Выбрать главу

Schweigen herrschte in dem Zimmer.

„Centurio?“ Lucius war fassungslos. „Aber Centurionen sind doch alte, erfahrene Kämpfer, und das bin ich nicht“, stammelte er.

Gnaeus winkte ab: „Es werden neue Wege beschritten. Die Söhne von Rittern werden in Zukunft direkt Centurio werden können. Nach Ablauf ihrer Dienstzeit werden sie dann in den Verwaltungsdienst der Provinzen übernommen!“

Lucius war überrascht und verwirrt. Auf der einen Seite war sein Traum mit einem Male zum Greifen nahe, aber Centurio – daran hätte er nie gedacht. Sein Hals war ausgetrocknet.

„Wann?“, krächzte er schließlich.

„In drei Jahren“, stellte Gnaeus fest. „Bis dahin werde ich dafür sorgen, dass du alles lernst, was du wissen musst, um als Centurio zu bestehen!“

„Ja, Vater!“, sagte Lucius feierlich und mit leuchtenden Augen. Kein Rhetorikunterricht mehr, drei Jahre militärische Ausbildung, und dann Karriere bei der Legion, danke, Fortuna, danke! Aber sein Vater war noch nicht fertig.

„Zunächst einmal wirst du dein Schwerttraining fortführen. Darüber hinaus wirst du die eine oder andere Aufgabe übernehmen, die dich lehrt, Verantwortung zu tragen. Du wirst nach Massilia reisen und mit Krateros die Bedingungen für den Weinversand aushandeln. Du wirst an den Liberalien die Toga der Männer anlegen und dann Sergius auf dem Hof zur Hand gehen. Du wirst lernen, wie man Arbeiter anwirbt, und bei der Weinernte helfen. Außerdem wirst du ein Training durchlaufen, das dich bereit für die Legionen macht.“

Lucius wusste nicht, was er sagen sollte, und starrte seinen Vater nur sprachlos an. Die Neuigkeiten prasselten auf ihn ein und sein Leben wurde in nur wenigen Augenblicken auf den Kopf gestellt. Er war wie betäubt. Sextus musterte seinen Neffen und fragte dann seinen Schwager: „Centurio zu werden ist ein harter Weg. Was ist, wenn er es nicht schaffen sollte?“

„Dann wird er den Rest seines Lebens auf dem Hof arbeiten“, antwortete Gnaeus Marcellus und musterte seinen jüngsten Sohn mitleidlos. Lucius schluckte schwer. Er durfte nicht versagen.

Oben auf dem Capitol, wie der Sandsteinhügel in Arausio in Anlehnung an einen der Hügel Roms genannt wurde, stand Gnaeus Marcellus mit Lucius, Gaius Syros und Sextus Pompeius am Eingang des Tempels des Jupiter Optimus. Im Tal unter ihnen lag das Forum. Von ihrem Platz aus konnten sie erkennen, wie die Honoratioren die Curie verließen und sich davor zum Zug formierten. Vorneweg gingen die Duoviri, die anderen neu gewählten Magistrate und die Vigintiviri, dahinter die Decurionen. Sie marschierten über das Forum und stiegen die Treppe zum Tempel des Jupiter Optimus hinauf. Lucius sah unter den Vigintiviri Gaius, dessen Miene seine Anspannung verriet.

Gaius schien Lucius’ Blick zu spüren. Er sah suchend in seine Richtung und zwinkerte ihm kurz zu, als er ihn entdeckt hatte.

Der Zug der Honoratioren erreichte den Hof, wo sich die Männer um den Altar versammelten, an dem bereits die Ponitifices und der flamen Augusti warteten. Nachdem alle Aufstellung genommen hatten, führten die Gehilfen der Priester einen weißen Stier nach vorn. Die Duoviri traten vor und nahmen bei dem Stier Aufstellung. Die beiden Musiker, die zu ihrem Stab gehörten, begannen auf der Flöte zu blasen, um unerwünschte Nebengeräusche zu übertönen. Die Duoviri zogen sich die Togen über den Kopf und begannen, die Beschwörungen zu rezitieren und den Wein auf das Tier zu schütten. Dann zogen sie mit dem Opfermesser den symbolischen Strich vom Kopf bis zum Schwanz des Stieres.

