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Ihre unfreiwillige Besucherin betrachtend, achtete die Sultanin ihre Träumerei, bevor sie auf die großen Tabletts deutete.

»Du bist sicherlich müde und erschöpft«, sagte sie liebenswürdig. »Ruhe dich aus und iß!«

»Ich habe keinen Hunger«, entgegnete Cathérine mit der Andeutung eines Lächelns. »Dagegen hätte ich gern gewußt, wie ich hierherkomme? Was ist passiert? Kannst du mir sagen, die du mich so großmütig aufnimmst?«

»Warum sollte ich mich dir gegenüber nicht liebenswürdig erweisen? Weil mein Herr seine zweite Gattin aus dir machen wollte? Unser Gesetz gibt ihm das Recht auf so viele Gattinnen, wie er wünscht, und … wenn du an meine persönlichen Gefühle denkst, schon seit langem flößt er mir nur noch Gleichgültigkeit ein.«

»Trotzdem sagt man, ihr seid noch sehr miteinander verbunden.«

»Nur äußerlich. Vielleicht hängt er in Wirklichkeit an mir, aber seine unglaubliche Schwäche für Zobeida, die Leichtigkeit, mit der er ihre schlimmsten Zügellosigkeiten duldete, ihre Verbrechen, selbst die Mordversuche, die sie gegen mich unternommen hat, dies hat langsam die Liebe in meinem Herzen getötet. Du bist mir willkommen, Licht des Morgens, und dies um so mehr, da ich weiß, was du gelitten hast. Es ist edel und schön, daß eine Frau soviel Leid für den Mann, den sie liebt, auf sich nimmt. Dein Lebensweg hat mich beeindruckt. Daher habe ich zugestimmt, Abu al-Khayr bei seinem Plan zu helfen.«

»Entschuldige, wenn ich meine Frage wiederhole, aber was hat sich eigentlich zugetragen?«

Ein belustigtes Lächeln entblößte die kleinen weißen Zähne Aminas. Sie hatte einen neben ihr liegenden Fächer aus feinen bemalten und vergoldeten Palmblättern ergriffen und bewegte ihn sanft mit ihren schmalen, hennagefärbten Fingern hin und her.

»In diesem Augenblick ist der Seigneur Mansour ben Zegris im Begriff, Mohammed den Thron von Granada zu entreißen.«

»Aber … warum?«

»Um mich zu rächen. Er glaubt, ich liege im Sterben. Nein, schau mich nicht so entsetzt an«, fuhr Amina mit einem kurzen Lachen fort, »ich fühle mich wohl, aber Abu, der Arzt, hat das Gerücht in Umlauf gesetzt, der Großwesir, wahnsinnig vor Schmerz über den Tod Zobeidas, habe mich vergiften lassen, damit ich meine Feindin ins Reich der Toten begleite und nicht Muße habe, mich am Tod der Prinzessin zu weiden.«

»Und Mansour ben Zegris hat das geglaubt?«

»Heute morgen ist er wie ein Verrückter hier hereingestürzt. Er traf meine Frauen an, wie sie ihre Schleier zerrissen, meine Dienerinnen stießen Klageschreie aus, und ich lag auf meinem Bett, blaß wie der Tod.« Sie unterbrach sich, um Cathérine zuzulächeln. Und da sie die Frage voraussah, die kommen würde: »Abu al-Khayr ist ein großer Arzt. Mansour hat mich übrigens nur von ferne gesehen und keinen Augenblick gezweifelt. Von diesem Augenblick an war der Angriff auf die Alhambra beschlossene Sache. Abu, der Mansour gut kennt, hat ihm eingeredet, die Stunde der Hinrichtung sei der günstigste Zeitpunkt für den Angriff, da der Kalif, sein Hof und ein Teil seiner Truppen außerhalb der Festung sein würden. So wurde alles beschlossen, und als die Trommeln der königlichen Moschee Alarm schlugen, hat Abu al-Khayr durch sein Gähnen das mit deinen Dienern verabredete Zeichen gegeben. Das übrige kennst du …«

Diesmal hatte Cathérine verstanden. Abu hatte einen Aufstand angezettelt, indem er Mansour aufwiegelte, um im Schutze der allgemeinen Unruhe die Flucht des Verurteilten bewerkstelligen zu können.

»Gott sei gelobt«, seufzte sie, »daß er meinem Gatten die Kraft gab, so viele Leiden auszustehen, ohne daran zu sterben!«

Die dünne Stimme des kleinen Arztes erhob sich hinter Cathérine und veranlaßte sie, sich umzudrehen. Seine Ärmel wieder auf die frisch gewaschenen Hände herunterrollend, nahm Abu al-Khayr auf den Kissen Platz.

