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Nun gab es kein Halten mehr. Ein Jubelsturm brandete durch das Lager.

„Varus! Varus! Varus!“, skandierten die Legionäre. Varus lächelte huldvoll und zog sich dann mit seinen Offizieren zurück.

Vergnügt kehrten alle zu ihren Tätigkeiten zurück. Es war ein kurzer Feldzug mit reicher Beute gewesen, und in diesem wie im nächsten Jahr versprach das hier ein ruhiger Posten zu werden. Die Legionäre fanden, auch ohne die Auguren zu Rate ziehen zu müssen, dass die Zeichen gut standen.

Ende September erreichte Lucius mit der Post eine Überraschung. Marcus hatte geschrieben und teilte ihm mit, dass er mit seiner Familie noch immer in Lugdunum sei. Sie würden noch bis zum nächsten Jahr bleiben und hoffen, ihn bald dort begrüßen zu dürfen. Lucius entwarf schnell ein Antwortschreiben und setzte ein Urlaubsgesuch auf. Während er schrieb, fiel ein Schatten auf den Tisch und als er aufsah, stand Quirinius vor ihm.

Lucius lächelte. „Wenn das nicht Zauberei ist.“ Er winkte mit dem Urlaubsgesuch. „Ich setze gerade ein Gesuch für ein paar Tage Urlaub im kommenden Winter auf!“

„Abgelehnt!“, sagte Quirinius sofort und ohne mit der Wimper zu zucken.

Lucius war so verblüfft, dass er nicht wusste, was er sagen sollte. „Äh, was?“, war alles, was er herausbrachte.

Quirinius zog eine Schriftrolle hervor und las: „Von Tiberius Claudius Nero, Legat von Imperator Caesar Augustus, an Lucius Justinius Marcellus, zweiter Centurio der Hastaten in der 8. Kohorte in der XIX Legion Augusta! Und so weiter und so weiter!“ Seine Augen huschten über die Zeilen und suchten eine bestimmte Stelle. „… wird hiermit sofort zur Ala Pomponia, die im Augenblick in der Provinz Belgica stationiert ist, versetzt. Er hat sich mit dem nächsten Transport sofort zur Civitas der Ubier zu begeben, wo die Ala Pomponia ihr Winterquartier aufschlagen wird.“

Lucius starrte den Tribun an. Eine Versetzung? Zu den Hilfstruppen? Zu den Reitern? Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Was hatte das zu bedeuten?

Quirinius musterte ihn und rollte das Pergament zusammen. „Du scheinst Fortunas Günstling zu sein, Marcellus!“, sagte er und hielt ihm die Schriftrolle hin.

Lucius griff automatisch zu. „Fortunas Günstling?“, stieß er hervor. „Eine Versetzung zu den Hilfstruppen ist kaum ein Beweis für Fortunas Gunst!“

„Nein, aber eine Versetzung nach Belgica!“, konterte der Tribun sofort. „Zumindest für Männer, die Karriere machen wollen! Hier südlich des Danuvius wird es in den nächsten Jahren ruhig zugehen. Die nächsten Feldzüge werden am Rhenus gegen die Germanen ausgefochten werden und die Reiter werden eine wichtige Rolle spielen! Weitere Feldzüge, weitere Beute für dich!“

Lucius starrte den Tribun noch immer an, nicht sicher, ob er dem zustimmen konnte.

„Pack sofort deine Sachen zusammen! Ein primi ordinis wird deine Einheit inspizieren, bevor sie von deinem Optio übernommen wird.“

Damit ließ er ihn stehen. Lucius sah ihm hinterher und dachte über das Gesagte nach.

Vielleicht hatte Quirinius recht; alles sah nach Kämpfen am Rhenus aus und er würde daran teilnehmen. Die langweiligen Vermessungsarbeiten beim Aufbau der neuen römischen Siedlungen würden ihm erspart bleiben.

Er winkte Ajax herbei. „Pack meine Sachen ein, auch meine Waffen, mit Ausnahme des Gladius und des Pugio!“, wies er ihn an, während er das Urlaubsgesuch zerriss.

Dann schrieb er schnell den Brief an Marcus zu Ende:

„Ich wurde gerade überraschend an die germanische Grenze versetzt und muss bald aufbrechen. Ich kann nicht nach Lugdunum kommen, grüße alle von mir, ich melde mich bald. Vale, Lucius“

Er versiegelte den Brief und überlegte, was noch zu tun war, bevor er aufbrach. Er musste Mallius und Celsonius informieren und mit ihnen die Übergabe der Centurie besprechen. Er ging in sein Zelt und zog die kleine Truhe heraus, in der er seine Unterlagen aufbewahrte, und sah sie durch. „Centurio Marcellus!“, ertönte da die wohlbekannte, verhasste Stimme von Titus Valens hinter ihm. Lucius schloss die Augen. Ihr Götter, konntet ihr mir dieses Gesicht nicht einmal ersparen? Er richtete sich auf.