Der Opfergehilfe schwang seinen Hammer und traf den Stier auf der Stirn. Der Stier senkte benommen den Kopf und knickte ein. Dies nahm der Gehilfe als sein Einverständnis und rammte dem Opfertier das Schwert in den Nacken. In einem Schwall von Blut stürzte der Stier zu Boden. Er zuckte noch einige Male und lag dann still. Jetzt traten die Haruspexe der Duoviri vor, schlitzten den toten Stier auf und begannen die Eingeweide zu untersuchen. Nach einer kurzen Beratung nickten die Eingeweideschauer zufrieden. Dann entnahmen sie Leber, Galle, Lunge und Herz und verbrannten sie mit einigen weiteren Fleischstücken auf dem Altar.

Nachdem die Auguren offiziell verkündet hatten, dass die Zeichen gut standen, konnten die Duoviri vor dem Imago des Augustus unter der Aufsicht des flamen Augusti ihren Eid ablegen.

Lucius folgte der Amtseinführung voller Faszination. Bald würde auch er den Eid auf das Imperium leisten.

DIE • TOGA • DER • MÄNNER

ARAUSIO

Der Traum der letzten Tage kam auch in dieser Nacht wieder: Lucius versuchte, seine Toga anzulegen, doch obwohl er es wieder und wieder geübt hatte, wollte es ihm nicht gelingen. Er konnte sich plötzlich nicht mehr erinnern, ob er sie zuerst über die linke oder über die rechte Schulter legen musste. Und dann? War es hinten am Rücken herunter und über die Achsel nach vorne? Oder war es unter der Achsel hindurch? Er spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Endlich hatte er sie irgendwie angelegt und versuchte seinen ersten Schritt. Prompt verhedderte er sich, geriet ins Stolpern und fiel, in seine Toga verstrickt, seinem Vater vor die Füße. Die Gäste brachen in höhnisches Gelächter aus, während Gaius beschämt wegsah. Sein Vater beugte sich mit wutverzerrtem Gesicht über ihn und riss ihm die Toga weg.

„Du bist der Toga der Männer nicht würdig. Geh hinaus zu den Kindern, wo du hingehörst!“

Das Gelächter der anderen wurde immer lauter. Schließlich rollten sie ihn einfach in seine Toga gewickelt zur Tür hinaus.

Lucius fuhr auf. Er lag mitten im Zimmer. In seine Schlafdecke gewickelt war er aus dem Bett gefallen und über den kühlen Fußboden gerollt.

Erleichtert ließ er sich zurücksinken. Nur ein Traum! Es störte ihn nicht, auf dem Boden zu liegen. Sein Blick wanderte hinüber zu der Kleidertruhe. Dort lag die Toga mit dem Purpurstreifen, die toga praetexta, und eine einfache, weiße toga pura. Die weiße Toga war es, auf die er so lange gewartet hatte: die toga virilis, die Toga der Männer.

Morgen war der große Tag. Ganz Arausio würde die Liberalien feiern, ein Bacchus-Fest, und er würde endlich zu den Erwachsenen gehören. Mit diesem Gedanken schlief er wieder ein.

Ein Rütteln an seiner Schulter weckte ihn. Es war Stephanos. „Steh auf, Lucius! Du willst doch nicht zu spät zu deiner eigenen Feier kommen, oder?“

Lucius lag noch immer mitten im Zimmer. Schnell schüttelte er die Schlafdecke ab und sprang auf. Stephanos sah sich seinen Schlafplatz schmunzelnd an. „Wilde Träume, wie? Oder wolltest du dich schon einmal an das Leben eines Soldaten gewöhnen?“

Lucius lachte, während er seine Tunica zusammenraffte und gürtete.

„Ein Bad wartet auf dich“, fuhr Stephanos fort und mit einem bedeutungsvollen Blick: „Ich soll dich rasieren.“

Lucius sah ein Rasiermesser und eine Pinzette in Stephanos Hand.

„Rasieren?“, fragte Lucius erstaunt. „Andere dürfen die Toga der Männer schon mit vierzehn anlegen, ich erst mit sechzehn. Dafür soll ich mich schon rasieren, obwohl ich noch keine achtzehn bin!“

Stephanos zuckte mit den Schultern: „Wahrscheinlich sind deinem Vater die ganzen Feste zu teuer. Oder er hat Angst, dass er deine erste Rasur nicht mehr miterleben könnte. Er ist immerhin schon fast siebzig Jahre alt.“

Lucius holte seine Badesachen, Strigilis, Schwamm und Badeöl aus der Truhe und machte sich mit Stephanos zusammen auf den Weg. Sie durchquerten das Atrium und traten hinaus in den Garten. Kurz vor dem Badehaus blieb Lucius plötzlich stehen. „Verflixt! Ich habe eine frische Tunica vergessen. Ich muss noch einmal in mein Zimmer.“