»Er ist viel weniger schwach, als anzunehmen war und sein Verhalten glauben machte, meine Freundin, aber diese Täuschung mußte sein!« sagte er, während er mit den Fingerspitzen vorsichtig ein von Honig triefendes Stück Kuchen nahm und es sich, ohne einen Tropfen fallen zu lassen, in den Mund schob.

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Cathérine unwillkürlich auf französisch.

»Daß er nicht viel gegessen hat, aber ein wenig hat trinken können, dank Josse, der im Ghafar aufpaßte, und, besonders, daß er geschlafen hat. Wie hat dir in letzter Zeit die Rosenkonfitüre geschmeckt?«

»Ausgezeichnet, aber ich dachte, die Wachen hatten Befehl, den Gefangenen um jeden Preis am Schlafen zu hindern, und der Großkadi habe Männer zu ihm geschickt, um sich dessen zu vergewissern.«

Abu al-Khayr lachte.

»Wenn ein Mensch so tief schläft, daß nichts und niemand ihn aufwecken kann, und wenn man den Auftrag hat, ihn daran zu hindern, dann ist es das beste, diesen Umstand zu vertuschen, sofern man nicht bestraft oder lächerlich gemacht werden will. Die Männer des Kadis hängen an ihrem Kopf wie jeder andere Sterbliche auch. Dein Gatte hat drei volle Nächte schlafen können.«

»Aber nicht dank der Rosenkonfitüre?«

»Nein. Dank des Wassers, das Josse ihm in einem unter seinem Turban versteckten kleinen Schlauch brachte. Gewiß, man hat ihm nicht viel zu trinken geben können, aber es hat genügt, ihn bei klarem Bewußtsein zu halten.«

»Und jetzt?«

»Jetzt schläft er, von Josse bewacht. Ich habe ihm Ziegenmilch mit Honig zu trinken gegeben und ihm dann von neuem das Schlafmittel verabreicht.«

»Aber … seine Hände?«

»Man stirbt nicht an durchbohrten Händen, wenn das Blut rechtzeitig gestillt wird und die Wunden früh genug behandelt werden. Du solltest auch an Ruhe denken. Hier seid ihr in Sicherheit, ganz gleich, wie der Kampf ausgehen wird.«

»Wer wird ihn gewinnen?«

»Wer kann das wissen? Mansours Versuch ist ein wenig zu hastig vorbereitet worden. Gewiß, er hatte den Vorteil der Überraschung, und seine Wüstensöhne sind die tapfersten Krieger der Welt. Aber sie sind nicht zahlreich, und der Kalif hat viele Wachen. Andererseits ist mindestens die Hälfte der Stadt auf Mansours Seite.«

»Und wenn einer von beiden stirbt, der Kalif oder Mansour?« fragte Cathérine mit instinktivem Entsetzen. »Ihr habt den Zorn dieser Männer entfesselt, und das nur, um uns zu retten? Verdienen wir es, daß man uns so viele Menschenleben opfert?«

Die Hand Aminas legte sich beruhigend und sanft auf die Catherines.

»Zwischen Mansour ben Zegris, meinem Vetter, und dem Herrn der Gläubigen hört der Krieg nimmer auf. Ein Nichts facht ihn wieder an. Die Zeit dämpft ihn einen Augenblick! … Wie es heißt, soll der Kalif sich entfernen, um der Stadt Zeit zu lassen, sich zu beruhigen. Solange er lebt, wird Mansour den Thron nicht einnehmen können. Die Ulemas würden es nicht erlauben …«

»Aber wenn Mansour besiegt wird? Was geschieht dann mit ihm?« fragte Cathérine, trotz allem an diesem grausamen und blutrünstigen Mann interessiert (hatte sie nicht mit angesehen, wie er Banu Saradj köpfte?), dem sie aber das Leben ihres Gatten und ihr eigenes verdankte. Sie hatte das prickelnde Gefühl, Komplizin der Täuschung zu sein, der er zum Opfer gefallen war.

Abu al-Khayr zuckte die Schultern und nahm sich noch ein Stück Kuchen.

»Beruhige dich! Er ist nicht so dumm, sich fangen zu lassen. Wir haben sein Leben nicht über die Maßen in Gefahr gebracht. Wenn er besiegt wird, wird er übers Meer fliehen und Zuflucht in Fes suchen, wo er einen Palast und Ländereien besitzt. Nach einigen Monaten wird er dann arroganter denn je mit neuen Streitkräften zurückkehren. Und alles beginnt wieder von vorn. Diesmal jedoch wird er sich vor Banu Saradj in acht nehmen müssen. Zobeidas Tod hat ihn wirklich halb wahnsinnig gemacht.«