„Ja?“, fragte er herausfordernd.

Valens musterte ihn. „Ich soll mich überzeugen, dass deine Einheit und deine Unterlagen in Ordnung sind, bevor du uns verlässt! Du wirst ja schließlich zu den Hilfstruppen gehen!“, sagte er mit der Betonung auf „Hilfs-“.

„Na und?“, erwiderte Lucius angriffslustig. „Ich werde am Rhenus gegen die Germanen kämpfen, während ihr euch hier die Ärsche platt sitzt!“

Valens’ Mund verzog sich überraschend zu einem Lächeln

Lucius war irritiert. „Können wir?“, fragte er, um Zeit zu gewinnen, und deutete auf die Truhe. Lucius schleppte die Truhe zu Mallius, der die Soldlisten der Centurie bereithielt. Wenn es eines Beweises bedurfte, dass die Legion ein Dorf war, dann war es die Tatsache, dass Mallius und Celsonius schon über Lucius’ Versetzung Bescheid wussten und ihn erwartet hatten.

Gemeinsam sahen sie die Unterlagen durch, verglichen die Sold- mit den Proviantlisten, sahen sich die Krankenunterlagen an und überprüften die Wacheinteilung. Dann quittierten alle vier die ordnungsgemäße Übergabe. Valens ließ die Centurie antreten, um die Ausrüstung zu überprüfen. Die Legionäre der anderen Centurien hatten offensichtlich bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Für ein geschäftiges Legionslager gab es plötzlich viel zu viele Männer, die Freizeit hatten und zusahen.

Valens nahm sich so ausgiebig Zeit, alles zu untersuchen, dass Lucius schon befürchtete, an diesem Tag nicht mehr aufbrechen zu können. Such du nur, du verdammter Bastard, dachte er bei sich. Du wirst nichts finden.

Schließlich gab Valens mit einem kurzen Nicken sein Einverständnis. Celsonius ließ die Centurie Lucius zum Abschied noch einmal grüßen und dann wegtreten. Die Männer legten ihre Waffen weg und kamen dann zu Lucius’ Zelt, um ihm beim Packen und Verladen der Sachen auf ein Maultier zuzusehen. Lucius hatte einen Kloß im Hals, als er fertig war und sich zu den Männern umdrehte. Zu SEINEN Männern! Dies war sein erstes Kommando, seine erste Centurie gewesen, und er würde sie bestimmt nie wieder sehen. Er musterte die Gesichter der Männer und sah zu seiner Überraschung echtes Bedauern in den meisten von ihnen.

„Jungs, ihr seid eine großartige Centurie. Die beste!“, rief er unter dem Jubel der Männer. „Macht mir keine Schande!“

Er nahm das Maultier am Zügel und unter den Segenswünschen der Männer führte er es zur Via Praetoria. Hilarius und Vitellius beobachteten ihn und – Lucius konnte es kaum glauben – hoben die Hand zum Gruß. Lucius grüßte überrascht zurück.

Valens begleitete ihn schweigend bis zum Forum. Dort musste Lucius einen Moment warten, während Valens in die Baracke des Präfekten eilte, um eine Schriftrolle und eine Wachstafel zu holen.

„Dies ist ein Schreiben für deinen neuen Kommandeur!“, sagte er und reichte ihm die Wachstafel. „Und dies deine offizielle Entlassung aus der Augusta!“

Lucius verstaute die beiden Schriftstücke in seinem Gepäck. Dann sah er noch einmal zum Heiligtum hinüber und grüßte den Adler, bevor er sein Maultier auf die Via Principalis führte, um zur Porta Principalis Dextra zu gelangen. Er würde sich einem Proviantzug nach Vesontio anschließen und von dort aus nach Reisemöglichkeiten gen Norden suchen müssen. In das Gebiet der Ubier. Auch die Sugambrer streiften irgendwo nahe dieser Gegend umher. Die Clades Lolliana musste sich dort ereignet haben. Wieder einmal hatte sich der schon so oft gehörte Spruch bewahrheitet: Wenn man unter dem Adler dient, muss man mit allem rechnen.

Ihm fiel plötzlich auf, dass er den Brief an Marcus noch immer in der Hand hielt. Es würde eben noch etwas dauern, bis er seine Familie wiedersah und zum ersten Mal seine Nichte, die kleine Fürstin. Was aber sollte er jetzt mit dem Brief machen? Er blieb stehen, zog ihn aus seiner Tunica und sah ihn ratlos an. Valens, der ihn schweigend begleitet hatte, streckte wortlos die Hand aus, und nach kurzem Zögern reichte ihm Lucius den Brief.