schon regte es sich im Garten. Aus vier Richtungen waren Schritte und Rufe zu hören.

Das eingekreiste Paar zögerte einen Augenblick, überlegte, welchen Weg es einschlagen sollte.

»Es ist zu spät«, murmelte Arnaud. »Wir haben keine Zeit mehr, die Mauer der Oberstadt zu erreichen. Sieh!«

Von allen Seiten tauchten Eunuchen mit ihren unheimlichen Krummsäbeln auf, auf denen die aufgehende Sonne funkelte. Hinter den Sträuchern, wo die beiden Montsalvy den Leichnam Zobeidas gelassen hatte, erklangen gellende Schreie, das »Ju! … Ju!«, die pflichtgemäßen Verzweiflungsschreie der Diener und Sklaven.

»Wir sind verloren!« stellte Arnaud ruhig fest. »Uns bleibt nur noch, anständig zu sterben.«

»Wenn ich bei dir bleibe, glaube ich, daß ich sterben könnte …«, sagte Cathérine, die Hand ihres Gatten fest drückend. »Es wäre nicht das erstemal, daß wir beide dem Tod ins Auge blickten. Erinnere dich an Rouen …«

»Ich habe es nicht vergessen!« erwiderte Arnaud mit flüchtigem Lächeln. »Aber hier gibt es keinen Jean Son, der uns zu Hilfe käme!«

»Aber es gibt Abu al-Khayr … und Gauthier und Josse, meinen Knappen, der in die Truppe des Kalifen eingetreten ist, um Zugang zur Alhambra zu erlangen! … Wir sind nicht allein!« Arnaud sah seine Frau bewundernd an.

»Josse? Wer ist denn das?«

»Ein Pariser Strolch, der auf Pilgerfahrt ging, um Ablaß für seine Sünden zu erlangen … Er ist mir sehr ergeben.«

Trotz der drohenden Gefahr, trotz der nahenden Gestalten, die sie immer enger und unerbittlicher einkreisten, mußte Arnaud lachen.

»Du wirst mich immer erstaunen, Cathérine! Wenn du Satan träfest, ma mie, wärest du fähig, ihm eine Leine um den Hals zu legen und ihn zum gehorsamsten Hündchen zu machen! Ich stelle ebenso mit Vergnügen fest, daß du diesen Muskelberg und normannischen Dickkopf Gauthier bis hierher mitgeschleppt hast. Jetzt wende deine Künste bei denen da an!« fügte er in einem anderen Ton hinzu, auf die Herankommenden deutend. Zwei verschiedene Gruppen näherten sich jetzt dem Paar, das zwischen einem Wasserbecken und einem Rosenstrauch stehengeblieben war. An der Spitze der einen konnten Cathérine und Arnaud die vorhin geflüchteten fackeltragenden Eunuchen erkennen, die dem von sechs Frauen der Prinzessin aufgehobenen Leichnam voranschritten. Den Mann, der die andere anführte, erkannte Cathérine an seinem Turban aus rotem Brokat: Es war der Großwesir Haben-Ahmed Banu Saradj …

»Du hast recht«, murmelte sie. »Wir sind verloren! Der da haßt dich und hat keinen Grund, mich zu lieben …«

Die beiden Gruppen stießen zusammen, bevor sie das Paar erreichten. Banu Saradj blickte lange auf den in seine azurblauen Schleier gehüllten Leichnam hinunter, den die Frauen vor ihm niederlegten. Dann ging er ruhig auf die beiden jungen Leute zu. Cathérine hatte instinktiv bei Arnaud Zuflucht gesucht, der den Arm um ihre Schulter legte. Der Tod, der in Form dieses jungen und eleganten Mannes auf sie zukam, schien ihr schrecklicher zu sein als der, welcher ihr von der Kobra gedroht hatte, vielleicht, weil es furchtbar ist zu sterben, wenn man nach soviel Mühen und Leid endlich die Liebe und das Glück gefunden hat. Der Garten entfaltete seine Schönheit im goldenen Licht des anbrechenden Morgens. Die von der Nacht erfrischten Blumen schienen glanzvoller, und das Wasser warf blaue, glitzernde Reflexe.

Der schwere, seltsam leere Blick Banu Saradjs legte sich jetzt auf Arnaud.